6.11Der adjungierte Endomorphismus

Definition (adjungierte Abbildung, selbstadjungiert)

Seien V, W euklidische oder unitäre Vektorräume, und sei f : V  W ein Homomorphismus. Dann heißt der im Fall der Existenz eindeutig bestimmte Homomorphismus f* : W  V mit

(+) 〈 f*(w),  · 〉V  =  〈 w, f (·) 〉W für alle w  ∈  W,  d. h.
〈 f*(w), v 〉V  =  〈 w, f (v) 〉W für alle v  ∈  V und alle w  ∈  W

der zu f adjungierte Homomorphismus. Gilt V = W und f = f*, so heißt der Endomorphismus f : V  V selbstadjungiert.

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Die Adjunktion als Pullback

 Zur Motivation der Bedingung (+) betrachten wir die zu f : V  W duale Abbildung (vgl. 4. 12)

f  : W*  V*, 

f (g)  =  g ∘ f  für alle g  ∈  W*

(wir schreiben f , da wir f* für die Adjungierte reservieren). Jedes lineare Funktional der rieszschen Form

〈 w, · 〉  :  W  K

können wir mit Hilfe von f  zu einem linearen Funktional

f (〈 w, · 〉)  =  〈 w, · 〉  ∘  f  =  〈 w, f (·) 〉  :  V  K

zurückziehen. Nun hoffen wir, dass dieses Funktional erneut von der Form 〈 u, · 〉 : V  K ist, für ein im Fall der Existenz eindeutig bestimmtes u  ∈  V. Existiert u, so gilt

〈 u, · 〉  =  f (〈 w, · 〉)  =  〈 w, f (·) 〉.

Dies ist genau die Bedingung (+) für den Vektor w und f*(w) = u. Wir fassen zusammen:

Der adjungierte Homomorphismus liefert die Umrechnung von rieszschen linearen Funktionalen auf W zu rieszschen linearen Funktionalen auf V gemäß des durch f gegebenen Pullbacks von Funktionalen.

 Da für endlich-dimensionale Vektorräume jedes lineare Funktional die rieszsche Form hat, zeigt unsere Argumentation:

Sind V, W endlich-dimensional, so existiert f*.

 In Matrizenform lässt sich die Adjungierte einfach handhaben:

Die darstellende Matrix von f* ist At bzw. A*

Sei K = , und seien (v1, …, vn) und (w1, …, wm) Orthonormalbasen von V bzw. W.

Weiter sei A  ∈  Km × n die darstellende Matrix von f : V  W bzgl. dieser Basen und B  ∈  Kn × m die darstellende Matrix von f* : W  V bzgl. (w1, …, wm), (v1, …, vn).

Dann gilt („Die Spalten sind die Koordinatenvektoren der Bilder der Basisvektoren.“):

B(j, i)  =  〈 vj, f*(wi) 〉  =  〈 f*(wi), vj 〉  =  〈 wi, f (vj) 〉  =  A(i, j)  für alle i, j.

Damit ist B = At (vgl. den Dualitätssatz in 5. 9). Für K =  ist B = A*, da beim zweiten Gleichheitszeichen eine komplexe Konjugation auftritt. Ist f : V  V selbstadjungiert und K = , so gilt A = At, d. h., A ist symmetrisch. Für K =  erhalten wir A = A*. Matrizen mit dieser Eigenschaft nennt man hermitesch.

 Für die Adjungierte gelten (λf + g)* = λf* + g* und (g ∘ f)* = f* ∘ g*. Weiter ist

Kern(f)  =  { v  ∈  V | 〈 w, f (v) 〉 = 0 für alle w  ∈  W }  = 
{ v  ∈  V | 〈 f*(w), v 〉 = 0 für alle w  ∈  W }  =  Bild(f*).

Für endlich-dimensionale Vektorräume V und W ergibt sich nach der Dimensionsformel und dim(Bild(f*)) = dim(V) − dim(Bild(f*)) also dim(Bild(f)) = dim(Bild(f*)) (vgl. 5. 9).

 Dass f* im Fall der Existenz eindeutig bestimmt ist, folgt unabhängig vom Rieszschen Darstellungssatz aus 〈 v, · 〉 ≠ 〈 u, · 〉 für alle v ≠ u in V. Für unendlich-dimensionale Vektorräume kann ein adjungierter Homomorphismus existieren oder nicht:

Beispiele

(1)

Ist V = 2 und f : V  V mit f(x0, x1, …) = (x1, x2, …) (Linksshift), so ist f* : V  V mit f*(x0, x1, …) = (0, x0, x1, …) (Rechtsshift) die Adjungierte von f. Es gilt f ∘ f* = idV, aber f* ∘ f ≠ idV.

(2)

Sei V der -Vektorraum der reellen Polynomfunktionen auf  mit dem Integral von −1 bis 1 über f (x)g(x) als Skalarprodukt. Sei D : V  V mit D(f) = f ′ für alle f  ∈  V (Ableitungsoperator). Annahme, die Adjungierte D* : V  V von D existiert. Dann gilt nach partieller Integration

〈 D*f, g 〉  =  〈 f, Dg 〉  =  f (1) g(1)  −  f (−1) g(−1)  −  〈 Df, g 〉,  also

〈 (D* + D)f, g 〉  =  f (1) g(1)  −  f (−1) g(−1)  für alle f, g  ∈  V.

Damit ist 〈 (D + D*)f, (x − 1)2 (x + 1)2 (D + D*)f 〉 = 0 für alle f, also D + D* = 0 (denn für g ≠ 0 ist das Integral über g2(x − 1)2(x + 1)2 von −1 bis 1 größer als 0). Also gilt D* = − D, sodass D*1 = 0. Da D* die Adjungierte von D ist, gilt 0 = 〈 D*1, x 〉 = 〈 1, Dx 〉 = 〈 1, 1 〉 = 2, Widerspruch.

 Man kann mit dem allgemeinen Rieszschen Darstellungssatz zeigen, dass f* für ein stetiges lineares f : V  W zwischen Hilbert-Räumen V, W immer existiert (vgl. 6. 10).