Grundbegriffe der Graphentheorie
Bevor wir Graphen genauer untersuchen, vereinbaren wir noch:
Vereinfachte Angabe der Kanten
Wir notieren eine Kante { a, b } oft kurz als ab oder a-b.
Damit bedeutet ab ∈ K also { a, b } ∈ K. Da wir ungerichtete Graphen betrachten, ist ab immer gleichwertig zu ba. Sobald gerichtete Graphen zugelassen werden, müssen wir ab (die gerichtete Kante von a nach b) von ba (die gerichtete Kante von b nach a) unterscheiden.
Beispiel
Den Graphen des obigen Beispiels können wir nun in der besser lesbaren Form G = (E, K) mit E = { 1, 2, 3, 4 }, K = { 12, 13, 14, 23, 34 } angeben. Sobald die Ecken zweistellig sind, können Klammern oder die Notation a-b verwendet werden, um zum Beispiel die Kante 11-2 = { 2, 11 } von der Kante 1-12 = { 1, 12 } zu unterscheiden.
Wir erinnern zudem an:
Definition (Mächtigkeit oder Kardinalität einer endlichen Menge)
Für eine endliche Menge M sei |M| die Anzahl der Elemente von M. Die natürliche Zahl |M| heißt die Mächtigkeit oder Kardinalität von M. Gilt |M| = n für eine endliche Menge, so heißt M eine n-elementige Menge oder eine Menge mit genau n Elementen.
Ist M = { a1, …, an } mit paarweise verschiedenen ai, so gilt |M| = n. Ist dagegen M = { b1, …, bm } gegeben ohne weitere Information über die Elemente bi, so gilt |M| ≤ m, da z. B { 1, 2 } = { 1, 1, 2 } = { 1, 2, 1, 2 }.
Ordnung und Größe
Nach diesen Vorbereitungen definieren wir:
Definition (Ordnung, Größe)
Sei G = (E, K) ein Graph. Dann heißt |E| die Ordnung und |K| die Größe von G.
Dass die Größe über die Kantenmenge und nicht über die Eckenmenge erklärt wird, hat seine Gründe in der Komplexitätstheorie für graphentheoretische Algorithmen: In der Regel ist |K| das Maß, das über die Laufzeit eines Algorithmus entscheidet und nicht |E|.
Beispiele
(1) | Der Graph G = ({ 1, 2, 3 }, ∅) hat die Ordnung 3 und die Größe 0. |
(2) | Der Graph G = ({ 1, 2, 3, 4, 5 }, { 12, 24 } } hat die Ordnung 5 und die Größe 2. Streichen der an keinen Kanten beteiligten Ecken 3 und 5 liefert den Graphen G′ = ({ 1, 2, 4 }, { 12, 24 } } der Ordnung 3 mit unveränderter Größe 2. |
Aus der Ordnung ergibt sich eine Schranke für die Größe:
Satz (Größenabschätzung)
Sei G = (E, K) ein Graph der Ordnung n. Dann gilt 2|K| ≤ n (n − 1).
Beweis
Sei M = { { a, b } | a, b ∈ E, a ≠ b } die Menge aller Teilmengen von E mit genau zwei Elementen. Dann gilt
|M| = = n (n − 1)2.
Wegen K ⊆ M folgt die Abschätzung.
Alternativ können wir auch Adjazenz-Matrizen und eine Gauß-Summe verwenden, um diese Abschätzung zu erhalten. Denn eine Adjazenz-Matrix eines Graphen mit n Ecken ist durch die 1 + … + (n − 1) = n (n − 1)/2 Einträge oberhalb (bzw. unterhalb) der Hauptdiagonalen bestimmt. Diese Einträge entsprechen genau den möglichen Kanten des Graphen.
Nachbarschaftsverhältnisse
Viele der folgenden Begriffe sind beinahe selbsterklärend:
Definition (Nachbarn, Grad, isolierte Ecke, Gradfolge)
Sei G = (E, K) ein Graph. Sind a, b Ecken von G mit ab ∈ K, so heißen die Ecken a und b benachbart und a ein Nachbar von b in G. Wir setzen
N(a) | = { b ∈ E | b ist Nachbar von a },(Menge der Nachbarecken) |
d(a) | = |N(a)|.(Grad einer Ecke) |
Eine Ecke a heißt isoliert, falls d(a) = 0.
Ordnen wir die Ecken von G als Folge e1, …, en so an, dass d(ei) ≤ d(ei + 1) für alle 1 ≤ i < |E| gilt, so heißt d(e1), …, d(en) die Gradfolge von G.
Die Nachbarschafts- und Gradbildung können wir als Funktionen auf der Eckenmenge auffassen. Es gilt
N : E → ℘(E) mit ℘(E) = { A | A ⊆ E }, d : E → ℕ.
Anordnung der Gradfolge
In der Gradfolge ordnen wir die Grade von klein nach groß. Die Gradfolge wird in der Literatur oft auch umgekehrt (von groß nach klein) definiert.
Beispiel
Sei G = (E, K) mit E = { 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 } und
K = { 13, 14, 16, 17, 34, 35, 45, 47, 56 }).
Dann gilt
N(1) = { 3, 4, 6, 7 } | N(2) = { } | N(3) = { 1, 4, 5 } |
N(4) = { 1, 3, 5, 7 } | N(5) = { 3, 4, 6 } | N(6) = { 1, 5 } |
N(7) = { 1, 4 } |
Damit ergibt sich für die Gradfunktion
d(1) = 4, d(2) = 0, d(3) = 3, d(4) = 4, d(5) = 3, d(6) = 2, d(7) = 2.
Die Gradfolge von G ist 0, 2, 2, 3, 3, 4, 4.
Dass in diesem Beispiel die Summe 0 + 2 + 2 + 3 + 3 + 4 + 4 = 18 über alle Grade das Doppelte der Anzahl 9 der Kanten ist, ist kein Zufall. Unser erstes bemerkenswertes Ergebnis der Graphentheorie ist:
Satz (Gradsumme)
Sei G = (E, K) ein Graph der Größe k = |K|. Dann gilt
∑a ∈ E d(a) = 2k.
Beweis
Jede Kante hat genau zwei Nachbarn und trägt damit genau 2 zur Gradsumme bei. Genauer zeigt man die Behauptung durch Induktion nach der Größe k ≥ 0 (Übung).