Körper
Zahlringe wie ℚ, ℝ oder ℂ sind durch eine kommutative Multiplikation und die Invertierbarkeit aller von der Null verschiedenen Elemente ausgezeichnet. Diese Eigenschaften führen zu folgender Begriffsbildung:
Definition (Körper, Ordnung)
Ein kommutativer Ring (K, +, ·, 0, 1) heißt ein Körper, falls gilt:
(+) K× = K − { 0 }.
Ist K endlich, so heißt |K| die Ordnung von K.
Die Bedingung (+) besagt: (1) Alle von Null verschiedenen Elemente sind Einheiten. (2) Die Null ist keine Einheit. Damit ist der Nullring kein Körper, denn im Nullring ist die 0 wegen 0 · 0 = 0 = 1 eine Einheit. In einem Körper gilt also stets 0 ≠ 1. Äquivalent zur Bedingung (+) ist (Übung):
(++) K* = K − { 0 } bildet mit der Multiplikation des Rings eine Gruppe.
Eine Struktur (K, +, ·, 0, 1) ist also genau dann ein Körper, wenn K mit + und 0 sowie K* mit · und 1 Abelsche Gruppen bildet und zudem die Distributivgesetze gelten. Wie für die Gruppen lässt sich unsere hierarchische Definition in eine Liste von Axiomen auflösen. Eine Struktur (K, +, ·, 0, 1) ist genau dann ein Körper, wenn gilt:
(K1) | ∀a, b, c ∈ K (a + b) + c = a + (b + c)(Assoziativgesetz für +) |
(K2) | ∀a ∈ K a + 0 = a(Neutralität der Null) |
(K3) | ∀a ∈ K ∃b ∈ K a + b = 0(Existenz additiver Inverser) |
(K4) | ∀a, b ∈ K a + b = b + a(Kommutativgesetz für +) |
(K5) | ∀a, b, c ∈ K (ab)c = a(bc)(Assoziativgesetz für ·) |
(K6) | ∀a ∈ K a1 = a(Neutralität der 1) |
(K7) | ∀a ∈ K* ∃b ∈ K ab = 1(Existenz multiplikativer Inverser) |
(K8) | ∀a, b ∈ K ab = ba(Kommutativgesetz für ·) |
(K9) | ∀a, b, c ∈ K a(b + c) = ab + bc(linksseitiges Distributivgesetz) |
(K10) | 0 ≠ 1(Verschiedenheit der neutralen Elemente) |
Wir nennen die Aussagen (K1) − (K10) auch die Körperaxiome. In unserer Liste haben wir die Kommutativität beider Operationen ausgenutzt, um die Axiome zu vereinfachen. Da wir in (K8) Kommutativität für alle Elemente von K fordern, genügt eines der Distributivgesetze.
Beispiele
(1) | ℚ, ℝ, ℂ sind mit der üblichen Addition und Multiplikation Körper. |
(2) | Die algebraischen Zahlen 𝔸 ⊆ ℝ (Nullstellen von Polynomen mit Koeffizienten in ℤ) bilden einen Körper − was nicht leicht zu zeigen ist. |
(3) | Für alle Primzahlen p ist der Restklassenring ℤp ein Körper der Ordnung p. Wir nennen ℤp auch den Restklassenkörper modulo p. Die beiden Operationstafeln des Körpers ℤ7 |
(4) | Wir setzen ℚ[ ] = { a + b | a, b ∈ ℚ }.(Körpererweiterung von ℚ um ) Dann bildet (wie man nachweisen muss) ℚ[] mit der üblichen Addition und Multiplikation einen Körper, der echt zwischen ℚ und 𝔸 liegt. Vorstellung ist, dass wir und möglichst wenige weitere reelle Zahlen zu ℚ so hinzufügen, dass ein Körper entsteht. Mit müssen wir offenbar auch a + b für alle a, b ∈ ℚ hinzufügen. Es ist bemerkenswert, dass diese Elemente bereits ausreichen. Dass die Multiplikation eine Operation auf ℚ[ ] ist, folgt zum Beispiel aus (a + b)(c + d) = (ac + 2bd) + (ad + bc) ∈ ℚ[ ]. Multiplikatives Inverses von a + b, a, b nicht beide gleich 0, ist = = ∈ ℚ[]. In analoger Weise bildet ℚ[ , ] = { a + b + c + d | a, b, c, d ∈ ℚ } einen Körper. Die durch Multiplikation zweier Elemente entstehenden Wurzeln lassen sich durch Abtrennen von Quadraten als Kombination von , , schreiben, etwa = = 3. Derartige Körper spielen in der Algebraischen Zahlentheorie eine Schlüsselrolle. |
Die Division in einem Körper
In einem Körper K ist neben der Addition, Multiplikation und Subtraktion eine Division / : K × K* → K erklärt durch
a/b = a · b− 1 für alle a, b ∈ K mit b ≠ 0.
Die Division ist keine Operation auf K, da ihr Definitionsbereich von K × K verschieden ist. Wie für kommutative Ringe können wir die Bruchnotation verwenden. Es gelten alle Rechengesetze für Brüche.
Zur Sonderrolle der Null
Warum spielt die Null eine Sonderrolle bei der Inversenbildung? Es wäre doch wünschenswert, wenn jedes Element eine Einheit bildete. Nehmen wir einmal an, die Null hätte ein multiplikatives Inverses 0−1, sodass 0 · 0−1 = 1. In Ringen gilt aufgrund der Distributivgesetze 0a = 0 für alle Ringelemente a. Für a = 0−1 ergibt sich 0 · 0−1 = 0 und damit 0 = 0 · 0−1 = 1. Wollen wir also, dass die Null ein Rechtsinverses besitzt und dass die Distributivgesetze gelten, so ist notwendig 0 = 1, was wir nicht wollen. Die Sonderrolle der Null hat nichts mit „man darf nicht durch 0 teilen“ und „1/0 wäre unendlich“ zu tun. Die Invertierbarkeit der Null ist mit anderen algebraischen Gesetzen (die man natürlich zur Diskussion stellen kann) nicht verträglich. Positiv denkend halten wir aber fest: In einem Körper sind glücklicherweise alle Elemente bis auf eine Ausnahme invertierbar.
Nullteilerfreiheit
Unser erster Satz über Körper ist:
Satz (Nullteilerfreiheit)
Jeder Körper ist nullteilerfrei.
Beweis
Sei K ein Körper, und seien a b ∈ K mit ab = 0. Ist a ≠ 0, so existiert das Inverse a−1 von a, sodass b = a−1 0 = 0. Dies zeigt, dass a = 0 oder b = 0.
Der Satz hat bemerkenswerte Konsequenzen. Bislang blieb der Typ einer Struktur bei der Produktbildung erhalten: Das Produkt zweier Halbgruppen ist eine Halbgruppe, und das Gleiche gilt für Monoide, Gruppen und Ringe. Sind dagegen K1 und K2 Körper, so ist das Produkt R = K1 × K2 mit den Produktoperationen immer ein Ring, aber niemals ein Körper. Denn im Produkt gilt
(0, 1) · (1, 0) = (0 · 1, 1 · 0) = (0, 0) = 0,
sodass das Produkt nicht nullteilerfrei und damit kein Körper ist. Im Licht dieser Überlegungen ist der Körper ℂ = ℝ2 eine echte Besonderheit. Die Multiplikation auf ℂ ist wesentlich subtiler als eine komponentenweise reelle Multiplikation.