8.7Hauptachsentransformation und Trägheitssatz

Satz (Hauptachsentransformation, Trägheitssatz von Sylvester)

Sei K =  oder K = , und sei A  ∈  Kn × n symmetrisch bzw. hermitesch mit Eigenwerten λ1, …, λn  ∈  . Dann gilt (mit dem kanonischen Skalarprodukt):

Hauptachsentransformation, Version I

Es gibt eine Orthonormalbasis (x1, …, xn) des Kn mit 〈 xi, Axj 〉 = λiδij für alle i, j.

Hauptachsentransformation, Version II

Es gibt eine Orthogonalbasis (y1, …, yn) des Kn mit 〈 yi, Ayj 〉 = αiδij für alle i,j, wobei αi = sgn(λi)  ∈  { −1, 0, 1 }.

Trägheitssatz von Sylvester

Ist (v1, …, vn) eine Orthogonalbasis des Kn bzgl. 〈 ·, A· 〉 (d. h. (v1, …, vn) ist eine Basis des Kn mit 〈 vi, Avj 〉 = 0 für i ≠ j), so gilt

(+)  |{ i | 〈 vi, Avi 〉  ◇  0 }|  =  |{ i | λi ◇ 0 }|,  wobei ◇  ∈  { >, <, = }.

Weiter gilt: Für alle S  ∈  GL(n, K) haben A und S*AS dieselben (in ihrer Vielfachheit gezählten) Anzahlen an positiven und negativen Eigenwerten.

 Die Hauptachsentransformation ergibt sich aus dem Spektralsatz: Ist (x1, …, xn) eine Orthonormalbasis des Kn mit Axi = λixi für alle i, so gilt Version I. Version II erhält man durch Setzen von

yi  =  1|λi| xi  für  λi ≠ 0,  yi  =  xi  sonst.

Die Normierungseigenschaft 〈 yi, Ayi 〉  ∈  { 1, 0, −1 } gewinnt man also auf Kosten der Normiertheit der yi.

 Für den Trägheitssatz sind zusätzliche Argumente nötig. Wir begnügen uns hier mit einem Beispiel zur Illustration der Voraussetzung des Satzes:

Beispiel

A  =  1111

 pA  =  X2  −  2

Die Matrix A  ∈  2 × 2 hat die Eigenwerte λ1,2 = ± 2. Für die Basis (v1, v2) des 2 mit v1 = (1, 0) und v2 = (1, 1) gilt 〈 v1, Av1 〉 = 1 und 〈 v2, Av2 〉 = 2. Dies zeigt, dass (+) ohne die Orthogonalitätsvoraussetzung verletzt sein kann.

 Bezeichnen s+, s, s0 die Anzahlen der positiven, negativen bzw. Null-Eigenwerte von A, so heißt (s+, s) die Signatur oder der Typ von A (s0 berechnet sich durch n − s+ − s). Der Trägheitssatz besagt, dass A und B = S*AS für alle S  ∈  GL(n, K) dieselbe Signatur haben (nicht nur für orthogonale bzw. unitäre S, für die S* = S−1 gilt, sodass A und B ähnlich sind und folglich dieselben Eigenwerte besitzen).

 Wir betrachten einige Anwendungen.

1. Eigenwertkriterium für positive Definitheit

Eine symmetrische bzw. hermitesche Matrix A  ∈  Kn × n ist genau dann positiv definit, wenn alle Eigenwerte λ1, …, λn positiv sind. Denn ist (x1, …, xn) wie in der Hauptachsentransformation I und x = i αi xi  ∈  Kn, so ist

〈 x, Ax 〉  =  i λii|2.

Die Summe rechts ist genau dann für alle x ≠ 0 positiv, wenn alle λi positiv sind.

2. Kongruente Matrizen

Zwei Matrizen A, B des Kn × n mit K =  oder K =  heißen kongruent, wenn es ein S  ∈  GL(n, K) gibt mit B = S*AS. Die Hauptachsentransformation II zeigt: Jede symmetrische bzw. hermitesche Matrix A ist kongruent zu einer Diagonalmatrix der Form D = diag(1, …, 1, −1, …, −1, 0, …, 0) mit s+, s bzw. s0 Einträgen 1, −1 bzw. 0. Ein S mit D = S*AS wird aus geeignet angeordneten Basisvektoren yi gebildet.

3. Quadriken

Eine Funktion q : n   heißt quadratisch, falls es eine symmetrische Matrix A  ∈  n × n, A ≠ 0, einen Vektor b  ∈  n und einen Skalar c  ∈   gibt mit

q(x)  =  〈 x, Ax 〉  +  〈 b, x 〉  +  c  für alle x  ∈  n  (mit dem kanonischen Skalarprodukt).

Die Menge Q(q) = { x  ∈  n | q(x) = 0 } heißt die durch q definierte Quadrik des n. Die Hauptachsentransformation liefert ein S  ∈  SO(n) (mit Eigenvektoren von A als Spalten), sodass Q(q) für einen gewissen Translationsvektor v  ∈  n in die Quadrik Q(p) = { St(x + v) | x  ∈  Q(q) } übergeht, mit

p(x)  =  〈 x, D x 〉  +  〈 (0, …, 0, br + 1′ , …, bn′), x 〉  oder  p(x)  =  〈 x, D x 〉  +  c′,

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q(x)  = 

〈 x, Ax 〉 + 〈 b, x 〉 + c

mit

A  =  3112 , b  =  (3, −2),  c  =  1  und Eigenvektoren v1, v2 von A

wobei r = rang(A) = s+ + s,

D = diag(λ1, …, λr, 0, …, 0).

Mit Hilfe dieser Normalformdarstellung lassen sich Quadriken klassifizieren. Für n = 2 ergeben sich Kegelschnitte (Überblick 9).

4. Übertragung auf Sesquilinearformen

Für eine symmetrische bzw. hermitesche Form

φ : V × V  K und eine Basis 𝒜 = (v1, …, vn) von V gilt nach 6. 12

φ(v, w)  =  〈 v𝒜, Aφw𝒜 〉kanonisch  für alle v, w  ∈  V,  Aφ(i, j) = φ(vi, vj),  Aφ = A*φ.

Die Hauptachsentransformation liefert: Es gibt eine Basis 𝒜 von V, die eine Orthogonalbasis bzgl. φ ist, d. h., Aφ ist diagonal. Ist V mit einem Skalarprodukt versehen, so kann 𝒜 als Orthonormalbasis von V gewählt werden. Der Trägheitssatz liefert: Die Anzahlen der i mit φ(vi, vi) ◇ 0 sind für jede Orthogonalbasis 𝒜 von V bzgl. φ gleich.