Rechenregeln in Ringen

 In einem Ring (R, +, ·, 0, 1) steht uns neben der Addition und Multiplikation wie in jeder additiven Gruppe (R, +, 0) eine Subtraktion − : R × R  R mit

a  −  b  =  a  +  (−b)  für alle a, b  ∈  R

zur Verfügung. Für die Operationen gelten viele von den Zahlbereichen vertraute Rechenregeln. Die einfachsten sind:

Satz (Rechenregeln in Ringen, I)

Sei R ein Ring, und seien a, b, c  ∈  R. Dann gilt:

(i)

a0  =  0  =  0a,(Nullprodukt)

(ii)

(−a)b  =  − (ab)  =  a(−b),(Ausklammern von Minus)

(iii)

(−a)(−b)  =  ab,(Minus mal Minus gleich Plus)

(iv)

a(b − c)  =  ab − ac,  (a − b)c  =  ac − bc.(Distributivgesetze für Minus)

Beweis

zu (i):  Nach dem linksseitigen Distributivgesetz gilt

a0  =  a(0 + 0)  =  a0  +  a0.

Folglich ist 0 = a0 nach der Kürzungsregel. Analog ist 0 = 0a.

zu (ii):  Es gilt

0  =  (a − a)b  =  (a + (−a))b  =  ab  +  (−a)b.

Folglich ist −(ab) = (−a)b. Analog ist −(ab) = a(−b).

zu (iii):  Zweimalige Anwendung von (ii) liefert

(−a)(−b)  =  −(a (−b))  =  −−(ab)  =  ab,

wobei wir im letzten Schritt die Inversenregeln für + verwendet haben.

zu (iv):  Unter Verwendung von (ii) gilt

a(b − c)  =  a (b + (−c))  =  ab + a(−c)  =  ab + (−ac)  =  ab − ac.

Die zweite Regel wird analog bewiesen.

 Die erste Eigenschaft zeigt, dass die umgekehrte Implikation der Nullteilerfreiheit in jedem Ring gilt: Ist einer der Faktoren gleich 0, so auch das Produkt.

 Der Leser beachte, dass das Distributivgesetz in unserem Beweis von „Minus mal Minus gleich Plus“ eine wichtige Rolle spielt. Dass (−a)b = −(ab) gilt, lässt sich nicht mit dem Assoziativgesetz beweisen, da das Minuszeichen eine Transformation auf dem Ring und kein Ringelement bezeichnet.

Regeln in kommutativen Ringen

 In kommutativen Ringen gelten viele weitere Regeln, zu denen insbesondere der Binomische Lehrsatz gehört. Wir formulieren die Regeln allgemein für kommutierende Elemente eines Rings.

Satz (Rechenregeln in Ringen, II)

Sei R ein Ring, und seien a, b  ∈  R kommutierende Elemente, d. h. es gelte ab = ba. Dann gilt für alle n  ∈  :

(i)an  −  bn =  (a − b)(an − 1  +  an − 2 b1  +  …  +  a1 bn − 2  +  bn − 1)
=  (an − 1  +  an − 2 b1  +  …  +  a1 bn − 2  +  bn − 1)(a − b),
(ii)an  −  1 =  (a − 1)(a0  +  a1  +  …  +  an − 2  +  an − 1)
=  (a0  +  a1  +  …  +  an − 2  +  an − 1)(a − 1),
(iii)(a  +  b)n =  0 ≤ k ≤ n nk an − k bk.(Binomischer Lehrsatz)

 Der Beweis sei dem Leser zur Übung überlassen. Die Regeln sind in vielen Bereichen der Mathematik von Bedeutung, etwa in der Zahlentheorie bei der Untersuchung der Teilbarkeit oder in der Analysis bei der Berechnung der Ableitung d/dx xn = nxn − 1. Besonders prominent ist die geometrische Reihe: Im Fall R =  und a ≠ 1 ist die zweite Regel äquivalent zu

k ≤ n ak  =  1 − an + 11 − a.(geometrische Summe)

Durch Grenzübergang ergibt sich die Formel n ≥ 0 an = 1/(1 − a) für |a| < 1. In einem Ring steht aber eine Division (und auch ein Grenzübergang „n gegen ∞“) im Allgemeinen nicht zur Verfügung.

Die Addition von Brüchen in kommutativen Ringen

 Ist (R, +, ·, 0, 1) ein kommutativer Ring, so können wir die Bruchnotation für das kommutative Monoid (R, ·, 1) verwenden:

ab  =  a b−1  für alle a  ∈  R und b  ∈  R×.

 Zusätzlich zu den Monoid-Regeln für die Multiplikation von Brüchen gilt nun auch die von den rationalen, reellen und komplexen Zahlen bekannte Additionsregel (Übung):

ab + cd  =  ad  +  bcbd  für alle a, c  ∈  R und b, d  ∈  R×.

Damit ist der Kalkül des Bruchrechnens vollständig etabliert.