5.11Die Zeilenstufenform

Definition (Zeilenstufenform, Pivots, ausgeräumt, diagonal)

Seien K ein Körper, m, n ≥ 1 und A  ∈  Km × n. Weiter seien a1, …, am die Zeilen von A.

Wir sagen, dass A Zeilenstufenform ist, falls gilt:

(a)

Es gibt ein 0 ≤ r ≤ min(m, n) mit a1, …, ar ≠ 0 und ar + 1 = … = am = 0.

(b)

Es gilt p(1)  <  …  <  p(r)  für p(i) = min({ j | A(i, j) ≠ 0 }).

Die Einträge A(1, p(1)), …, A(r, p(r)) heißen dann die Pivots von A. Sind alle Pivots gleich 1 und alle Einträge über den Pivots gleich 0, so heißt A reduziert. Gilt p(i) = i für alle i, so hat A diagonale Pivots.

ela1-AbbID242

Eine 6 x 12-Matrix in Zeilenstufenform mit r = 4 und Pivots 1, 4, 6, −1 an den Stellen (1, 3), (2, 5), (3, 6), (4, 9). Die Waagrechten des Linienzugs können beliebig lang sein, die Senkrechten haben dagegen stets die Länge eins. Die Matrix kann mit 0-Spalten beginnen und mit 0-Zeilen enden.

 Die Pivots einer Matrix in Zeilenstufenform sitzen an den Stufen einer fallenden Treppe, unter der sich nur Nullen befinden. Aus der Treppenanordnung ergibt sich:

Rang einer Matrix in Zeilenstufenform

Hat A  ∈  Kn × m Zeilenstufenform mit r Pivots, so sind die r Zeilen sowie die r Spalten, die Pivots enthalten, linear unabhängig. Es gilt rang(A) = r.

Beispiele
ela1-AbbID243a

reduziert

ela1-AbbID243b

diagonale Pivots

ela1-AbbID243c

reduziert mit diagonalen Pivots

 Die Zeilenstufenform ist im Hinblick auf lineare Gleichungssysteme von Interesse. Liegt ein lineares Gleichungssystem Ax = b mit einer Koeffizientenmatrix A  ∈  Km × n in Zeilenstufenform und beliebiger rechter Seite b  ∈  Km vor, so können wir die Lösbarkeit des Systems direkt ablesen und die Lösungen vergleichsweise einfach bestimmen:

Lösbarkeitskriterium

b = b¯0,  b  ∈  Kr

lösbare rechte Seiten

Sei A  ∈  Km × n in Zeilenstufenform mit r Pivots, d. h. m − r Nullzeilen. Weiter sei b  ∈  Km. Dann ist Ax = b genau dann lösbar, wenn

(+)  br + 1 = … = bm = 0.

 Gilt (+), so ist der Lösungsraum LA(b) = { x  ∈  Kn | Ax = b } ein (n − r)-dimensionaler affiner Unterraum des Kn (vgl. 4. 8). Die Lösungen lassen sich dann in Abhängigkeit der Qualität der Zeilenstufenform auf verschiedene Weisen bestimmen:

Form I:  A ist reduziert mit diagonalen Pivots

Es gilt A = ErA¯00 = Era¯r+1a¯n00, ar +1, …, an  ∈  Kr, sodass

LA(b)  =  {b¯0  +  λ1a¯r+1e1 +  …  +  λn − ra¯nenr|  λ1, …, λn − r  ∈  K  }.

Dabei sind e1, …, en − r die kanonischen Basisvektoren des Kn − r.

Form II:  A hat diagonale Pivots

Wir finden Lösungen durch „Rückwärts-Substitution“: Beliebig vorgegebene xr + 1, …, xn  ∈  K ergänzen wir durch

xr  =  br  −  ar, r +1xr +1  −  …  −  ar,nxnar,r,

x1  =  b1  −  a1, 2x2  −  …  −  a1,nxna1,1

zu einer Lösung x = (x1, …, xn) von Ax = b.

Form III:  Allgemeiner Fall

Liegen die Pivots nicht auf der Diagonale, so können wir dies durch Vertauschung der Spalten von A erreichen. Es gibt eine Permutationsmatrix P = Pπ  ∈  Kn × n derart, dass AP diagonale Pivots besitzt. Dann gilt

LA(b)  =  { x | Ax = b }  =  { Px′ | APx′ = b }  =  { Px′ | x′  ∈  LAP(b) }  =
{ (x′π−1(1) , …, x′π−1(n)) | x′  ∈  LAP(b) },

sodass wir die Lösungen von LA(b) durch die Form I oder II erhalten können. Die rechte Seite b bleibt bei dieser „Umbenennung der Variablen“ unverändert.

 Die Überführung eines beliebigen Systems Ax = b in ein äquivalentes System A′x′ = b′ mit A′ in Zeilenstufenform besprechen wir im folgenden Abschnitt.