Affine Kreise durch drei Punkte
Gegeben seien zwei linear unabhängie Punkte v = (x1, y1) und w = (x2, y2) der Euklidischen Ebene. Wir berechnen den affinen Kreis Kr, v0, der durch 0, v und w verläuft. (Der Nullpunkt vereinfacht zunächst die Berechnungen. Die Ergebnisse lassen sich am Ende leicht verallgemeinern.)
Schnittpunkt der Mittelsenkrechten
Der Mittelpunkt v0 = (x0, y0) des gesuchten Kreises ist einer klassischen geometrischen Konstruktion folgend der Schnittpunkt der Mittelsenkrechten G und H der Strecken 0v bzw. 0w. Denn die Mittelsenkrechte einer Strecke ist die Menge aller Punkte, die von den beiden Endpunkten der Strecke den gleichen Abstand haben. Der eindeutige Schittpunkt von G und H hat also von den drei beteiligten Endpunkten 0, v, w den gleichen Abstand
r = ∥ v − v0 ∥ = ∥ w − v0 ∥ = ∥ 0 − v0 ∥ = ∥ v0 ∥
Damit liegen v, w und 0 auf dem affinen Kreis Kr, v0.
Die lineare Unabhängigkeit von v und w wird für die Existenz und Eindeutigkeit des Schnittpunkts benötigt. Wir nehmen v, w ≠ 0 an, da sonst G oder H gar nicht existieren. Sind nun v, w linear abhängig, aber verschieden, so gilt G ∩ H = ∅. In diesem Fall gibt es keinen Kreis durch 0, v, w (die drei Punkte liegen auf einer gemeinsamen Geraden). Gilt v = w, so gilt G = H. Es existieren dann unendlich viele Kreise durch 0, v.
Wir können den Schnittpunkt der Mittelsenkrechten G und H von v bzw. w mit Hilfe eines linearen Gleichungssystems berechnen. Er ist der eindeutige Punkt (x, y) mit den Eigenschaften:
(I) | (x, y) − 1/2 v steht senkrecht auf v |
(II) | (x, y) − 1/2 w steht senkrecht auf w |
Formulieren wir die Orthogonalität mit Hilfe des Euklidischen Skalarprodukts, so erhalten wir:
(I) | 〈 v, (x, y) − 1/2 v 〉 = 0 |
(II) | 〈 w, (x, y) − 1/2 w 〉 = 0 |
Aus der Linearität des Skalarprodukts in der zweiten Komponente ergibt sich die äquivalente Form:
(I) | 〈 v, (x, y) 〉 = 1/2 〈 v, v 〉 |
(II) | 〈 w, (x, y) 〉 = 1/2 〈 w, w 〉 |
Der affine Kreis Kv0, r durch die Punkte 0, v, w (wobei v und w nicht kollinear sind). Der Mittelpunkt v0 des Kreises ist der Schnittpunkt der Mittelsenkrechten G und H auf v bzw. w. Der Radius r des Kreises ist der gemeinsame Euklidische Abstand von v0 zu den drei Punkten 0, v, w.
Damit erhalten wir das lineare Gleichungssystem:
(I) | x1 x + y1 y = 1/2 ∥v∥2 |
(II) | x2 x + y2 y = 1/2 ∥w∥2 |
Mit der Matrix A = (v, w) und den Längen λ = ∥v∥, μ = ∥w∥ ergibt sich die kompakte Form
(#) A (x, y) = 12 (λ2, μ2)
Da v, w linear unabhängig sind, gilt det(A) ≠ 0. Der Schnittpunkt v0 ist damit die eindeutige Lösung des linearen Gleichungssystems (#). Mit der Invertierungsformel für Matrizen erhalten wir
v0 = (x0, y0) = 12 A−1 (λ2, μ2) = 12 det(A)
Der Radius r des Kreises ist nun gegeben durch
r = ∥ v0 ∥ = ∥ v − v0 ∥ = ∥ w − v0 ∥
Um eine möglichst einfache Formel für den Radius zu erhalten, zeigen wir einen allgemeinen (durch das Problem motivierten) Satz:
Satz (Zeilenlängen-Formel)
Sei A = (v, w) = ((a, b), (c, d)) invertierbar, und seien λ = ∥v∥ und μ = ∥w∥ die Zeilenlängen von A. Dann gilt
∥ A−1 (λ2, μ2) ∥ = λ μ ∥ v − w ∥|det(A)|
Beweis
Nach der Invertierungsformel gilt
A−1 = 1det(A) A# mit A# =
Mit λ2 = a2 + b2 und μ2 = c2 + d2 erhalten wir:
∥ A# (λ2, μ2) ∥2 | = (d λ2 − b μ2)2 + (a μ2 − c λ2)2 |
= (c2 + d2) λ4 − 2 (ac + bd) λ2 μ2 + (a2 + b2) μ4 | |
= μ2 λ4 − 2 〈 v, w 〉 λ2 μ2 + λ2 μ4 | |
= λ2 μ2 (λ2 − 2 〈 v, w 〉 + μ2) = λ2 μ2 ∥ v − w ∥2 |
Wurzelziehen liefert die Behauptung.
Die Anwendung des Satzes auf A = (v, w) liefert eine bestechend schöne Formel:
r = ∥ v0 ∥ = ∥v∥ ∥w∥ ∥ v − w ∥2 |det(A)|
Durch eine Translation können wir nun den Kreis durch drei Punkte v1, v2, v3 berechnen, die nicht auf einer gemeinsamen Geraden liegen: Wir berechnen zunächst den Kreis durch 0, v = v2 − v1 und w = v3 − v1 mit v, w linear unabhängig. Anschließend verschieben wir diesen Kreis um v1 (der Radius bleibt gleich). Mit
∥ v − w ∥ = ∥ (v2 − v1) − (v3 − v1) ∥ = ∥ v2 − v3 ∥
ergibt sich zusammenfassend folgendes Ergebnis:
Satz (Kreis durch drei Punkte)
Seien v1 = (x1, y1), v2 = (x2, y2), v3 = (x3, y3) ∈ ℝ2 drei Punkte, die nicht auf einer gemeinsamen Geraden liegen. Dann ist der eindeutige Kreis Kv0, r durch diese Punkte gegeben durch
v0 = 12 det(v2 − v1, v3 − v1) + v1
r = ∥ v2 − v1 ∥ ∥ v3 − v1 ∥ ∥ v2 − v3 ∥2 |det(v2 − v1, v3 − v1)|
Beispiel
Wir betrachten die drei Punkte
v1 = (x1, y1) = (4, 8), v2 = (x2, y2) = (7, 7), v3 = (x3, y3) = (−2, 4)
Auswertung der Formeln des Satzes ergibt die Werte:
A = (v2 − v1, v3 − v1) = ((3, −1), (−6, −4)), det(A) = −18
∥ v2 − v1 ∥ = , ∥ v3 − v1 ∥ = 2 , ∥ v2 − v3 ∥ = 3
v0 | = 1− 36 + |
= − 136 + | |
= + = |
r = =
Der affine Kreis Kv0, r durch die Punkte v1, v2, v3. Es gilt
v0 = (11/3, 2), r = (5/3)
Als Korollar erhalten wir eine klassische Formel für Dreiecke:
Umkreisradius eines Dreiecks
Sei ABC ein Dreieck mit den Seiten a, b, c, dem Umkreisradius r und der Fläche ar(ABC). Dann gilt:
a b c = 4 r ar(ABC)(Umkreisradiusformel)
Denn mit v1 = A, v2 = B, v3 = C gilt mit den Bezeichnungen des Satzes:
a = ∥ v2 − v3 ∥, b = ∥ v3 − v1 ∥ = , c = ∥ v2 − v1 ∥ = c
| det(v2 − v1, v3 − v1) | = 2 ar(ABC)(Dreieck = halbes Parallelogramm)
r = ∥ v2 − v1 ∥ ∥ v3 − v1 ∥ ∥ v2 − v3 ∥2 |det(v2 − v1, v3 − v1)| = a b c4 ar(ABC)