Inhalte von Rotationsflächen
Zum Abschluss diskutieren wir noch eine Formel für den Flächeninhalt einer dreidimensionalen Rotationsfläche. Eine solche Fläche erhalten wir, indem wir die Spur einer in einer Ebene verlaufenden Kurve um eine Achse rotieren. Wir beschränken uns im Folgenden auf Kurven, die in der rechten Hälfte der x-z-Ebene verlaufen und um die z-Achse rotiert werden. Der Leser denke an das Töpfern zur Visualisierung der entstehenden Rotationsflächen.
Definition (Rotationsfläche einer Kurve)
Sei f : [ a, b ] → ℝ3 eine Kurve mit f1(t) ≥ 0 und f2(t) = 0 für alle t ∈ [ a, b ]. Weiter sei f injektiv auf ] a, b [. Dann heißt f eine Rotationskurve und
ρ(f) = { (x, y, f3(t)) ∈ ℝ3 | t ∈ [ a, b ], x2 + y2 = f1(t)2 }
die durch f erzeugte Rotationsfläche.
Rotationsfläche der Kurve f : [ 0, 2π] → ℝ3 mit f (t) = (t, 0, cos t + 1/4 cos(4t) + 5/4)
Unser Ziel ist die Berechnung der Oberfläche (genauer: des Oberflächeninhalts) Ar(ρ(f)) der Fläche ρ(f).
Warnung
Ein naives Aufintegrieren von Kreisumfängen führt in der Regel zu falschen Ergebnissen. Integrieren wir zum Beispiel die Umfänge der Breitenkreise einer Kugel K mit Radius r und Mittelpunkt 0, so erhalten wir
∫r−r 2π dz = 2πr2π/2 = π2r2,
also nicht den korrekten Wert 4r2π.
Die Grundmethode „Approximation und Grenzwertbildung“ der Analysis liefert eine korrekte Formel. Approximieren wir eine Rotationskurve f : [ a, b ] → ℝ3 durch einen Polygonzug, so ist das zugehörige Rotationsgebilde aus den Mantelflächen von Kegelstümpfen (abgeschnittenen Kreiskegeln) zusammengesetzt. Die Mantelfläche eines Kegelstumpfes der Höhe h mit den Radien r1 und r2 berechnet sich elementargeometrisch zu
(+) π (r1 + r2) s, wobei s = .(Mantelflächenformel)
Die Größe s ist dabei die Länge einer Mantellinie des Kegelstumpfes.
Ein Kegelstumpf mit Radien r1 > r2 und Höhe h. Im Fall r1 < r2 verjüngt sich der Stumpf nach unten. Im Fall r1 = r2 ergibt sich ein Zylinder, im Fall h = 0 ein Kreisring.
Bemerkung
Die Formel (+) liefert im degenerierten Fall h = 0 die Fläche
π (r1 + r2) s = π (r1 + r2)|r1 − r2| = π max(r1, r2)2 − π min(r1, r2)2
eines Kreisrings mit den Radien r1 und r2.
Ist nun p = (tk)k ≤ n eine stützstellenfreie Partition von [ a, b ], so ist nach (+)
Ar(p, f) = ∑k ≤ n π(f1(tk) + f1(tk + 1)) ∥ f(tk + 1) − f (tk) ∥
eine Approximation an Ar(ρ(f)). Ist p sehr fein, so ist π(f1(tk + 1) + f1(tk)) für alle t ∈ [ tk, k + 1 ] ungefähr gleich 2πf1(t). Fügen wir 1/Δk · Δk mit Δk = tk + 1 − tk an die Norm an, so wird folgendes Ergebnis plausibel:
Satz (Inhalt der Rotationsfläche einer Kurve)
Sei f : [ a, b ] → ℝ3 eine stetig differenzierbare Rotationskurve. Dann gilt
Ar(ρ(f)) = ∫ba2 π f1(t) ∥ f ′(t) ∥ dt.
Ist die Kurve f durch einen Graphen auf der z-Achse definiert, d. h. gibt es eine Funktion g : [ a, b ] → [ 0, ∞ [ mit
f (t) = (g(t), 0, t) für alle t ∈ [ a, b ],
so erhalten wir die speziellere Formel
Ar(ρ(f)) = ∫ba2 π g(t) dt.
Der Leser vergleiche die Formeln mit den entsprechenden Ergebnissen für die Längen von Kurven.
Beispiel 1: Kugeloberfläche
Sei r > 0 und f : [ 0, π ] → ℝ3 definiert durch
f (t) = r (sin t, 0, cos t) für alle t ∈ [ 0, π ].
Dann ist ρ(f) die Oberfläche einer Kugel K mit Radius r. Die Norm der Ableitung der Kurve f ist konstant gleich r, sodass
Ar(ρ(f)) = ∫π02 π r sin(t) r dt = = 4 r2 π.
Beispiel 2: Oberfläche eines Torus
Seien R ≥ r > 0, und sei f : [ 0, 2π ] → ℝ3 mit
f (t) = (r cos(t) + R, 0, r sin(t)) für alle t ∈ [ 0, 2π ].
Die Spur von f ist ein Kreis in der rechten Hälfte der x-z-Ebene mit Radius r und Mittelpunkt (R, 0, 0). Die Norm der Ableitung von f ist erneut konstant gleich r. Der durch Rotation der Kurve um die z-Achse entstehende Torus T = ρ(f) hat damit die Oberfläche
Ar(ρ(f)) | = ∫2π02π (r cos(t) + R) r dt |
= 2 π r = 2π r 2 π R = 4 π2 r R. |
Eine numerische Approximation
Zum Abschluss möchten wir die Oberfläche der Einheitssphäre
S2 = { (x, y, z) ∈ ℝ3 | x2 + y2 + z2 = 1 }
noch numerisch mit Hilfe der entwickelten Theorie berechnen. Sei hierzu n ≥ 1 gegeben. Wir setzen δ = 2/n und teilen das Intervall [ −1, 1 ] der z-Achse durch die Zerlegungspunkte
t0 = −1, t1 = −1 + δ, t2 = −1 + 2δ, …, tn = 1
in n gleichlange Intervalle der Länge δ auf. Nun betrachten wir die n Kegelstümpfe der Höhe δ, deren Radien durch die Funktion g : [ −1, 1 ] → ℝ mit
g(z) = für alle z ∈ [ −1, 1 ]
definiert sind. Sei also rk = g(tk) für alle k ≤ n. Dann ist
An = ∑0 ≤ k < n π(rk + rk + 1)
eine Approximation an die Oberfläche von S2. Es gilt
limn An = 4π = 12,56637061…
Die folgende Tabelle zeigt einige gerundete Werte von An und 4π − An.
n | An | 4π − An |
4 | 11,51049 | 1,0559 |
6 | 12,06174 | 0,50463 |
8 | 12,26840 | 0,29797 |
10 | 12,36866 | 0,19771 |
20 | 12,51150 | 0,054871 |
50 | 12,55644 | 0,0099308 |
100 | 12,56367 | 0,0027004 |
Approximation der Einheitssphäre durch 4, 6, 8 und 10 gleichhohe Kegelstümpfe