8.10 Minimalpolynome und der Satz von Cayley-Hamilton
Satz (Existenz des Minimalpolynoms, Satz von Cayley-Hamilton)
Seien K ein Körper, n ≥ 1, A ∈ Kn × n und
IA = { p ∈ K[ X ] | p(A) = 0 }.
Dann gibt es genau ein Polynom mA ∈ IA mit
(+) mA ist normiert und IA = { qmA | q ∈ K[ X ] }. (Existenz des Minimalpolynoms)
Weiter gilt pA ∈ IA, d. h. pA(A) = 0. (Satz von Cayley-Hamilton)
Zerfällt pA in Linearfaktoren, so hat mA Exponenten νi mit 1 ≤ νi ≤ μi. Ist A diagonalisierbar, so gilt νi = 1 für alle i. In 8. 11 werden wir die νi allgemein charakterisieren.
Während wir bislang Körperelemente in Polynome des Rings K[ X ] eingesetzt haben (jedes α ∈ K und p ∈ K[ X ] liefert ein p(α) ∈ K), so setzen wir nun quadratische Matrizen einer bestimmten Dimension n in die Polynome von K[ X ] ein: Ist
p = α0X0 + α1X + … + αk Xk ∈ K[ X ],
so ist für alle A ∈ Kn × n die Auswertung p(A) definiert durch
p(A) = α0 En + α1A + … + αk Ak ∈ Kn × n.
Nun halten wir ein Matrix A ∈ Kn × n fest und werten alle Polynome p ∈ K[ X ] an der Stelle A aus. Die Menge IA aller p mit p(A) = 0 ist ein Ideal in K[ X ], d. h., IA ist eine Untergruppe von (K[ X ], +) und für alle p ∈ IA und q ∈ K[ X ] ist qp ∈ IA. Zudem gilt IA ≠ { 0 }. Denn der Vektorraum Kn × n hat die Dimension d = n2, sodass (En, A, A2, …, Ad) linear abhängig ist. Es gibt also eine nichttriviale Nulldarstellung
0 = α0En + α1 A + … + αd Ad.
Also ist A eine Nullstelle von p = α0 + α1X + … + αd Xd, 1 ≤ deg(p) ≤ n2. Der Satz von Cayley-Hamilton besagt stärker, dass ein Polynom p ≠ 0 vom Grad n in IA als Element enthalten ist: A ist Nullstelle des charakteristischen Polynoms pA.
Beispiele
(1) | Sei A ∈ K2 × 2 mit den Zeilen (a, b), (c, d). Wegen pA = X2 − spur(A)X + det(A) gilt pA(A) = − (a + d) + (ad − bc) E2 = 0. |
(2) | Ist D = diag(d1, …, dn), so ist pD = (d1 − X) · … · (dn − X). Damit ist pD(D) = (d1En − D) … (dnEn − D) = diag(0, …, 0) = 0. |
(3) | Sind A, B ∈ Kn × n ähnlich, B = SAS−1, so gilt Bk = S Ak S−1 für alle k ≥ 0. Ist p = ∑i ≤ k αi Xi ∈ K[ X ], so gilt p(B) = ∑i ≤ k αk (SAS−1)k = ∑i ≤ k αk SAkS−1 = S p(A) S−1. Damit sind p(A) und p(B) wieder ähnlich. |
Das eindeutig bestimmte Polynom mA mit der Eigenschaft (+) des Satzes heißt das Minimalpolynom von A. Wichtige Eigenschaften dieses Polynoms sind:
pA und mA haben dieselben Nullstellen:
σ(A) = { λ ∈ K | mA(λ) = 0 }.
A ist genau dann diagonalisierbar, wenn mA = ∏λ ∈ σ(A) (X − λEn).
Beispiele
(1) | Für die Matrix A = ∈ ℝ4 × 4 gilt pA = (X − 1)3(X − 2). Also ist mA = (X − 1)k (X − 2) mit k ∈ { 1, 2, 3 }. Einsetzen zeigt, dass (A − E4)(A − 2E4) ≠ 0, (A − E4)2 (A − 2E4) = 0. ist mA = (X − 1)2 (X − 2). |
(2) | Sei P ∈ Kn × n eine Projektion, d. h., es gilt P2 = P. Dann gilt P2 − P = 0, sodass X2 − X = X (X − 1) ∈ IP. Damit ist das Minimalpolynom eines der drei Polynome X, X − 1, X2 − X. |
(3) | Ein A ∈ Kn × n heißt nilpotent, falls es ein k ≥ 1 gibt mit Ak = 0. Beispiele liefern alle Dreiecksmatrizen, deren Diagonaleinträge alle null sind, etwa A = , A2 = , A3 = , A4 = 0. Ist r minimal mit Ar = 0, so ist mA = Xr, σ(A) = { 0 }, pA = (−1)n Xn. Ist A ≠ 0, so ist r > 1 und damit A nicht diagonalisierbar. |
Minimalpolynom eines Endomorphismus
Wie für das charakteristische Polynom kann man auch das Minimalpolynom mf eines Endomorphismus f : V → V, V endlich-dimensional, definieren: Man setzt mf = mA, wobei A die darstellende Matrix von f bzgl. einer beliebigen Basis von V ist.