Eigenwerte und Eigenvektoren

 Sei A  ∈  2 × 2. Für jeden Vektor v der Ebene ist Av wieder ein Vektor der Ebene und zudem eine Linearkombination der Spaltenvektoren von A. Für manche Vektoren v kann ein besonders einfacher Zusammenhang zwischen v und Av bestehen. Beispiele sind:

A v  =  vFixpunkt
A v  =  −vSpiegelung am Nullpunkt
A v  =  rotπ/2(v)  =  (−v2, v1)Drehung um π/2 gegen den Uhrzeigersinn

Für die Theorie der Matrizen ist der Fall einer Skalierung, d. h.

A v  =  λv  für ein λ  ∈  ,

von großer Bedeutung. Wir definieren:

Definition (Eigenwert, Eigenvektor, Eigenpaar)

Seien A  ∈  2 × 2, λ  ∈   und v  ∈  2 mit v ≠ 0. Dann heißt λ ein Eigenwert und v ein zu λ gehöriger Eigenvektor von A, falls Av = λv. Weiter heißt (λ, v) ein Eigenpaar von A.

 Ein Eigenwert kann der Skalar 0 sein, ein Eigenvektor ist nach Definition dagegen immer vom Nullvektor verschieden. Der Grund für diese Einschränkung ist, dass A 0 = 0 = λ 0 für alle λ  ∈   gilt, sodass jeder Skalar ein Eigenwert von A wäre, wenn wir den Nullvektor als Eigenvektor zulassen würden.

 Ist v ein Eigenvektor von A zum Eigenwert λ, so gilt

A(μv)  =  μ A v  =  μ λ v  =  λ(μ v)  für alle μ  ∈  ,

sodass für μ ≠ 0 auch μv ein Eigenvektor von A zum Eigenwert λ ist. Insbesondere ist der normierte Vektor v̂ ein Eigenvektor von A zum Eigenwert λ.

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(2, v) und (−1, w) sind Eigenpaare von A

Beispiele

(1)

Für die Einheitsmatrix E2 ist jeder Vektor v ≠ 0 ein Eigenvektor zum Eigenwert 1.

(2)

Für eine Diagonalmatrix A = ((a, 0), (0, d) ist e1 ein Eigenvektor zum Eigenwert a und e2 ein Eigenvektor zum Eigenwert d.

(3)

Ist A eine Rotationsmatrix um den Winkel φ  ∈  ] 0, 2π [ mit φ ≠ π, so hat A keine Eigenwerte und Eigenvektoren.

(4)

Beschreibt A die Spiegelung an einer Geraden G(v) = span(v), so ist v ein Eigenvektor von A zum Eigenwert 1 und rotπ/2(v) = (−v2, v1) ein Eigenvektor von A zum Eigenwert −1.

(5)

Ist Av = 0 und v ≠ 0, so ist v ein Eigenvektor zum Eigenwert 0. Damit ist 0 genau dann ein Eigenwert von A, wenn A singulär ist.

Berechnung der Eigenwerte und Eigenvektoren

 Sei nun A = ((a, b), (c, d))  ∈  2 × 2. Wie stellt man fest, ob A Eigenwerte besitzt und wie berechnet man Eigenwerte und Eigenvektoren im Fall der Existenz? Wir beobachten hierzu, dass für alle λ  ∈   und alle v  ∈  2 gilt:

Av  =  λv  genau dann, wenn(A − λE2) v  =  0.

Setzen wir also

Aλ  =  A − λ E2  =  abcd −  λ00λ =  aλbcdλ  für alle λ  ∈  ,

so ist λ genau dann ein Eigenwert von A, wenn das homogene Gleichungssystem

Aλv  =  0

eine vom Nullvektor verschiedene Lösung v besitzt, also nicht eindeutig lösbar ist. Dies ist äquivalent dazu, dass det(Aλ) = 0. Für alle λ  ∈   gilt:

det(Aλ) =  (a − λ)(d − λ) − bc  =  λ2  −  (a + d) λ  +  ad − bc
=  λ2  −  spur(A) λ  +  det(A).

Diese Überlegung motiviert:

Definition (charakteristisches Polynom)

Sei A  ∈  2 × 2. Dann heißt das Polynom pA :    zweiten Grades mit

pA(λ)  =  λ2 − spur(A) λ + det(A)  für alle λ  ∈ 

das charakteristische Polynom von A.

 Die Eigenwerte von A sind genau die reellen Nullstellen des charakteristischen Polynoms von A. Die Lösungsformel für quadratische Gleichungen und die Formeln von Vieta liefern:

Satz (Existenz von Eigenwerten)

Sei A  ∈  2 × 2. Dann besitzt A genau dann reelle Eigenwerte, wenn

(+)  D  =  spur(A)2 − 4det(A)  =  (a − d)2 + 4bc  ≥  0.

In diesem Fall sind die Eigenwerte gegeben durch

λ1,2  =  spur(A)±D2.

Es gilt λ1 + λ2 = spur(A) und λ1λ2 = det(A). Weiter gilt λ1 = λ2 = spur(A)/2 genau dann, wenn D = 0.

Zugehörige Eigenvektoren finden wir durch Lösen der Gleichungssysteme

Aλ1v  =  0  und  Aλ2v  =  0,

die im Fall λ1 = λ2 zusammenfallen.

Beispiel: Bestimmung von Eigenpaaren

Sei A  =  1121. Dann gilt

pA(λ) = λ2 − 2λ − 1,  D = 8,  D = 22,  λ1,2 = 1 ± 2.

Nichttriviale Lösungen der homogen Gleichungssysteme

Aλ1 v  =  2122v  =  0,  Aλ2 v  =  2122v  =  0

sind v1 = (1, 2) und v2 = (1 , −2). Damit sind 1, v1) und 2, v2) Eigenpaare von A.

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Das charakteristische Polynom der Matrix A