Konvergenzkriterien für unendliche Reihen
Wir betrachten drei klassische Kriterien, mit denen sich in vielen Fällen die Konvergenz einer Reihe feststellen lässt.
Satz (Leibniz-Kriterium für alternierende Reihen)
Sei (xn)n ∈ ℕ eine monoton fallende Nullfolge. Dann konvergiert
∑n (−1)n xn = x0 − x1 + x2 − x3 + …
Der Beweis besteht in der Beobachtung, dass die Partialsummen
sn = ∑k ≤ n (−1)k xk
eine konvergente (in x0 rechtsstartende) Pendelfolge bilden.
Beispiele
Die unendlichen Reihen
∑n ≥ 1 (−1)n − 1n = 1 − 12 + 13 − 14 + …(alternierende harm. Reihe)
∑n ≥ 1 (−1)n − 12n − 1 = 1 − 13 + 15 − 17 + … (Leibniz-Reihe)
konvergieren nach dem Leibniz-Kriterium. Weitaus schwieriger als die Feststellung der Konvergenz ist die Berechnung der Grenzwerte. Man kann zeigen, dass die alternierende harmonische Reihe gegen log(2) und die Leibniz-Reihe gegen π/4 konvergiert; der Leser vergleiche hierzu die Taylor-Entwicklungen des Logarithmus und Arkustangens in Abschnitt 2.
Unser zweites Kriterium ist:
Satz (Majoranten-Kriterium)
Sei ∑n yn eine konvergente Reihe positiver reeller Zahlen. Weiter sei (xn)n ∈ ℕ eine Folge in ℝ mit |xn| ≤ yn für alle n. Dann konvergiert ∑n xn.
Zum Beweis zeigt man, dass die Partialsummen der Folge (xn)n ∈ ℕ eine Cauchy-Folge bilden. Gelten die Voraussetzungen des Satzes, so sagen wir auch, dass die Reihe ∑n xn durch die konvergente Reihe ∑n yn majorisiert wird.
Majorisierung durch eine geometrische Reihe ∑n qn mit q = 9/10: Eine Reihe ∑n xn konvergiert, falls jedes xn im n-ten Intervall [ − qn, qn ] liegt.
Das Kriterium führt im Zusammenspiel mit der geometrischen Reihe zu:
Satz (Quotienten-Kriterium)
Sei ∑n xn eine unendliche Reihe mit xn ≠ 0 für alle n. Es gebe ein q ∈ ] 0, 1 [ mit der Eigenschaft
|xn + 1xn| ≤ q für alle n ∈ ℕ.
Dann konvergiert ∑n xn.
Beweis
Sei q wie im Satz. Dann gilt
|x1| ≤ q |x0|, |x2| ≤ q |x1| ≤ q2 |x0|, …
Induktiv ergibt sich
|xn| ≤ |x0| qn für alle n ∈ ℕ.
Damit wird die Reihe ∑n xn durch die (wegen q < 1 konvergente) skalierte geometrische Reihe | x0 | ∑n qn majorisiert.
Warnung
Im Quotientenkriterium ist es wichtig, dass die Schranke q der Quotienten kleiner als 1 ist. Es genügt nicht, dass alle Quotienten kleiner als 1 sind. Entsprechende Beispiele diskutieren wir in den Übungen.
Für Anwendungen ist nützlich:
Gültigkeit ab einer Stelle im Quotienten-Kriterium
Da die Konvergenz einer unendlichen Reihe nicht von endlich vielen Summanden abhängt, genügt es im Majoranten- und Quotientenkriterium, wenn die Bedingungen ab einer Stelle n0 gelten, also zum Beispiel
|xn + 1xn| ≤ 910 für alle n ≥ 5
erfüllt ist.
Ein Beispiel für eine derartige Abschätzung der Quotienten ab einer Stelle liefert die folgende vielleicht wichtigste Anwendung des Quotientenkriteriums, mit der wir eine Hypothek einlösen können:
Konvergenz der Exponentialreihe
Sei x ∈ ℝ beliebig. Wir betrachten die Exponentialreihe
∑n xnn! = 1 + x + x22 + x33! + …
Sei nun n0 eine natürliche Zahl mit n0 ≥ 2|x|. Dann gilt
|xn + 1/(n + 1)!xn/n!| = |x|n + 1 ≤ 12 für alle n ≥ n0.
Damit konvergiert die Exponentialreihe für x nach dem Quotientenkriterium.
Der Konvergenzbeweis verwendet letztendlich eine Majorisierung durch eine geometrische Reihe.