6. Vorlesung Arkusfunktionen und hyperbolische Funktionen

1. Die Arkusfunktionen

Definition (Einschränkungen der trigonometrischen Funktionen)

Wir definieren

sin0  =  sin [ −π/2, π/2 ],  cos0  =  cos [ 0, π ],
tan0  =  tan ] −π/2, π/2 [,  cot0  =  cot ] 0, π [,
sec0  =  sec([ 0, π ] − { π/2 }), csc0  =  csc([ −π/2, π/2 ] − { 0 }).
Definition (Arkusfunktionen)

Die Arkusfunktionen arccos,  arcsin,  arctan,  arccot,  arcsec, arccsc sind definiert als die Umkehrfunktionen von cos0,  sin0,  tan0,  cot0,  sec0,  csc0.

Satz (Kombinationsformeln)

Es gilt

(a)

sin arccos x  =  cos arcsin x  =  1x2  für alle x  ∈  [ −1, 1 ],

(b)

tan arccot x  =  cot arctan x  =  1x  für alle x  ∈  *.

Beweis

zu (a):  Für alle y  ∈  [ 0, π ] ist sin y ≥ 0 und

sin y  =  1cos2y.

Ist nun x  ∈  [ −1, 1 ] beliebig und y = arccos x, so ist y  ∈  [ 0, π ], sodass sich wegen cos y = cos arccos x = x die Sinus-Formel ergibt. Die Kosinus-Formel wird analog bewiesen.

zu (b):  Für alle y  ∈   gilt unter der Voraussetzung der Definiertheit

tan y  =  1cot y.

Für y = arccot x ergibt sich wegen cot arccot x = x die Tangens-Formel. Die Formel für den Kotangens wird analog bewiesen.

2. Polarkoordinaten

Definition (Argument)

Wir definieren arg : 2 − { 0 }  [ 0, 2π [ durch:

arg(x, y)  =  „das eindeutige α  ∈  [ 0, 2 π [ mit (x, y) = x2+y2 (cos α, sin α)“.

Für alle (x, y)  ∈  2 − { 0 } heißt arg(x, y) das Argument von (x, y) (bzgl. des Winkelintervalls [ 0, 2π [).

Definition (Polarkoordinaten)

Für alle (x, y)  ∈  2 − { 0 } heißt (r, α)  ∈  2 mit

r  =  x2+y2,  α  =  arg(x, y)

der Polarkoordinatenvektor von (x, y)  (bzgl. des Winkelintervalls [ 0, 2π [). Die Koordinate r heißt der Radius und die Koordinate α der Polarwinkel von (x, y). Wir sagen auch, dass r, α Polarkoordinaten von (x, y) sind.

 Das Argument lässt sich mit Hilfe des Arkustangens berechnen:

arg(x,y)=arctan(y/x),falls x>0undy0arctan(y/x)+2π,falls x>0undy<0arctan(y/x)+π,falls x<0π/2,falls x=0undy>03π/2,falls x=0undy<0

Andere Winkelintervalle

Die Definition des Arguments hängt vom gewählten Winkelintervall ab. Genauer schreiben wir arg[ 0, 2π [. Oft ist es nützlich, statt [ 0, 2π [ das Intervall ] −π, π ] zu betrachten, sodass das Argument stets diesem Intervall angehört. Prinzipiell ist jedes halboffene Intervall der Länge 2π geeignet.

5. Die Paritätszerlegung einer Funktion

Definition (gerade und ungerade Funktion)

Sei P ⊆  derart, dass für alle Elemente x von P auch −x ein Element von P ist. Weiter sei f : P  . Dann heißt f gerade, falls f (−x) = f (x) für alle x  ∈  P. Analog heißt f ungerade, falls f (−x) = −f (x) für alle x  ∈  P.

 Ist f : P   eine beliebige Funktion mit einem zum Nullpunkt symmetrischen Definitionsbereich P, so können wir f+, f : P   definieren durch

f+(x)  =  f (x) + f (−x)2,  f(x)  =  f (x) − f (−x)2  für alle x  ∈  P.

Dann ist f+ gerade und f ungerade. Es gilt

f (x)  =  f+(x)  +  f(x)  für alle x  ∈  P.

Definition (Paritäts-Zerlegung)

Die Darstellung f = f+ + f heißt die Paritäts-Zerlegung von f. Weiter heißt die Funktion f+ der gerade und die Funktion f der ungerade Anteil von f.

6. Die hyperbolischen Funktionen

Definition (Kosinus und Sinus Hyperbolicus)

Wir definieren den Kosinus Hyperbolicus cosh :    und den Sinus Hyperbolicus sinh :    durch

cosh x  =  ex + e−x2,  sinh x  =  ex − e−x2  für alle x  ∈  .

Definition (weitere hyperbolische Funktionen)

Wir definieren den Tangens Hyperbolicus, Kotangens Hyperbolicus, Sekans Hyperbolicus und Kosekans Hyperbolicus durch

tanh  =  sinhcosh,  coth  =  coshsinh,  sech  =  1cosh,  csch  =  1sinh.

 Zur Motivation der Namensgebung betrachten wir die Einheitshyperbel

H1  =  { (x, y)  ∈  2 | x2 − y2 = 1 }.

Setzen wir P(t) = (cosh t, sinh t) für alle t  ∈  , so beschreibt P eine Bewegung auf einer dem rechten Ast von H1, da cosh(t) > 0 für alle t und

(+)  cosh2 x  −  sinh2 x  =  1  für alle x  ∈  .

 Aus der Potenzreihendarstellung

exp x  =  n xn/n!  =  1  +  x  +  x22  +  x36  +  … xnn!  +  …

erhalten wir

cosh x =  12 (n xnn!  +  n (−x)nn!)  =  12 n xn + (−x)nn!
=  n gerade x2n!  =  n x2n(2n)!  für alle x  ∈  .

Analog ist

sinh x  =  n x2n + 1(2n + 1)!  für alle x  ∈  .

Aus exp′ = exp und den Definitionen von cosh und sinh ergibt sich

cosh′  =  sinh,  sinh′  =  cosh,

cosh″  =  cosh,  sinh″  =  sinh.

Diese Ableitungen erhalten wir auch durch gliedweises Differenzieren der Potenzreihen von cosh und sinh.

7. Die Areafunktionen

Definition (Areafunktionen)

Die Area-Funktionen arcosh, arsinh, artanh, arcoth, arsech, arcsch sind definiert als die Umkehrfunktionen von cosh0, sinh, tanh, coth, sech0, csch, wobei cosh0 und sech0 die Einschränkung von cosh und sech auf [ 0, ∞ [ ist.

 Man kann zeigen, dass sich die Areafunktionen zur Flächenmessung an der Hyperbel eignen (in Analogie zur Messung von Kreisbögen mit Hilfe der Arkusfunktionen). Dies motiviert die Namensgebung.

Satz (Logarithmus-Darstellung der Areafunktionen)

Es gilt:

arcosh x  =  log (x  +  x21) für alle x ≥ 1,
arsinh x  =  log (x  +  x2+1) für alle x  ∈  .
Beweis

Wir zeigen die Darstellung des Area Kosinus Hyperbolicus. Die zweite Formel wird ähnlich beweisen.

Sei x ≥ 1, und sei y ≥ 0 derart, dass x = cosh y. Mit z = ey gilt

2x  =  2 coshy  =  ey + e−y  =  ey + 1ey  =  z + 1z.

Multiplikation mit z liefert die quadratische Gleichung z2 − 2xz + 1 = 0 in z mit den Lösungen

z1,2  =  x ± x21.

Wegen z = ey ≥ 1 scheidet das negative Vorzeichen aus, sodass

ey  =  z  =  x + x21.

Damit ist arcosh x  =  arcosh(cosh y)  =  log(x + x21).