8.6 Der Spektralsatz
Satz (Spektralsatz)
Spektralsatz für selbstadjungierte Endomorphismen
Seien V ein euklidischer oder unitärer n-dimensionaler Vektorraum und f : V → V ein Endomorphismus. Dann sind äquivalent:
(a) | f = f*, d. h., es gilt 〈 f (v), w 〉 = 〈 v, f (w) 〉 für alle v, w ∈ V. |
(b) | σ(f) ⊆ ℝ und V besitzt eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren von f. |
Spektralsatz für symmetrische bzw. hermitesche Matrizen
Seien n ≥ 1 und A ∈ ℝn × n bzw. A ∈ ℂn × n. Dann sind äquivalent:
(a) | A = A* (im Fall K = ℝ also A = At). |
(b) | σ(f) ⊆ ℝ und es gibt eine orthogonale bzw. unitäre Matrix S derart, dass S A S−1 diagonal ist. |
Selbstadjungierte Endomorphismen sind also nicht nur diagonalisierbar, sondern sogar orthogonal diagonalisierbar: Es gibt eine Eigenbasis, die eine Orthonormalbasis von V ist. In der Sprache der Matrizen bedeutet dies: Eine hermitesche Matrix A ist nicht nur ähnlich zu einer Diagonalmatrix D = diag(λ1, …, λn), sondern der Übergang D = SAS−1 kann sogar mit einer orthogonalen bzw. unitären Matrix S erreicht werden, sodass S−1 = S*.
Beweis des Spektralsatzes für K = ℂ
Ist f selbstadjungiert, λ ∈ σ(f) und v ein Eigenvektor von f zum Eigenwert λ, so gilt
λ 〈 v, v 〉 = 〈 v, λv 〉 = 〈 v, f (v) 〉 = 〈 f (v), v 〉 = 〈 λv, v 〉 = λ 〈 v, v 〉 mit 〈 v, v 〉 ≠ 0,
sodass λ = λ und damit λ ∈ ℝ. Das Polynom pf hat in ℂ eine Nullstelle, und diese ist nach dem Gezeigten reell. Mit diesen Beobachtungen kann durch Induktion nach n bewiesen werden, dass V eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren besitzt. Im Induktionsschritt von n − 1 nach n betrachten wir λ und v ≠ 0 mit f (v) = λv und setzen
U = span(v)⊥ = { u ∈ V | 〈 u, v 〉 = 0 }.
Für alle u ∈ U gilt
〈 f (u), v 〉 = 〈 u, f (v) 〉 = 〈 u, λv 〉 = λ 〈 u, v 〉 = 0,
sodass f[ U ] ⊆ U. Damit ist f|U : U → U ein selbstadjungierter Endomorphismus, der nach Induktionsvoraussetzung eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren besitzt. Ergänzen wir eine solche Basis um v, so erhalten wir wegen V = U ⊕ span(v) eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren von f für ganz V.
Ist umgekehrt (v1, …, vn) eine Orthonormalbasis von V aus Eigenvektoren von f, so ist
〈 f (vi), vj 〉 = 〈 λivi, vj 〉 = λi 〈 vi, vj 〉 = λi δij = 〈 vi, λjvj 〉 = 〈 vi, f (vj) 〉 für alle i, j.
Hieraus ergibt sich, dass f selbstadjungiert ist.
Beispiel
Seien a, b ∈ ℝ mit a2 + b2 = 1. Weiter sei α der von (a, b) und (1, 0) eingeschlossene Winkel. Dann beschreibt die symmetrische Matrix
A = = ∈ O(2), det(A) = −1,
die Spiegelung an der Geraden G durch 0 mit dem Winkel β = α/2 (vgl. 7. 8). Damit hat A die Eigenwerte λ1, 2 = ±1 und zugehörige normierte Eigenvektoren
v1 = N(a + 1, b) = (cos β, sin β),
v2 = N(−b, a + 1) = (− sin β, cos β),
mit N(v) = v/∥v∥. Ist T die Matrix mit den Spalten v1 und v2, so ist T die Drehmatrix in SO(2) um den Winkel β. Für S = T−1 = Tt gilt also
S A S−1 = = .
Schreibt man eine beliebige symmetrische Matrix B ∈ ℝ2 × 2 als
B = diag(d, d) + r A, mit d = spur(B)/2, r = ∥ (b11 − b22)/2, b21) ∥,
so hat A die gerade untersuchte Form. Man kann nun ablesen, dass B die Eigenwerte d ± r und die Eigenvektoren v1, v2 wie oben besitzt.
Der Spektralsatz für normale Endomorphismen und Matrizen
Für K = ℝ ist σ(f) ⊆ ℝ immer richtig, sodass die Existenz einer orthonormalen Eigenbasis äquivalent zur Selbstadjungiertheit von f ist. Für K = ℂ liefert das Streichen von „σ(f) ⊆ ℝ“ in (b) eine echte Abschwächung, die sich ebenfalls durch eine Adjungiertheits-Bedingung einfangen lässt. Zur Motivation beobachten wir: Für alle f ∈ End(V) sind f ∘ f* und f* ∘ f selbstadjungiert. Im Allgemeinen ist aber f ∘ f* ≠ f* ∘ f. Man nennt f normal, falls f ∘ f* = f* ∘ f. Gleichwertig dazu ist, dass 〈 f (v), f (w) 〉 = 〈 f*(v), f*(w) 〉 für alle v, w ∈ V. Wichtige Beispiele neben den selbstadjungierten Endomorphismen sind unitäre f, da dann f ∘ f* = f ∘ f −1 = f −1 ∘ f = f* ∘ f. Äquivalent sind nun:
(a) f ist normal. (b) V besitzt eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren von f.
Analog nennt man eine Matrix A ∈ ℂn × n normal, falls A A* = A* A. Die Normalität von A ∈ ℂn × n ist äquivalent zur Existenz einer unitären Matrix S, für die SAS−1 diagonal ist. Normalität für reelle Matrizen diskutieren wir im Überblick 10.