23. Vorlesung Eigenwerte und Spektralsatz
1. Eigenwerte und Eigenvektoren
Definition (Eigenwert, Eigenvektor, Eigenpaar)
Seien A ∈ ℝ2 × 2, λ ∈ ℝ und v ∈ ℝ2 mit v ≠ 0. Dann heißt λ ein Eigenwert und v ein zu λ gehöriger Eigenvektor von A, falls Av = λv. Weiter heißt (λ, v) ein Eigenpaar von A.
Sei A = ((a, b), (c, d)) ∈ ℝ2 × 2. Für alle λ ∈ ℝ und alle v ∈ ℝ2 gilt:
Av = λv genau dann, wenn (A − λE2) v = 0.
Setzen wir also
Aλ = A − λ E2 = − = für alle λ ∈ ℝ,
so ist λ genau dann ein Eigenwert von A, wenn das Gleichungssystem Aλv = 0 nicht eindeutig lösbar ist. Dies ist äquivalent dazu, dass det(Aλ) = 0, wobei
det(Aλ) | = (a − λ)(d − λ) − bc = λ2 − (a + d) λ + ad − bc |
= λ2 − spur(A) λ + det(A). |
Definition (charakteristisches Polynom)
Sei A ∈ ℝ2 × 2. Dann heißt das Polynom pA : ℝ → ℝ zweiten Grades mit
pA(λ) = det(Aλ) = λ2 − spur(A) λ + det(A) für alle λ ∈ ℝ
das charakteristische Polynom von A.
Die Mitternachtsformel und die Formeln von Vieta eregeben:
Satz (Existenz von Eigenwerten)
Sei A ∈ ℝ2 × 2. Dann besitzt A genau dann reelle Eigenwerte, wenn
(+) D = spur(A)2 − 4det(A) = (a − d)2 + 4bc ≥ 0.
In diesem Fall sind die Eigenwerte gegeben durch
λ1,2 = .
Es gilt λ1 + λ2 = spur(A) und λ1λ2 = det(A). Weiter gilt λ1 = λ2 = spur(A)/2 genau dann, wenn D = 0.
Zugehörige Eigenvektoren finden wir durch Lösen der Gleichungssysteme
Aλ1v = 0 und Aλ2v = 0.
2. Der Spektralsatz
Aus (+) im obigen Satz folgt, dass Eigenwerte existieren, falls det(A) ≤ 0 oder bc ≥ 0. Für symmetrische Matrizen ist bc = b2 ≥ 0, sodass jede symmetrische Matrix A ∈ ℝ2 × 2 reelle Eigenwerte besitzt. Diese Eigenwerte sind genau dann gleich, wenn D = (a − d)2 + b2 = 0, d. h. wenn a = d und b = 0 (sodass A ein skalares Vielfaches von E2 ist). Damit können wir zeigen:
Satz (Spektralsatz)
Sei A ∈ ℝ2 × 2. Dann sind äquivalent:
(a) | A ist symmetrisch. |
(b) | Es gibt zueinander orthogonale Eigenvektoren v und w von A. |
Beweis
(a) impliziert (b):
Sei A symmetrisch. Nach obigen Überlegungen besitzt A reelle Eigenwerte λ1 und λ2.
Gilt λ1 = λ2 = λ, so gilt A = λ E2 und v = e1 = (1, 0) und w = e2 = (0, 1) sind orthogonale Eigenvektoren von A.
Es gelte also λ1 ≠ λ2. Seien v und w Eigenvektoren von A zu λ1 bzw. λ2. Da A symmetrisch ist, gilt At = A. Damit erhalten wir
λ1 〈 v, w 〉 = 〈 λ1v, w 〉 = 〈 Av, w 〉 = 〈 v, Atw 〉 = 〈 v, Aw 〉 = 〈 v, λ2w 〉 = λ2 〈 v, w 〉.
Folglich ist
(λ1 − λ2) 〈 v, w 〉 = λ1 〈 v, w 〉 − λ2 〈 v, w 〉 = 0.
Wegen λ1 ≠ λ2 gilt also 〈 v, w 〉 = 0, sodass v und w orthogonal sind.
(b) impliziert (a):
Seien v und w orthogonale und ohne Einschränkung normierte Eigenvektoren von A zu den Eigenwerten λ1 bzw. λ2. Seien (α, β), (γ, δ) die Koordinatenvektoren von e1, e2 bzgl. der Basis (v, w), d. h.
e1 = αv + βw, e2 = γv + δw.
Dann gilt wegen 〈 v, w 〉 = 〈 w, v 〉 = 0, dass
a12 | = 〈 e1, Ae2 〉 = 〈 e1, A(γv + δw) 〉 = 〈 αv + βw, λ1γv + λ2δw 〉 |
= λ1αγ〈 v, v 〉 + λ2βδ〈 w, w 〉 = λ1αγ + λ2βδ, |
a21 | = 〈 Ae1, e2 〉 = 〈 A(αv + βw), e2 〉 = 〈 λ1αv + λ2βw, γv + δw 〉 |
= λ1αγ〈 v, v 〉 + λ2βδ〈 w, w 〉 = λ1αγ + λ2βδ. |
Dies zeigt, dass a12 = a21. Folglich ist A symmetrisch.
3. Die Diagonalisierung
Satz (Diagonalisierung symmetrischer Matrizen)
Sei A ∈ ℝ2 × 2 symmetrisch und σ ∈ { −1, 1 }. Dann gibt es eine orthogonale Matrix S mit det(S) = σ und eine Diagonalmatrix D derart, dass
A = S−1DS, D = SAS−1.
Beweis
Seien λ1 und λ2 die Eigenwerte von A und seien v und w zugehörige normierte Eigenvektoren. Wir setzen
D = diag(λ1, λ2) = , S = (v, w) = .
Dann ist S orthogonal, sodass S−1 = St = (v; w). Durch einen Austausch von w durch −w können wir das Vorzeichen von det(S) einstellen. Es gilt
A S−1 = A (v; w) = (Av; Aw) = (λ1v; λ2w), sodass
S A S−1 = (v, w) (λ1v; λ2w) = = = D.
Durch Multiplikation mit S−1 von links und S von rechts erhalten wir
A = S−1 D S = St D S.
Eine Zerlegung A = S−1DS wie im Satz heißt eine Diagonalisierung von A. In der Diagonale von D stehen die Eigenwerte und die Zeilen von S sind zugehörige normierte und orthognale Eigenvektoren v, w von A. Ein Vektor u = (x, y) hat bzgl. der Basis (v, w) die Koordinaten x′, y′ mit u = x′ v + y′ w, sodass
(+) x e1 + y e2 = u = x′ v + y′ w.
Es gilt
(x, y) = u = (v; w) (x′, y′) = S−1 (x′, y′), (x′, y′) = S (x, y),
sodass S und S−1 die Koordinaten (x, y) und (x′, y′) ineinander umrechnen. Wegen
S−1 D (x′, y′) = S−1 D S (x, y) = A (x, y)
hat A(x, y) bzgl. der Basis (v, w) die Koordinaten D(x′, y′) = (λ1x′, λ2 y′). Aus der Sicht der Basis (v, w) bewirkt A eine Streckung um λ1 entlang der Achse von v und λ2 entlang der Achse von w. Der Spektralsatz besagt damit, dass jede symmetrische Matrix eine Diagonalmatrix ist, wenn wir ein geeignetes Koordinatensystem aus orthogonalen und normierten Basisvektoren wählen.
4. Die Singulärwertzerlegung
Satz (Singulärwertzerlegung)
Sei A ∈ ℝ2 × 2 invertierbar. Weiter sei AAt = S−1DS mit S orthogonal und D = diag(λ1, λ2). Weiter sei
T = D1/2SA−t, wobei A−t = (A−1)t, D1/2 = diag(σ1, σ2) = diag(, ).
Dann ist T orthogonal und es gilt
A = S−1D1/2T.(Singulärwertzerlegung von A)
Beweis
Die Matrix T ist orthogonal, da
Tt T = A−1S−1D1/2D1/2SA−t = A−1AAtA−t = E2 E2 = E2.
Weiter ist
A = S−1DSA−t = S−1D1/2D1/2SA−t = S−1D1/2T.
Die Zerlegung A = S−1D1/2T ist als Singulärwertzerlegung von A bekannt und die Diagonaleinträge σ1, σ2 von D1/2 heißen die Singulärwerte von A. Die Matrix A wird in drei Teile wie bei der Diagonalisierung zerlegt, wobei die äußeren Matrizen immer noch orthogonal, aber im Allgemeinen nicht mehr invers zueinander sind. Mehr können wir nicht erreichen, da wir A nicht als symmetrisch voraussetzen.
Matrizen und Ellipsen
Dass das Bild des Einheitskreises unter einer invertierbaren Matrix A eine Ellipse ist, lässt sich mit Hilfe der Singulärwertzerlegung A = S−1D1/2T anschaulich einsehen: Wir nehmen an, dass S und T Drehungen sind (die anderen Fälle sind analog). Dann wird der Einheitskreis zunächst mit T gedreht. Seine Form bleibt dabei unverändert. Nun wird der gedrehte Kreis durch Anwendung von D1/2 in x- und y-Richtung um die positiven Skalare σ1 bzw. σ2 gestreckt und so zur achsenparallelen Ellipse Eσ1, σ2. Schließlich wird diese Ellipse mit S−1 zur Ellipse E = A[ K ] gedreht. Die Spaltenvektoren von S−1 sind Halbachsenrichtungen und die Singulärwerte von A die Längen der Halbachsen von E.