4.12 Dualräume und duale Abbildungen
Definition (Dualraum, lineares Funktional, duale Basis)
Der Dualraum V*
Sei V ein K-Vektorraum. Dann definieren wir den Dualraum V* von V durch
V* = Hom(V, K) = { f | f : V → K ist linear }.
Die Elemente von V* heißen auch lineare Funktionale.
Die Dualbasis v1*, …, vn*
Ist dim(V) < ∞ und (v1, …, vn) eine Basis von V, so definieren wir für alle 1 ≤ j ≤ n:
vj* = „das eindeutige f ∈ V* mit f (vj) = 1 und f (vk) = 0 für alle k ≠ j“.
Das Tupel (v1*, …, vn*) heißt die zu (v1, …, vn) duale Basis.
Wir betrachten hier einen Spezialfall von Hom(V, W): Der Zielraum W ist nun der Skalarenkörper K von V.
Beispiel
Für V = ℝ2 besteht V* aus allen linearen f : ℝ2 → ℝ. Für jedes f ∈ V* gilt
f(x, y) = xf(1, 0) + yf(0, 1) = ax + by für alle x, y ∈ ℝ, wobei
a = f (e1) = f(1, 0), b = f (e2) = f(0, 1).
Damit ist f die Ebene durch den Ursprung mit der Steigung a entlang der x-Achse und der Steigung b entlang der y-Achse. Der Dualraum V* von ℝ2 besteht aus allen diesen Ebenen. Analog besteht V* für V = ℝ aus allen Geraden f : ℝ → ℝ mit f (0) = 0.
Ist n = dim(V) < ∞, so ist dim(V*) = dim(Hom(V, K)) = n 1 = n nach 4. 11, sodass V ≅ V*.
Die *-Operation ordnet einem Basisvektor vj ein Element vj* des Dualraums zu. Nützlich ist hier das Kronecker-Symbol δj k, das definiert ist durch δj j = 1 und δj k = 0 falls j ≠ k. Für alle 1 ≤ j, k ≤ n und α1, …, αn ∈ K gilt also
v*j(vk) = δjk,
v*j(α1v1 + … + αnvn) = αj.
Die lineare Abbildung v*j : V → ℝ pickt für jedes v ∈ V die j-te Koordinate von v bzgl. B = (v1, …, vn) heraus (vgl. 3. 6). Somit ist
(v*1(v), …, v*n(v)) = ΦB(v) = (α1, …, αn)
für alle v = α1v1 + … + αnvn ∈ V.
vj* | v1 | … | vj − 1 | vj | vj + 1 | … | vn |
0 | … | 0 | 1 | 0 | … | 0 |
Die linearen Abbildungen vj* sind „Koordinatenpicker“:
v*1(α1v1 + … + αnvn) = α1
…
v*j(α1v1 + … + αnvn) = αj
…
v*n(α1v1 + … + αnvn) = αn
Für unendlich-dimensionale Vektorräume V ist die Isomorphie V ≅ V* nicht mehr gültig. Der Dualraum V* ist dann substantiell größer als V.
Beispiel
Sei V = ℝ(ℕ), und sei (en)n ∈ ℕ die kanonische Basis von V. Die linearen Funktionale e*n ∈ V* können genau wie oben definiert werden. Die Familie (e*n)n ∈ ℕ ist linear unabhängig in V*, aber nicht mehr erzeugend: Ist f : V → ℝ linear mit f (en) ≠ 0 für unendlich viele n, so ist f ∉ span((e*n)n ∈ ℕ). Analoges gilt für V = K(I), I unendlich.
Mit Hilfe der Dualräume führen wir ein:
Definition (duale Abbildung)
Seien V, W beliebige K-Vektorräume, und sei f : V → W linear. Dann ist die duale Abbildung f* : W* → V* von f für alle g ∈ W* definiert durch
f*(g) = g ∘ f. (Pullback von g durch f)
Ein g ∈ W* wird durch Vorschalten eines festen f ∈ Hom(V, W) zu einem linearen Funktional f*(g) ∈ V* zurückgezogen. Sind V und W endlich-dimensional mit dim(V) = n und dim(W) = m, so liefert die Dimensionsformel, dass
m − dim(Bild(f*)) = dim(Kern(f*)) = dim({ g ∈ W* | g ∘ f = 0 }) = dim({ g ∈ W* | g(w) = 0 für alle w ∈ Bild(f) }) = m − dim(Bild(f)).
Wir erhalten:
Dimensionen des dualen Bildes und Kernes
dim(Bild(f*)) = dim(Bild(f)), dim(Kern(f*)) = m − n + dim(Kern(f)).
Aus den Formeln folgt, dass sich die Eigenschaften „Epimorphismus“ und „Monomorphismus“ beim Wechsel zwischen f und f* austauschen.
Exkurs: Bidualräume
Zu jedem Vektorraum V kann man den Dualraum V* bilden, und damit lässt sich auch der Dualraum (V*)* = V** von V* bilden, der sog. Bidualraum von V. Er besteht aus allen linearen F : V* → K. Ein F ∈ V** weist jedem linearen f : V → K einen Skalar F(f) ∈ K zu. Das ist gar nicht so wild, wie es zunächst aussieht: Ist v ∈ V beliebig, so definieren wir das Element Fv : V* → K des Bidualraums V** durch
Fv(f) = f (v) für alle f ∈ V*.
Die Funktion Fv pickt aus jeder linearen Abbildung f : V → K den Wert f (v) heraus. Ist dim(V) < ∞ (und also V ≅ V* ≅ V**), so ist jedes Element von V** von der Form Fv. Genauer ist dann die Abbildung Ψ : V → V** ein Isomorphismus, wobei
Ψ(v) = Fv für alle v ∈ V.