Von der Singulärwertzerlegung zum Spektralsatz
Wir hatten bereits gesehen, dass A und At wechselseitig normierte Halbachsenrichtungen in Halbachsenvektoren übersetzen. Wir formulieren und beweisen dieses wichtige Ergebnis noch einmal in einer rein algebraischen Form (ohne Verwendung von Ellipsen):
Satz (Übertragungssatz für Singulärvektoren, Halbachsenübersetzung)
Sei (v1; v2) diag(σ1, σ2) (w1, w2) eine Singulärwertzerlegung einer Matrix A. Dann gilt
Aw1 = σ1v1, Aw2 = σ2v2, Atv1 = σ1w1, Atv2 = σ2w2
Beweis
Da w1 und w2 orthogonal und normiert sind, gilt
(w1, w2) w1 = (〈 w1, w1 〉, 〈 w2, w1 〉) = (1, 0) = e1
Damit ist
Aw1 = (v1; v2) diag(σ1, σ2) (w1, w2) w1 = (v1; v2) (σ1e1) = σ1v1
Analoges gilt für w2. Die Aussagen für v1 und v2 ergeben sich durch Anwendung der Ergebnisse auf At = (w1; w2) diag(σ1, σ2) (v1, v2).
Durch die Anwendung von A und At werden also die rechten bzw. linken Singulärvektoren mit den Singulärwerten skaliert und aneinander ausgerichtet. Das Produkt A At (oder gleichwertig At A) bewirkt einen zweifachen Austausch und führt damit zu Eigenvektoren:
Korollar (Spektralsatz für AAt)
Sei (v1; v2) diag(σ1, σ2) (w1, w2) eine Singulärwertzerlegung von A, und sei B = AAt. Dann sind v1 und v2 orthonormale Eigenvektoren von B zu den Eigenwerten λ1 = σ12 und λ2 = σ22.
Beweis
Es gilt B v1 = A At v1 = A (σ1w1) = σ1 A w1 = σ12 v1. Analoges gilt für v2.
Matrizenprodukte der Form A At bzw. At A werden uns im Folgenden noch häufiger begegnen. Es gilt:
A At = =
Die Matrix A At ist symmetrisch. In der Hauptdiagonale finden sich die Normquadrate der Zeilen von A. In der Nebendiagonale steht das Skalarprodukt der Zeilen von A. Damit ist A At genau dann eine Diagonalmatrix, wenn A orthogonale Zeilen besitzt. Analog ergibt sich
At A = =
Hier steht das Skalarprodukt der Spalten in der Nebendiagonale.
Allgemein gilt nun:
Satz (Spektralsatz)
Sei A symmetrisch. Dann existieren orthonormale Eigenvektoren von A.
Wir werden verschiedene Beweise für dieses fundamentale Ergebnis über Matrizen geben. Es ist dabei nützlich, einige Spezialfälle getrennt zu behandeln, die sich ohne weitergehende Ergebnisse zeigen lassen. Wir beginnen mit:
Satz (Spektralsatz für singuläre Matrizen)
Sei A symmetrisch und singulär, sodass A v = 0 für einen normierten Vektor v. Dann sind v und w = rotπ/2(v) orthonormale Eigenvektoren von A zu den Eigenwerten 0 bzw. a + d.
Beweis
Wegen A v = 0 ist v ein normierter Eigenvektor zum Eigenwert 0. Ist A = ((a, b), (b, d)) und v = (x, y), so gilt
a x + b y = 0, b x + d y = 0
Damit erhalten wir für w = rotπ/2(v) = (−y, x):
A w = = = = (a + d) w
Leicht zu behandeln ist auch der Kreisfall:
Satz (Spektralsatz für winkeltreue Matrizen)
Sei A symmetrisch, und sei A[ K ] ein Kreis mit Radius r > 0. Dann gilt A = ± r E2, falls det(A) > 0 und A = r mirφ für ein φ, falls det(A) < 0. Im ersten Fall sind e1, e2 orthonormale Eigenvektoren zum gemeinsamen Eigenwert ± r. Im zweiten Fall sind v und w = rotπ/2(v) orthonormale Eigenvektoren zu den Eigenwerten r bzw. −r, wobei v ein normierter Vektor auf der Spiegelungsachse ist.
Beweis
Wegen A[ K ] = Kr gibt es eine orthogonale Matrix S mit A = r S. Im Fall det(A) > 0 ist S eine Rotation. Die einzigen symmetrischen Rotationsmatrizen sind rot0 = E2 und rotπ = −E2. Ist det(A) < 0, so gilt S = mirφ für ein φ. Der Rest ist klar.
Damit genügt es im Folgenden, den Spektralsatz für symmetrische Matrizen A zu zeigen, für die Eσ1, σ2, φ eine echte Ellipse ist. Gleichwertig: A hat zwei verschiedene positive Singulärwerte.
Satz (Spektralsatz, Hauptfall)
Sei A symmetrisch, und sei A = S D T = (v1; v2) diag(σ1, σ2) (w1, w2) eine Singulärwertzerlegung von A mit σ1 ≠ σ2, σ1, 2 > 0. Dann gilt:
(a) | Es gibt θ1,2 ∈ { −1, 1 } mit v1 = θ1w1, v2 = θ2w2. |
(b) | w1 und w2 (und ebenso v1, v2) sind orthonormale Eigenvektoren von A zu den Eigenwerten λ1 = θ1σ1 bzw. λ2 = θ2σ2. Damit gilt A = (w1; w2) diag(λ1, λ2) (w1, w2) = (v1; v2) diag(λ1, λ2) (v1, v2) |
(c) | Im Fall det(A) > 0 gilt sgn(θ1) = sgn(θ2). Im Fall det(A) < 0 gilt sgn(θ1) ≠ sgn(θ1). |
Erster Beweis
Die Vektoren σ1 v1, σ2 v2 sind Halbachsen von E = A[ K ], die Vektoren σ1 w1, σ2 w2 sind Halbachsen von Et = At[ K ]. Da A symmetrisch ist, gilt E = Et. Aus σ1 ≠ σ2 folgt (a). Die Halbachsenübersetzung liefert:
Aw1 = σ1v1 = θ1σ1w1
Aw2 = σ2v2 = θ2σ2w2
Damit sind w1, w2 (und v1,2) orthonormale Eigenvektoren von A zu den Eigenwerten λ1,2 = θ1, 2 σ1,2. Wir erhalten so die Diagonalisierung
(w1, w2) A (w1; w2) = (w1, w2) (λ1 w1; λ2 w2) = diag(λ1, λ2).
Analoges gilt für v1, v2. Auflösen nach A liefert die Darstellung in (b). Aus det(A) = λ1 λ2 und σ1,2 > 0 erhalten wir (c).
Zweiter Beweis (ohne Verwendung von Ellipsen)
Wegen A = At gilt nach dem Übertragungssatz:
Av1 = σ1w1, Aw1 = σ1v1, Av2 = σ2w2, Aw2 = σ2v2
Folglich ist
A(v1 + w1) = σ1(v1 + w1), A(v1 − w1) = −σ1(v1 − w1)
A(v2 + w2) = σ2(v2 + w2), A(v2 − w2) = −σ2(v2 − w2)
Damit gilt v1 + w1 = 0 oder v1 − w1 = 0, da die Matrix A sonst drei Eigenwerte σ1, −σ1, τ mit τ = ±σ2 hätte. Folglich ist v1 = ±w1 und damit v1 ein Eigenvektor von A zum Eigenwert ±σ1. Analoges gilt für v2.