Kosinus und Sinus am Einheitskreis
Wir definieren:
Definition (Kreis)
Sei r ∈ ℝ+0. Dann heißt
Kr = { (x, y) ∈ ℝ2 | x2 + y2 = r2 }
der Kreis oder genauer die Kreislinie mit Radius r und Mittelpunkt 0 = (0, 0) der Ebene ℝ2. Der Kreis K = K1 heißt der Einheitskreis in ℝ2.
Definition (Winkel im Bogenmaß)
Ist P ein Punkt auf dem Einheitskreis K, so heißt die Länge α ∈ [ 0, 2π [ des Kreisbogens von K, der gegen den Uhrzeigersinn von (1, 0) zu P führt, der von P und der x-Achse eingeschlossene Winkel (im Bogenmaß) im Intervall [ 0, 2π[.
Ein Punkt auf dem Einheitskreis und Winkel im Bogenmaß
Wir vereinbaren:
Konvention
Indem wir reelle Zahlen, die sich nur um ein ganzzahliges Vielfaches von 2π unterscheiden, miteinander identifizieren, können wir jede reelle Zahl als Winkel auffassen. Für alle α ∈ ℝ gibt es dann einen Punkt P auf dem Einheitskreis mit dem Winkel α. Zwei Winkel, die demselben Punkt P entsprechen, unterscheiden sich um ein ganzzahliges Vielfaches von 2π.
Anschaulich entspricht diese Identifizierung dem mehrfachen Durchlaufen des Einheitskreises für α ≥ 2π bzw. einem Durchlaufen des Einheitskreises im Uhrzeigersinn für α < 0. Oft ist es nützlich, Winkel standardmäßig im Intervall ] −π, π ] anstelle von [ 0, 2π [ zu wählen. Prinzipiell ist jedes halboffene Intervall der Länge 2π geeignet.
Nach diesen Vorbereitungen können wir nun die Kosinus- und Sinusfunktion einführen.
Definition (Kosinus und Sinus als Koordinatenfunktionen)
Sei α ∈ ℝ, und sei P der Punkt des Einheitskreises K mit Winkel α. Dann setzen wir
cos(α) | = „die x-Koordinate von P“, |
sin(α) | = „die y-Koordinate von P“. |
Die so definierten Funktionen cos : ℝ → ℝ und sin : ℝ → ℝ heißen die Kosinus-Funktion bzw. Sinus-Funktion auf ℝ.
Liegt also P auf K mit Winkel α, so gilt nach Definition
P = (cos(α), sin(α)).
Kosinus und Sinus als Koordinatenfunktionen für Punkte des Einheitskreises
Aufgrund unserer Identifizierung von Winkeln sind die Kosinus- und Sinusfunktion 2π-periodisch, d. h. es gilt
cos(α + k2π) = cos(α),
sin(α + k2π) = sin(α) für alle α ∈ ℝ und k ∈ ℤ.
Wir können die Definition aus unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachten. Zwei wichtige Interpretationen sind:
Dynamische Interpretation: Gleichmäßige Kreisbewegung
Bewegt sich ein Punkt P in der Zeit t auf dem Einheitskreis gleichmäßig gegen den Uhrzeigersinn mit der Winkelgeschwindigkeit 1 und dem Startpunkt P(0) = (1, 0), so gilt
P(t) = (cos(t), sin(t)) für alle t ∈ ℝ.
Geometrische Interpretation: Längentreue Kreisaufwicklung
Sei x ∈ ℝ. Wickeln wir eine Strecke von 0 bis x längentreu auf den Einheitskreis auf (gegen den Uhrzeigersinn für x ≥ 0, im Uhrzeigersinn für x < 0), so endet diese Kreisaufwicklung im Punkt
P(x) = (cos(x), sin(x)) ∈ K.
Im Umgang mit trigonometrischen Funktionen verwenden wir je nach Kontext und prinzipiell völlig frei die Variablen x, y, α, β, …,φ, ψ, … Um Klammern zu sparen, vereinbaren wir:
Notation
Wir lassen Funktionsklammern oft weg und schreiben sin x, cos x statt sin(x), cos(x). Weiter schreiben wir sin2 x, cos2 x statt (sin x)2, (cos x)2.
Allgemein verwenden wir für jede Funktion f zusätzlich zu f (x) auch die alternative Notation fx, wo immer es der Übersichtlichkeit dient.