Polarkoordinaten
Jeder vom Ursprung verschiedene Punkt der Ebene schließt einen eindeutigen gegen den Uhrzeigersinn gemessenen Winkel im Intervall [ 0, 2π [ mit der x-Achse ein:
Definition (Argument)
Wir definieren arg : ℝ2 − { 0 } → [ 0, 2π [ durch:
arg(x, y) = „das eindeutige α ∈ [ 0, 2 π [ mit (x, y) = (cos α, sin α)“.
Für alle (x, y) ∈ ℝ2 − { 0 } heißt arg(x, y) das Argument von (x, y) (bzgl. des Winkelintervalls [ 0, 2π [).
Wir können die Argumentbildung so beschreiben: Wir projizieren den Punkt P = (x, y) auf den Einheitskreis K, d. h., wir suchen den eindeutigen Schnittpunkt P* der Halbgeraden von O durch P mit K (hier verwenden wir P ≠ O). Ist
r = > 0
der Abstand OP von P zum Ursprung, so ist P* = 1/r (x, y). Das Argument von P ist die gegen den Uhrzeigersinn gemessene Bogenlänge des Kreisbogens von K, der von (1, 0) zu P* führt. Alle Punkte, die auf der Halbgeraden von O durch P liegen, haben das gleiche Argument.
Bemerkung: Andere Winkelintervalle
Die Definition des Arguments hängt vom gewählten Winkelintervall ab. Genauer schreiben wir arg[ 0, 2π [. Oft ist es nützlich, statt [ 0, 2π [ das Intervall ] −π, π ] zu betrachten, sodass das Argument stets diesem Intervall angehört. Prinzipiell ist jedes halboffene Intervall der Länge 2π geeignet.
Mit Hilfe des Arguments können wir ein Koordinatensystem einführen, das Punkte durch ihren Abstand vom Ursprung und ihr Argument beschreibt:
Definition (Polarkoordinaten)
Für alle (x, y) ∈ ℝ2 − { 0 } heißt (r, α) ∈ ℝ2 mit
r = , α = arg(x, y)
der Polarkoordinatenvektor von (x, y) (bzgl. des Winkelintervalls [ 0, 2π [). Die Koordinate r heißt der Radius und die Koordinate α der Polarwinkel von (x, y). Wir sagen auch, dass r, α Polarkoordinaten von (x, y) sind.
Kartesisches Koordinatengitter
Polares Koordinatengitter
Um die Sprechweise zu erleichtern, nennen wir auch (r, α) Polarkoordinaten von (x, y), obwohl das geordnete Paar (r, α) eigentlich keinen Plural rechtfertigt.
Unter unserer Winkel-Identifizierung ist der Winkelanteil von Polarkoordinaten nur bis auf ganzzahlige Vielfache von 2π bestimmt, d. h. sind (r, α) Polarkoordinaten von (x, y), so auch (r, α + k2π) für alle k ∈ ℤ. Wer den Nullpunkt zulassen möchte, kann arg(0, 0) = 0 definieren. Dann sind (0, α) für alle α ∈ ℝ Polarkoordinaten des Nullpunkts.
Das Argument eines Punktes lässt sich mit Hilfe des Arkustangens berechnen. Dabei müssen wir außerhalb des ersten Quadranten geeignete Vielfache von π/2 addieren. Denn die Werte des Arkustangens liegen stets in ] −π/2, π/2 [ , während das Argument in [ 0, 2π [ liegt. Es ergibt sich folgende Fallunterscheidung:
Eine Möglichkeit, die Korrekturwinkel zu ermitteln, verwendet Drehungen und Spiegelungen:
α = arctan(y/x), β = arctan(x/y) = π/2 − α
arg(P1) = α mit P1 = (x, y)
arg(P2) = π − β = π − arctan(x/y) = π + arctan(x/(−y)) mit P2 = (−y, x)
Der Leser ist aufgefordert, sich die Korrekturwinkel auf seine Weise mit Hilfe eines Diagramms klar zu machen.
Varianten und Bemerkungen
(1) | Wird für das Argument statt [ 0, 2π [ das das heute oft bevorzugte Winkelintervall ] −π, π ] oder ein anderes Intervall gewählt, ist die Fallunterscheidung entsprechend anzupassen. Für ] −π, π ] ergibt sich Im ersten und vierten Quadranten (ohne der y-Achse) ist hier kein Korrekturwinkel nötig. Der zweite und dritte Fall lässt sich zusammenfassen, wenn statt der Vorzeichenfunktion sgn : ℝ → { −1, 0, 1 } die zweiwertige Variante sgn2 mit sgn2(0) = 1 verwendet wird. |
(2) | Mit arctan(u) = sgn(u) π/2 − arctan(1/u) für u ≠ 0 erhalten wir für das Winkelintervall ] −π, π ] die Darstellung Vereinbaren wir symbolisch arctan(+ ∞) = π/2, arctan(−∞) = −π/2, so ergibt sich die einzeilige Form arg(x, y) = sgn2(y) π/2 − arctan(x/y) für alle (x, y) ≠ 0, wobei x/0 = ∞ für x > 0 und x/0 = −∞ für x < 0. |
(3) | Sei (ℝ2)− = ℝ2 − { (x, 0) | x ≤ 0 } die geschlitzte Ebene. Ist (x, y) ∈ (ℝ2)− und λ = (x2 + y2)1/2 die Länge von (x, y), so halbiert der Vektor (x + λ, y) den Winkel arg(x, y) ∈ ] −π, π [ (denn das von (x, y) und (λ, 0) aufgespannte Parallelogramm ist gleichseitig). Wegen x + λ > 0 gilt also arg(x, y) = 2 arg(x + λ, y) = 2 arctan(y/(x + λ)) für alle (x, y) ∈ (ℝ2)−. Weiter ist arg(x, 0) = π für alle x < 0. |
(4) | In vielen Programmiersprachen wird die Argument-Funktion auch mit arctan2 bezeichnet und als eine zweistellige Version des Arkustangens aufgefasst. Es gilt dann je nach Definition arg(x, y) = arctan2(x, y) oder arg(x, y) = arctan2(y, x). |
Die Rückrechnung von Polarkoordinaten (r, α) in kartesische Koordinaten ist gegeben durch
x = r cos α, y = r sin α.
Dabei spielt es aufgrund der Periodizität des Kosinus und Sinus keine Rolle, in welchem Winkelintervall das Argument α gewählt wurde.