8.1Eigenwerte und Eigenvektoren

Definition (Eigenwert, Eigenvektor, Eigenraum, Spektrum)

Eigenwerte und Eigenvektoren für Endomorphismen

Seien V ein K-Vektorraum und f : V  V ein Endomorphismus. Weiter seien λ  ∈  K und v  ∈  V − { 0 }. Dann heißt λ ein Eigenwert und v ein Eigenvektor von f (zum Eigenwert λ), falls f (v) = λv. Wir setzen

σ(f)  =  { λ  ∈  K | λ ist ein Eigenwert von f }, (Spektrum von f)

Eig(f, λ)  =  { v  ∈  V | v ist ein Eigenvektor von f zum Eigenwert λ } ∪ { 0 }  = 
{ v  ∈  V | f (v)  =  λv }  für alle λ  ∈  σ(f). (Eigenraum von f bzgl. λ)

Die Dimension des Unterraums Eig(f, λ) heißt die geometrische Vielfachheit des Eigenwerts λ von f.

Eigenwerte und Eigenvektoren für Matrizen

Seien K ein Körper, n ≥ 1 und A  ∈  Kn × n. Dann heißt ein λ  ∈  K ein Eigenwert und x  ∈  Kn − { 0 } ein Eigenvektor von A, falls Ax = λx, d. h., falls λ ein Eigenwert und x ein Eigenvektor des Endomorphismus fA : Kn  Kn ist. Ebenso sind das Spektrum und die Eigenräume von A definiert durch

σ(A)  =  σ(fA),  Eig(A, λ)  =  Eig(fA, λ)  für alle λ  ∈  σ(A).

dim(Eig(A, λ)) heißt die geometrische Vielfachheit des Eigenwerts λ von A.

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f (v)  =  λv

f (w)  =  λw

f (u)  ≠  λu  für alle u  ∉  span(v, w)

 Eigenwerte und Eigenvektoren sind nützlich, um einen Endomorphismus möglichst einfach darzustellen: Auf einem Eigenraum Eig(f, λ) ist f die schlichte Skalierung um den Faktor λ. Sind v1, …, vn Eigenvektoren von f zu den Eigenwerten λ1, …, λn, so gilt

(+)  f 1v1  +  …  +  αnvn)  =  λ1 α1 v1  +  …  +  λn αn vn  für alle α1, …, αn  ∈  K.

Ist (v1, …, vn) eine Basis von V, so können wir f (w) für jeden Vektor w durch (+) angeben.

 Die „Eigen-Begriffe“ übertragen sich in natürlicher Weise von Endomorphismen zwischen endlich-dimensionalen Vektorräumen auf Matrizen. Allgemein spielen Eigenvektoren, Eigenwerte und Spektren aber auch für unendlich-dimensionale Vektorräume eine wichtige Rolle, etwa in der Funktionalanalysis und der Quantenmechanik.

Die Rolle des Nullvektors und der Null des Skalarenkörpers

Es gilt f (0) = 0 = λ0 für alle λ  ∈  K. Da man nicht möchte, dass jeder Skalar λ ein Eigenwert von f ist, schließt man den Nullvektor 0  ∈  V als Eigenvektor aus. In die Eigenräume Eig(λ, f) nimmt man ihn dagegen mit auf, damit diese Unterräume von V sind. Der Skalar 0  ∈  K ist als Eigenwert zugelassen: f (v) = 0 v = 0 ist für v ≠ 0 eine wichtige Information über f. Der zugehörige Eigenraum Eig(0, f) ist der Kern von f.

Grundlegende Eigenschaften

Eigenvektoren v1, …, vk zu paarweise verschiedenen Eigenwerten λ1, …, λk sind linear unabhängig.

lineare Unabhängigkeit

Die Summe aller Eigenräume ist direkt.

Summe

Eig(f, λ)  =  Kern(f − λ IdV)

Eig(A, λ)  =  Kern(A − λEn)

Kerndarstellung

Die lineare Unabhängigkeit zeigt man induktiv. Der Induktionsschritt von k − 1 nach k wird für eine gegebene Nulldarstellung α1 v1 + … + αk vk = 0 durch Subtraktion von

λ1 α1 v1  +  …  +  λk αk vk  =  0 (Anwendung von f auf die Nulldarstellung)

λk α1 v1  +  …  +  λk αk vk  =  0 (Multiplikation der Nulldarstellung mit λk)

getragen. Die Direktheit von ⨁λ  ∈  σ(f) Eig(f, λ) folgt nun aus der linearen Unabhängigkeit. Schließlich ist f (v) = λv äquivalent zu f (v) − λv = 0 und damit zu (f − λIdV)(v) = 0. Letzteres besagt, dass v im Kern des Endomorphismus f − λIdV liegt. Analoges gilt für Matrizen.

 Die folgenden Fragen sind also äquivalent:

Welche Eigenwerte besitzt A?   Für welche λ ist A − λEn singulär?

Beispiele

(1)

Sei fφ : 2  2 die Drehung um den Winkel φ  ∈  [ 0, 2π [. Dann gilt:

Ist φ = 0, so ist f0(x) = x für alle x; damit ist σ(f0) = { 1 } und Eig(f0, 1) = 2.

Ist φ = π, so ist fπ(x) = −x für alle x; damit ist σ(fπ) = { −1 } und Eig(fπ, −1) = 2. Für alle anderen φ ist σ(fφ) = ∅.

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f (v)  =  v

f (w)  =  −w

(2)

Sei f : 2  2 die Spiegelung an einer Geraden G durch 0. Dann ist f (x) = x für alle x  ∈  G und f (x) = −x für jedes x, das senkrecht auf G steht. Es gibt keine weiteren Eigenvektoren, sodass

σ(f)  =  { 1, −1 },

Eig(f, 1) = G,  Eig(f, −1) = G.