Die Kürzungsregeln und das Lösen von Gleichungen
Die Invertierbarkeit eines Elements erlaubt Umformungen von Gleichungen, wie wir sie von den Zahlbereichen gewohnt sind. Wir beginnen mit:
Satz (Kürzungsregeln)
Sei M ein Monoid, und sei a ∈ M invertierbar. Dann gilt für alle b, c ∈ M:
(a) | a ∘ b = a ∘ c impliziert b = c,(Linkskürzungsregel) |
(b) | b ∘ a = c ∘ a impliziert b = c.(Rechtskürzungsregel) |
Beweis
Zum Beweis der ersten Aussage nehmen wir an, dass a ∘ b = a ∘ c gilt. Dann ist a−1 ∘ a ∘ b = a−1 ∘ a ∘ c. Hieraus erhalten wir e ∘ b = e ∘ c und damit b = c. Die zweite Aussage wird analog bewiesen.
Wir können den Beweis auch einzeilig so organisieren:
b = e ∘ b = a−1 ∘ a ∘ b = a−1 ∘ a ∘ c = e ∘ c = c.
Das Argument zeigt besonders schön das Zusammenspiel von „invers“ und „neutral“. Stillschweigend wird das Assoziativgesetz verwendet, indem Klammern unterdrückt werden. Wichtig ist:
Hinter dem „Wegstreichen“ von a in den Kürzungsregeln steht das Einbringen von Inversen auf beiden Seiten.
Dies ist uns vom Kürzen reeller Gleichungen bekannt, auch wenn wir es aus Gewohnheit fast nicht mehr wahrnehmen: In 2b = 2c können wir beide Seiten von links mit 2−1 = 1/2 multiplizieren und so 1b = 1c und damit b = c erhalten. Dagegen können wir in 0 · 4 = 0 · 7 die 0 nicht kürzen, da sie kein Inverses besitzt.
Eine weitere Folge der Invertierbarkeit ist:
Satz (eindeutige Lösbarkeit von Gleichungen)
Sei M ein Monoid, und sei a ∈ M invertierbar. Dann gilt für alle c ∈ M:
(a) | a ∘ x = c ist in M eindeutig lösbar durch x = a−1 ∘ c, |
(b) | x ∘ a = c ist in M eindeutig lösbar durch x = c ∘ a−1. |
Beweis
Zum Beweis der ersten Aussage setzen wir zunächst x = a−1 ∘ c. Dann gilt
a ∘ x = a ∘ a−1 ∘ c = e ∘ c = c,
sodass x eine Lösung ist. Ist umgekehrt x ∈ M derart, dass a ∘ x = c, so zeigt die Verknüpfung beider Seiten mit a−1 von links, dass x = a−1 ∘ c. Dies zeigt die Eindeutigkeit der Lösung. Die zweite Aussage wird analog bewiesen.
Aus dem Satz ergibt sich:
Korollar (Bijektivität der Translationen)
Sei M ein Monoid, und sei a ∈ M invertierbar. Dann sind die Translationen ℓa : M → M und ra : M → M bijektiv.
Beweis
Die Eindeutigkeit der Lösbarkeit von a ∘ x = c für alle c ∈ M besagt, dass es für alle c genau ein b gibt mit ℓa(b) = c. Also ist ℓa : M → M bijektiv. Analoges gilt für ra : M → M.
Ist also a invertierbar in M, so sind die a-Zeile und a-Spalte der Operationstafel Umordnungen der Monoidelemente. Ein bemerkenswertes Ergebnis! Die vergleichsweise harmlose Forderung eines symmetrischen e-Eintrags in der a-Zeile und a-Spalte zieht Permutationen nach sich. Ein Beispiel:
Operationstafel von AA für A = { 1, 2, 3 }. Invertierbar sind 123, 132, 213, 231, 312, 321.
Die entsprechenden Zeilen und Spalten (und nur diese) sind Permutationen.