8.11 Haupträume und Hauptraumzerlegung
Definition (Index, Hauptraum, Hauptvektor)
Haupträume von Endomorphismen
Seien V ein n-dimensionaler K-Vektorraum, n ≥ 1, und f : V → V ein Endomorphismus. Weiter sei λ ∈ σ(f). Dann setzen wir
Hk = Hk(f, λ) = Kern((f − λIdV)k) für alle k ≥ 1,
i(λ) = i(f, λ) = min({ k ≥ 1 | Hk + 1 = Hk }), (Index von f bzgl. λ)
H(f, λ) = Hi(λ). (Hauptraum von f bzgl. λ)
Die Elemente von H(f, λ) heißen die Hauptvektoren von f zum Eigenwert λ.
Haupträume für Matrizen
Für eine Matrix A ∈ Kn × n definieren wir
Hk(A, λ) = Hk(fA, λ), H(A, λ) = H(fA, λ).
Das Ziel dieses und des folgenden Abschnitts ist es, die Trigonalisierung eines Endomorphismus, dessen charakteristisches Polynom in Linearfaktoren zerfällt, noch zu verbessern. Wir streben eine Darstellung durch eine obere Dreiecksmatrix an, deren Einträge außerhalb der Diagonale und der Nebendiagonale verschwinden. Das entscheidende Hilfsmittel hierzu ist die Verallgemeinerung von Eigenräumen zu Haupträumen. Es gilt
Eig(f, λ) = H1 ⊂ H2 ⊂ … ⊂ Hi(λ) = Hi(λ) + 1 = H(f, λ),
Bild(f − λ IdV) ⊃ Bild((f − λ IdV)2) ⊃ … ⊃ Bild((f − λ IdV)i(λ)).
Bis zum Index i(λ) liegen strikte Inklusionen vor. Aufgrund der endlichen Dimension von V muss irgendwann Gleichheit eintreten. Wichtige Eigenschaften sind:
v ∈ Hk + 1 genau dann, wenn f (v) − λv ∈ Hk
f[ Hk ] ⊆ Hk, f[ H(f, λ) ] ⊆ H(f, λ) (Invarianz)
dim(H(f, λ)) = μpf(λ)
Der Index i(λ) ist der Exponent des Linearfaktors (X − λ) des Minimalpolynoms mf.
Sind U1, …, Ui(λ) mit Hk = U1 ⊕ … ⊕ Uk für alle k, so ist dim(U1) ≥ … ≥ dim(Ui(λ)).
V = H(f, λ) ⊕ Bild((f − λIdV)i(λ))
Die letzte Eigenschaft ist die Keimzelle eines Beweises von:
Satz (Hauptraumzerlegung)
Sei f : V → V wie oben. Zerfällt pf in Linearfaktoren, so existiert eine Basis von V bestehend aus Hauptvektoren von f und es gilt
V = ⨁λ ∈ σ(f) H(f, λ).
Beispiele
(1) | Für die nicht diagonalisierbare (2 × 2)-Matrix A aus 8. 4 gilt A = , pA = (X − 1)2, σ(A) = { 1 }, Eig(A, 1) = span(e1 − e2), Kern((A − E2)2) = Kern(0) = ℝ2. Also ist i(1) = 2 und H(A, 1) = ℝ2 (wie es nach dem Satz auch sein muss, da nur ein Eigenwert existiert). Jede Basis von ℝ2 ist eine Basis aus Hauptvektoren. |
(2) | Für A = gilt pA = − (X − 2)2 (X − 3), σ(f) = { 2, 3 }, (A − 2E3)2 = = (A − 2E3)3, Eig(A, 2) = span(e1), H(A, 2) = span(e1, e2), Bild(A − 2E3) = span(e1, e2 + e3), Bild((A − 2E3)2) = span(e1 + e2 + e3), Eig(A, 3) = H(A, 3) = span(e1 + e2 + e3), Bild(A − 3E3) = span(e1, e2), ℝ3 = H(A, 2) ⊕ H(A, 3) = span(e1, e2) ⊕ span(e1 + e2 + e3). Das Beispiel zeigt, dass Hk(A, λ) ∩ Bild((A − λEn)k) ≠ { 0 } für k < i(λ) gelten kann. |
(3) | Sei A ∈ Kn × n diagonalisierbar. Dann gibt es ein S ∈ GL(n, K) mit A = S diag(λ1, …, λn) S−1, σ(A) = { λ1, …, λn }. Für alle λ und m ≥ 1 gilt (A − λEn)m = S diag((λ1 − λ)m, …, (λn − λ)m) S−1, sodass Kern((A − λEn)m) = Kern(A − λEn). Damit ist i(λ) = 1 und H(A, λ) = Eig(A, λ) für alle λ ∈ σ(A). |