8.9Lineare Abbildungen und Ellipsen

Satz (Bild eines Kreises unter einer linearen Abbildung)

Seien S1 = { x  ∈  2 | x21 + x22 = 1 } der Einheitskreis im 2 und A  ∈  2 × 2. Dann ist

EA  =  { Ax | x  ∈  S1 }

eine Ellipse. Die Singulärwerte a, b von A sind die Längen der Halbachsen von EA. Ist A = PDQ mit D = diag(a, b) und Q, P  ∈  O(2), so zeigen die Spalten p1, p2 von P in die Richtungen der Halbachsen.

 Aus der Definition von fA(x) = Ax ergibt sich, dass fA das von e1 und e2 aufgespannte Quadrat in das von f (e1) und f (e2) aufgespannte Parallelogramm verwandelt. Dass das Bild des Einheitskreises unter fA eine Ellipse ist, ist elementar nur für spezielle Matrizen leicht einzusehen. Für orthogonale Matrizen (Drehungen und Spiegelungen) ist nichts zu zeigen, da das Bild des Einheitskreises hier wieder der Einheitskreis ist. Für eine Diagonalmatrix D = diag(a, b) ist die Aussage ebenfalls klar. Denn es gilt

ED  =  { Dx | x  ∈  S1 }  =  { (a x1, b x2) | x  ∈  S1 }  =  { (a cos t, b sin t) | t  ∈  [ 0, 2π [ },

und die rechte Seite ist die parametrisierte Darstellung einer achsenparallelen Ellipse mit den Halbachsen a und b (die auch 0 sein können, sodass die Ellipse degeneriert ist). Im Fall a, b > 0 erhalten wir die äquivalente Darstellung

ED  =  {  (x, y)  ∈  2  ∣  (xa)2  +  (yb)2  =  1  }.

 Mit Hilfe der Singulärwertzerlegung können wir nun allgemein zeigen, dass jede beliebige lineare Abbildung Kreise in Ellipsen verwandelt (wegen fA(αx) = α fA(x) genügt es, dies für S1 zu beweisen). Zudem erkennen wir die geometrische Bedeutung der Singulärwerte.

Beweis des Satzes

Sei A  ∈  2 × 2, und seien a, b ≥ 0 die Singulärwerte von fA. Weiter sei D = diag(a, b). Die Singulärwertzerlegung liefert P, Q  ∈  O(2) mit

(+)  A  =  P D Q.

Da Q orthogonal ist, gilt fQ[ S1 ] = S1. Nach (+) gilt also

EA  =  { Ax | x  ∈  S1 }  =  { PDQ x | x  ∈  S1 }  =  { PDx | x  ∈  S1 }  =  fP[ ED ].

Wegen P  ∈  O(2) ist P entweder eine Drehung oder eine Spiegelung an einer Geraden durch den Nullpunkt. In beiden Fällen ist fP[ E ] eine Ellipse mit Mittelpunkt 0, deren Halbachsen durch die Vektoren

a (cos α, sin α),  b (−sin α, cos α)

gegeben sind. Dabei ist α der Drehwinkel bzw. das Doppelte des Winkels, den die Spiegelungsgerade mit der x-Achse einschließt.

Beispiel
ela1-AbbID403

v1, v2 sind die Spalten von A; w1, w2 die von R(−π/6)

Wir betrachten die Drehmatrizen

R(α)  =  cosαsinαsinαcosα

in SO(2) und definieren A  =  R(− π/6) diag(1, 2) R(π/3)  =

14 331533.

Die Matrix A beschreibt eine Drehung um 60 Grad, gefolgt von einer Streckung um den Faktor 2 in y-Richtung und einer Drehung um −30 Grad. Die Singulärwerte von A sind 1 und 2. Das Bild von S1 unter fA ist eine Ellipse mit Halbachsenlängen 1 und 2, die in die Richtung der Spalten von R(− π/6) zeigen.

 Das Ergebnis lässt sich wie folgt verallgemeinern:

Satz (Bild der Sphäre unter einer linearen Abbildung)

Sei Sn − 1 = { x  ∈  n | ∥ x ∥ = 1 } die (euklidische) Einheitssphäre im n, wobei n ≥ 1. Weiter sei A  ∈  n × n. Dann ist EA = { Ax | x  ∈  Sn − 1 } ein n-dimensionales Ellipsoid. Sind σ1, …, σn ≥ 0 die Singulärwerte von A, und ist A = PDQ mit D = diag1, …, σn) und Q, P  ∈  O(n), so haben die Halbachsen von EA die Längen σ1, …, σn. Die Spalten p1, …, pn von P zeigen in die Richtungen der Halbachsen.

ela1-AbbID405
Beispiel

Sei Rx(α)  ∈  SO(3) die Drehung um α um die x-Achse. Wir setzen

A  =  R(−π/3) diag(1, 2, 3)  =

1000133/2033/2.

Die Matrix A beschreibt eine Streckung um die Faktoren 1, 2, 3 in x, y, z, gefolgt von einer Drehung um −60 Grad um die x-Achse. Das Bild von S2 unter fA ist ein Ellipsoid mit Halbachsenlängen 1, 2, 3.