Polynome und ihr Grad

Definition (Polynom)

Seien a0, …, an  ∈  . Dann heißt die Funktion f :    mit

f (x)  =  an xn  +  an − 1 xn − 1  +  …  +  a0  für alle x  ∈ 

das (reelle) Polynom oder die (reelle) Polynomfunktion mit den Koeffizienten a0, …, an.

(a)

Ist an ≠ 0, so heißt n der Grad und an der Leitkoeffizient des Polynoms. Gilt an = 1, so heißt das Polynom normiert.

(b)

Sind alle Koeffizienten gleich 0, so heißt f das Nullpolynom. Dem Nullpolynom ordnen wir den symbolischen Grad −∞ zu.

(c)

Ein Polynom vom Grad 0 oder −∞ heißt ein konstantes Polynom.

ema11-AbbIDef-polynomial-1
ema11-AbbIDef-polynomial-2

Zwei verschiedene Ausschnitte desselben Polynoms vom Grad 5

Den Grad eines Polynoms f :    bezeichnen wir auch mit

deg(f)  ∈   ∪ { −∞ }  (für engl. degree).

Der Grad ist ein Maß für die Komplexität des Polynoms. Alternativ ist im Deutschen auch die Bezeichnung grad(f) üblich.

Beispiele

(1)

Das Nullpolynom hat den Grad −∞. Es besitzt keinen Leitkoeffizienten.

(2)

Ein Polynom hat genau dann den Grad Null, wenn es durch einen konstanten Term der Form a0 mit a0 ≠ 0 definiert wird. Jedes derartige Polynom ist eine Gerade der Steigung 0. Die y-Verschiebung a0 ist zugleich der Leitkoeffizient eines solchen Polynoms.

(3)

Eine Gerade der Steigung 0 ist entweder das Nullpolynom oder ein Polynom vom Grad 0. Damit gilt deg(f) ≤ 0 genau dann, wenn f eine Gerade der Steigung 0 ist.

(4)

Die Polynome vom Grad 1 sind genau die Geraden mit einer von Null verschiedenen Steigung. Der Leitkoeffizient eines Polynoms vom Grad 1 entspricht der Steigung.

(5)

Die Polynome vom Grad 2 sind genau die Parabeln. Der Leitkoeffizient eines Polynoms vom Grad 2 entspricht der Öffnung.

(6)

Das Polynom f :    mit

f (x)  =  − 2 x4 + x2 − 2 x + 6  für alle x  ∈ 

hat den Grad 4, den Leitkoeffizienten − 2 und die Koeffizienten

6, − 2, 1, 0, − 2.

(7)

Das Polynom g :    mit

g(x)  =  x4 − 1/2 x2 +  x − 3  für alle x  ∈ 

hat den Leitkoeffizienten 1 und ist daher normiert. Jedes vom Nullpolynom verschiedene Polynom können wir normieren, indem wir es durch seinen Leitkoeffizienten dividieren. So entsteht zum Beispiel das Polynom g durch Normierung aus dem Polynom f des vorangehenden Beispiels.

Bemerkung

In der Algebra wird zwischen Polynomen und Polynomfunktionen unterschieden. Ein Polynom wird als unendliche Folge von Koeffizienten aufgefasst, wobei alle bis auf höchstens endlich viele Koeffizienten gleich Null sind. So ist zum Beispiel (6, − 2, 1, 0, −2, 0, 0, 0, …) das Polynom des sechsten Beispiels und (0, 0, 0, …) das Nullpolynom. Polynomfunktionen entstehen durch Termauswertung. Für unsere reellen (und später komplexen) Polynome ist eine solche Unterscheidung nicht nötig.

 Mit den üblichen Rechenregeln für den symbolischen Wert −∞ gelten für alle Polynome f und g die Gradformeln

deg(f + g)  ≤  max(deg(f), deg(g)),  deg(f · g)  =  deg(f) + deg(g).

Die Formeln sind ein Beispiel dafür, dass es nützlich ist, dem Nullpolynom den Grad −∞ zuzuordnen. Die Ungleichung in der Summenformel kann im Fall deg(f) = deg(g) (und nur dann) echt sein. Für die Polynome f und g mit

f (x)  =  x2 + 2x,  g(x)  =  − x2 + x  für alle x  ∈ 

gilt zum Beispiel deg(f + g) = 1 < 2, da (f + g)(x) = 3x für alle x  ∈  . Im Extremfall g = − f ist deg(f + g) = deg(f − f) = −∞.

 Polynome eignen sich zur Approximation von Funktionen. Wir werden derartige Taylor-Polynome später genauer betrachten. Vorab ein visueller Eindruck:

ema11-AbbID1-3-1

Die Funktion sieht aus wie die Sinusfunktion …

ema11-AbbID1-3-2

… ist aber ein Polynom (vom Grad 29).