Die Landau-Notation

 Die Bedingungen (i) und (ii) des Approximationssatzes sind etwas sperrig in der Formulierung und es ist wünschenswert, eine einfache und suggestive Notation zur Verfügung zu haben. Bewährt hat sich eine symbolische Notation, die auf den Zahlentheoretiker Edmund Landau zurückgeht. Sie wird heute in der Mathematik, Physik und Informatik (in zahlreichen Varianten) an vielen Stellen verwendet, um das asymptotische Verhalten von Funktionen zu beschreiben.

Landau-Notation oder klein-o-Notation

Ein Ausdruck

o(x − p)  für  x  p

steht für eine Funktion r : P   (mit einem kontextabhängigen Definitionsbereich P) mit der Eigenschaft

lim p r(x)x − p  =  0.

Ist allgemeiner g : P   eine Funktion mit g(x) ≠ 0 für alle x ≠ p, so steht

o(g(x))  für  x  p

für eine Funktion r : P   mit

lim p r(x)g(x)  =  0.

 Damit können wir den Approximationssatz nun so formulieren:

Satz (linearer Approximationssatz in Landau-Notation)

Sei f : P  , und sei p  ∈  P. Dann sind äquivalent:

(1)

f ist differenzierbar in p.

(2)

Es gibt ein a  ∈   mit

f (x)  =  f (p)  +  a (x − p)  +  o(x − p)  für x  p.

Gilt (2), so ist a = f ′(p).

 In dieser Version wird die Idee „Tangente plus kleiner Rest“ besonders schön zum Ausdruck gebracht.

Kalkül der Landau-Notation

 Ein Ausdruck o(g(x)) verweist auf eine nicht weiter spezifizierte „namenlose“ Funktion r. Besonders gut zu handhaben wird die Landau-Notation nun durch die − für mathematische Verhältnisse ungewöhnlichen − Vereinbarung, dass zwei oder mehr identisch notierte Ausdrücke o(g(x)) auf verschiedene Funktionen r1, r2, … verweisen können. Dadurch entsteht ein Kalkül der o-Notation. So bedeutet zum Beispiel

o(x − p)  +  o(x − x)  =  o(x − p)  für x  p,

dass die Summe zweier Funktionen r1, r2 des Typs o(x − p) wieder eine Funktion r = r1 + r2 des Typs o(x − p) ergibt (für die betrachtete Konvergenz x  p). Analog bedeutet

o(x − p)  ·  o(x − p)  =  o((x − p)2)  für x  p,

dass das Produkt zweier Funktionen des Typs o(x − p) eine Funktion r = r1 · r2 des Typs o((x − p)2) darstellt, d. h. dass gilt

lim p r1(x) r2(x)(x − p)2  =  0.

Weiter bedeutet

o((x − p)2)impliziert  o(x − p)  für x  p,

dass jede Funktion r des Typs o((x − p)2) auch eine Funktion des Typs o(x − p) ist. Damit ist zum Beispiel

f (x)  =  f (p)  +  a (x − p)  +  o((x − p)2)  für x  p

eine Verstärkung der Differenzierbarkeit von f an der Stelle p: Die Restfunktion konvergiert hier schneller als für die Differenzierbarkeit gefordert gegen 0, nämlich „besser als quadratisch“ anstelle von „besser als linear“. Anschaulich bedeutet dies, dass sich die Tangente von f an der Stelle p besonders eng an die Funktion f anschmiegt.

Beispiel

Sei f :    mit f (x) = x3 für alle x  ∈  . Weiter sei p = 1. Dann gilt f ′(p) = 3, sodass die Tangente g von f an der Stelle p gegeben ist durch

g(x)  =  f (p) + f ′(p)(x − p)  =  1 + 3(x − 1)  =  3x − 2  für alle x  ∈  .

Damit ist

f (x)  =  g(x)  +  o(x − 1)  für x  1.

In Termnotation können wir schreiben:

x3  =  3x − 2 + o(x − 1)  für x  1.