4.5 Lineare Abbildungen
Definition (lineare Abbildung)
Seien V, W K-Vektorräume. Dann heißt eine Abbildung f : V → W linear, falls gilt:
(a) | f : (V, +) → (W, +) ist ein Gruppenhomomorphismus, d. h., f(v + w) = f (v) + f (w) für alle v, w ∈ V, |
(b) | f (α v) = α f (v) für alle α ∈ K und v ∈ V. (Skalierungseigenschaft) |
Eine lineare Abbildung f : V → W ist also ein Homomorphismus zwischen den additiven Vektorgruppen, der zusätzlich die Skalarmultiplikation respektiert. Für lineare Abbildungen sind f, g, F, G, … üblicher als φ, ψ, π, …
Die Bedingungen (a) und (b) lassen sich zusammenfassen:
(+) f(α v + β w) = αf (v) + βf (w) für alle α, β ∈ K und v, w ∈ V.
Setzt man α = β = 1, so erhält man (a); w = 0, β = 0 liefert (b).
Da eine lineare Abbildung f : V → W ein Homomorphismus ist, stehen die Begriffe und Ergebnisse der vorangehenden Abschnitte zur Verfügung:
f ist ein Mono-, Epi-, Iso-, Endo- bzw. Automorphismus, wenn
f injektiv, f surjektiv, f bijektiv, V = W bzw. V = W und f bijektiv ist.
Kern(f) = { v ∈ V | f (v) = 0 } ist ein Unterraum von V,
Bild(f) = { f (v) | v ∈ V } ist ein Unterraum von W.
Isomorphiesatz für Vektorräume
Ist f : V → W ein Epimorphismus, so ist g : V/Kern(f) → W mit
g(v + Kern(f)) = f (v) für alle v ∈ V
ein Isomorphismus zwischen dem Quotientenraum V/Kern(f) und W.
Neu kommt hinzu:
f ist genau dann ein Monomorphismus, wenn f lineare Unabhängigkeit erhält.
f ist genau dann ein Epimorphismus, wenn f Erzeugendensysteme erhält.
f ist genau dann ein Isomorphismus, wenn f Basen erhält.
Die Erhaltungseigenschaften bedeuten: Ist A ⊆ V linear unabhängig (erzeugend, eine Basis), so ist auch f[ A ] = { f (v) | v ∈ A } linear unabhängig (erzeugend, eine Basis). Wir sagen auch: „Ein Isomorphismus übersetzt Basen in Basen“ usw.
Beispiele
(1) | Die Projektion f : ℝ2 → ℝ auf die erste Koordinate ist linear. |
(2) | Die Vertauschung f : ℝ2 → ℝ2 mit f(x, y) = (y, x) für alle (x, y) ∈ ℝ2 ist linear. |
(3) | Die Drehung fφ : ℝ2 → ℝ2, die (x, y) ∈ ℝ2 auf den um den Winkel φ gegen den Uhrzeigersinn gedrehten Vektor abbildet, ist linear. |
(4) | Sei K ein Körper und seien n, m ≥ 1. Weiter seien αi, j ∈ K für alle 1 ≤ i ≤ m und alle 1 ≤ j ≤ n. Wir definieren f : Kn → Km durch f(x1, …, xn) = (y1, …, ym), wobei y1 = α1, 1 x1 + α1, 2 x2 + … + α1, n xn, y2 = α2, 1 x1 + α2, 2 x2 + … + α2, n xn, … ym = αm, 1 x1 + αm, 2 x2 + … + αm, n xn. Dann ist f linear. Wir werden in 4. 7 sehen, dass jede lineare Abbildung zwischen den Vektorräumen Kn und Km so definiert werden kann. |
(5) | Seien [ a, b ] ⊆ ℝ und p ∈ [ a, b ]. Wir betrachten den ℝ-Vektorraum V = { f : [ a, b ] → ℝ | f ist differenzierbar in p } und D : V → ℝ mit D(f) = f ′(p) für alle f ∈ V. Dann ist D linear. Ebenso ist für W = { f : [ a, b ] → ℝ | f ist integrierbar } die Abbildung I : W → ℝ linear, wobei I(f) = ∫baf (x) dx für alle f ∈ W. |
Exkurs: Die Skalierungseigenschaft muss gefordert werden
Ist f : (V, +) → (W, +) ein Homomorphismus und K ⊇ ℚ, so gilt
f (q v) = q f (v) für alle q ∈ ℚ und v ∈ V,
wie man durch Verallgemeinerung von
f(v + v) = f (v) + f (v) = 2 f (v) und f (v) = f(v/2 + v/2) = 2 f (v/2)
zeigt. Mit Hilfe einer Hamel-Basis des ℚ-Vektorraumes ℝ lässt sich ein Homomorphismus konstruieren, der die Skalierungseigenschaft verletzt. Sei hierzu f : ℝ → ℚ wie in 3. 9 additiv und unstetig mit Bild(f) = ℚ. Dann gilt (a), aber (b) ist verletzt. Denn für v ∈ ℝ mit f (v) = 1 gilt f( v) ≠ f (v) = , da f( v) ∈ ℚ.