4.3 Kern und Bild
Definition (Kern und Bild eines Homomorphismus)
Sei φ : G → G′ ein Gruppenhomomorphismus. Dann setzen wir
Kern(φ) = { a ∈ G | φ(a) = e′ },
Bild(φ) = { φ(a) | a ∈ G }.
Die Mengen Kern(φ) und Bild(φ) heißen der Kern bzw. das Bild von φ.
Neben e können weitere Elemente von G auf das neutrale Element e′ von G abgebildet werden. Die Menge dieser Elemente ist Kern(φ).
In Bild(φ) werden alle Werte von φ gesammelt.
Nach Definition ist der Kern von φ : G → G′ eine Teilmenge des Definitionsbereichs G von φ, während das Bild von φ eine Teilmenge des Wertevorrats G′ von φ ist. Als Faustregel kann
Kern links und Bild rechts
helfen. Es ist wichtig, die beiden Welten G und G′ zu trennen, wenn G ≠ G′.
Kern und Bild lassen sich mit den allgemeinen Abbildungsbegriffen beschreiben:
Kern(φ) = φ−1[ { e′ } ] = „das Urbild von { e′ } unter φ“ = „die Faser von φ über e′ “,
Bild(φ) = φ[ G ] = „der Wertebereich von φ“.
Damit sind Kern und Bild streng genommen nichts Neues. Sie spielen aber für die Beschreibung von Homomorphismen eine so bedeutende Rolle, dass sich eine eigene Begriffsbildung lohnt. Wichtige Eigenschaften sind:
Kern und Bild eines Gruppenhomomorphismus φ : G → G′
Kern(φ) ist ein Normalteiler von G.
Bild(φ) ist eine Untergruppe von G′.
φ ist genau injektiv, wenn Kern(φ) = { e }.
φ ist genau dann surjektiv, wenn Bild(φ) = G′.
Wir weisen zur Illustration die Eigenschaften des Kerns nach. Dabei notieren wir die Gruppenoperationen von G und G′ multiplikativ.
Kern(φ) ist ein Normalteiler von G
Wegen φ(e) = e′ ist e ∈ Kern(φ) und damit Kern(φ) ≠ ∅. Für a, b ∈ Kern(φ) ist
φ(ab−1) = φ(a) φ(b−1) = φ(a) φ(b)−1 = e′ e′−1 = e′,
sodass ab−1 ∈ Kern(φ). Nach dem Untergruppenkriterium ist also Kern(φ) eine Untergruppe von G.
Für „Normalteiler“ seien a ∈ G und b ∈ Kern(φ). Dann gilt
φ(a b a−1) = φ(a) φ(b) φ(a−1) = φ(a) e φ(a)−1 = φ(a) φ(a)−1 = e′.
Also gilt a b a−1 ∈ Kern(φ). Dies zeigt, dass Kern(φ) ein Normalteiler ist (vgl. 2. 7).
φ ist genau dann injektiv, wenn Kern(φ) = { e }
Sei φ injektiv. Wegen φ(e) = e′ gilt { e } ⊆ Kern(φ). Da φ injektiv ist, hat e′ höchstens ein Urbild unter φ, sodass Kern(φ) ⊆ { e }. Damit ist Kern(φ) = { e }.
Sei umgekehrt Kern(φ) = { e } und seien a, b ∈ G mit φ(a) = φ(b). Dann gilt
φ(ab−1) = φ(a) φ(b)−1 = φ(a) φ(a)−1 = e′.
Also ist ab−1 ∈ Kern(φ) und damit ab−1 = e, also a = b. Dies zeigt, dass φ injektiv ist.
Die Untergruppe Bild(φ) ist im Allgemeinen kein Normalteiler. Ist G eine Gruppe und H eine Untergruppe von G, die kein Normalteiler ist, so ist die Identität id : H → G ein Homomorphismus, dessen Bild kein Normalteiler ist.
Beispiele
(1) | Für die Projektion φ : (ℝ2, +) → (ℝ, +) auf die erste Koordinate gilt Kern(φ) = { 0 } × ℝ = { (0, y) | y ∈ ℝ }, Bild(φ) = ℝ. |
(2) | Sei φ : (ℤ, ·) → (ℤ5*, ·) definiert durch φ(a) = [ 2 ]a für alle a ∈ ℤ (wobei [ 2 ] = [ 2 ]5), sodass φ(0) = [ 1 ], φ(1) = [ 2 ], φ(2) = [ 4 ], φ(3) = [ 8 ] = [ 3 ], φ(4) = [ 16 ] = [ 1 ]. Dann gilt (vgl. 2. 6): Kern(φ) = 4ℤ = { 0, 4, −4, 8, −8, … }, Bild(φ) = ℤ5*. |
(3) | Sei φ : (ℤ, +) → (ℤ12, +) definiert durch φ(a) = a [ 2 ] für alle a ∈ ℤ (wobei nun [ 2 ] = [ 2 ]12), sodass φ(3) = [ 6 ], φ(6) = [ 12 ] = [ 0 ], φ(−1) = − [ 2 ] = [ 10 ] usw. Dann gilt Kern(φ) = 6ℤ = { 0, 6, −6, … }, Bild(φ) = { [ 0 ], [ 2 ], [ 4 ], [ 6 ], [ 8 ], [ 10 ] }. |