Die Limesdarstellung der Exponentialfunktion
Eine alternative Darstellung der Exponentialfunktion verwendet eine Grenzwertbildung, die sich durch das Problem einer stetigen Verzinsung motivieren lässt (wir diskutieren diese Motivation in den Übungen). Betrachten wir eine natürliche Zahl n ≥ 1, so gilt
(+) ddx (1 + xn)n = n (1 + xn)n − 1 1n = (1 + xn)n − 1.
Wenn n gegen unendlich strebt, wird der Unterschied zwischen n und n − 1 im Exponenten auf der rechten Seite bei beliebigem x unerheblich, da
(1 + xn)n − 1 = (1 + xn)n nn + x.
Damit lässt sich vermuten, dass durch die Grenzwertbildung
f (x) = limn ≥ 1 (1 + xn)n
eine Funktion f : ℝ → ℝ definiert wird mit f ′ = f. Dies ist, wie man zeigen kann, tatsächlich der Fall. (Dass die Grenzfunktion überall definiert und zudem differenzierbar ist und ihre Ableitung der Grenzwert der Ableitungen in (+) ist, ist keineswegs selbstverständlich.) Damit haben wir erneut eine Funktion gefunden, die sich bei der Ableitung selbst reproduziert und zudem an der Stelle x = 0 den Wert 1 besitzt. Nach dem Eindeutigkeitssatz gilt:
Satz (Limesdarstellung der Exponentialfunktion)
Für alle x ∈ ℝ gilt
exp(x) = limn ≥ 1 (1 + xn)n.
Speziell ist
e = limn ≥ 1 (1 + 1n)n.
Die Limesdarstellung ist theoretisch von Bedeutung, aus numerischer Sicht aber der Reihendarstellung unterlegen. Ist x ∈ ℝ und n ∈ ℕ, so sind
sn(x) = ∑k ≤ n xkk!, tn(x) = (1 + xn)n
Approximationen an exp(x). Die Approximation sn ist im Allgemeinen deutlich besser als tn.