Mehrdimensionale Integrale

 In Analogie zum Riemann-Integral I(f) einer reellen integrierbaren Funktion f : [ a, b ]   lässt sich ein Riemann-Integral für Funktionen des Typs f : P   mit P ⊆ n, P = [ a1, b1 ] × … × [ an, bn ], einführen. Hierzu werden die Begriffe der Partition und der Riemann-Summe verallgemeinert. Das Integral wird dann erneut durch

I(f)  =  limδ(p)  0 p f   ∈   

definiert, vorausgesetzt, der Grenzwert existiert. Für die Dimension n = 2 besteht eine Partition p eines Rechtecks P = [ a, b ] × [ c, d ] zum Beispiel aus achsenparallelen Rechtecken und zugehörigen Stützstellen in diesen Rechtecken. Bei der Bildung einer Riemann-Summe p f einer Funktion f : [ a, b ] × [ c, d ]   summieren wir die Produkte der Rechtecksflächen mit den Funktionswerten an den Stützstellen.

 Es zeigt sich, dass wir das Integral einer Funktion f : P   mit einem n-dimensionalen Definitionsbereich P in vielen Fällen durch n hintereinander ausgeführte eindimensionale Integrale berechnen können. Wir definieren hierzu:

Definition (schnittweise integrierbar)

Eine Funktion f : [ a, b ] × [ c, d ]   heißt schnittweise integrierbar, wenn für alle x  ∈  [ a, b ] die Funktion fx : [ c, d ]  , fx(y) = f(x, y), und für alle y  ∈  [ c, d ] die Funktion fy : [ a, b ]  , fy(x) = f(x, y), integrierbar ist.

Analog wird der Begriff für höhere Dimensionen erklärt.

 Ist y  ∈  [ c, d ], so erhalten wir die reelle Funktion fy : [ a, b ]  , indem wir den dreidimensionalen Graphen von f mit der Ebene Ey =  × { y } ×  schneiden und diesen Schnitt als Funktion auf [ a, b ] lesen. Analoges gilt für die Schnitte fx.

 Man kann zeigen, dass jede stetige Funktion schnittweise integrierbar ist. Weiter gilt:

Satz (Berechnung als Mehrfachintegral)

Sei f : [ a, b ] × [ c, d ]   schnittweise integrierbar. Dann gilt

I(f)  =  dcbaf(x, y) dx dy  =  badcf(x, y) dy dx.

Eine analoge Aussage gilt für höhere Dimensionen.

 Für den Fall n = 2 erlaubt der Satz die Berechnung von I(f) durch die Berechnung zweier eindimensionaler Integrale. Dabei können wir frei wählen, ob wir zuerst nach der ersten oder zweiten Variablen integrieren. Abhängig vom Integranden kann die eine Variante einfacher sein als die andere.

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Der y-Schnitt g : [ −1, 1 ]   für y = −1/2 der Funktion f : [−1, 1 ]2   mit

f(x, y)  =  1 − x2 − y2  für alle (x, y)  ∈  [ −1, 1 ]2.

Wir schneiden f mit  × { −1/2 } ×  und lesen den Schnitt als Funktion auf [ −1, 1 ].

Beispiel 1:  Vertauschung der Integrationsreihenfolge

Sei f : [ 0, 1 ] × [ 0, 2 ]   definiert durch

f(x, y)  =  3x2y  für alle (x, y)  ∈  [ 0, 1 ] × [ 0, 2 ].

Dann gilt

I(f)  =  2010 3x2y dx dy  =  20 x3yx=0x=1 dy  =  20 y dy  =  2.

Mit der anderen Integrationsreihenfolge ergibt sich

I(f)  =  1020 3x2y dy dx  =  10 3x2y2/2y=0y=2 dx  =  10 6x2 dx  =  2.

 Interessanter ist:

Beispiel 2:  Kugelvolumen

Sei r ≥ 0, und sei

K  =  { (x, y, z)  ∈  3 | x2 + y2 + z2  ≤  r2 }  ⊆  3

die Vollkugel im 3 mit Radius r und Mittelpunkt 0. Zur Berechnung des Volumens V(K) von K betrachten wir die Funktion f : [ −r, r ]2   mit

f(x,y)=r2(x2+y2),falls x2+y2r2,0sonst.

Der Graph der Funktion f besteht aus der Nullfortsetzung der oberen Hälfte der Kugeloberfläche auf das Quadrat [ −r, r ]2. Es gilt V(K) = 2I(f). Für jedes y  ∈  [ −r, r ] ist das Integral über den Schnitt fy : [ −r, r ]   der Flächeninhalt eines Halbkreises mit dem von y abhängigen Radius

ry  =  r2y2.

Damit gilt

r−r fy(x) dx  =  r−r f(x, y) dx  =  12 (r2 − y2) π  für alle y  ∈  [ −r, r ].

Wir erhalten also

V(K) =  2 I(f)  =  2 r−r r−r f(x, y) dx dy  =  π  r−r r2 − y2 dy
=  π r2yy3/3y=ry=r  =  π ( 2 r3  −  2 r33)  =  43r3 π.
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Die obere Hälfte der Oberfläche der Kugel mit dem Radius r = 1 wird dargestellt durch

f(x, y)  =  1 − x2 − y2  für alle (x, y) mit x2 + y2 ≤ 1.

Ein y-Schnitt ist ein Halbkreis mit Radius ry  =  1y2.