Gruppen-Homomorphismen
Wir betrachten nun Homomorphismen zwischen Gruppen genauer. Die erste Beobachtung ist:
Satz (automatischer Erhalt des neutralen Elements)
Seien (G, ∘, e), (G′, ∘′, e′) Gruppen, und sei φ : G → G′ derart, dass
∀a, b ∈ G φ(a ∘ b) = φ(a) ∘′ φ(b).
Dann gilt φ(e) = e′, sodass φ ein Gruppen-Homomorphismus ist.
Beweis
Da φ die Gruppenoperation respektiert, gilt
φ(e) = φ(e ∘ e) = φ(e) ∘′ φ(e).
Nach der Kürzungsregel in G′ ist also φ(e) = e′.
Analog zeigen wir:
Satz (Erhalt von Inversen)
Sei φ : G → G′ ein Gruppen-Homomorphismus. Dann gilt
φ(a−1) = φ(a)−1 für alle a ∈ G.
Beweis
Sei a ∈ G, und sei b = a−1. Dann gilt
φ(e) = φ(a ∘ b) = φ(a) ∘′ φ(b).
Damit ist φ(b) invers zu φ(a) in G′, sodass
φ(a−1) = φ(b) = φ(a)−1.
Wir können also zuerst das Inverse von a in G bilden und es dann mit φ nach G′ transportieren. Oder wir können zuerst a mit φ nach G′ schicken und dann in G′ das Inverse von φ(a) bilden. Beide Wege sind äquivalent.
Weitere Eigenschaften eines Gruppen-Homomorphismus φ : G → G′ sind (Übung):
(1) | φ(an) = φ(a)n für alle n ∈ ℤ. |
(2) | Ist c die eindeutige Lösung einer Gleichung a ∘ x = b in G, so ist φ(c) die eindeutige Lösung der Gleichung φ(a) ∘′ x = φ(b) in G′. |
(3) | Kommutieren a und b in G, so kommutieren φ(a) und φ(b) in G′. |
Die Umkehrung von Implikationen wie in (3) gilt im Allgemeinen nicht, wie zum Beispiel der Homomorphismus φ : S3 → S3 mit φ(σ) = id für alle σ ∈ S3 zeigt. Sie gilt aber für Isomorphismen φ : G → G′, da mit φ auch φ−1 ein Isomorphismus ist.
Wir betrachten nun einige Beispiele.
Beispiele für Gruppen-Homomorphismen
(1) | Sei φ : ℝ2 → ℝ mit φ(x, y) = x für alle (x, y) ∈ ℝ2. Dann ist φ ein Epimorphismus von (ℝ2, +, 0) nach (ℝ, +, 0). Aus der Sicht der komplexen Zahlen ist φ die Realteilfunktion Re : ℂ → ℝ. |
(2) | Die reelle Exponentialfunktion ist ein Isomorphismus von (ℝ, +, 0) nach (ℝ+, ·, 1). Denn aufgrund des Additionstheorems gilt exp(x + y) = exp(x) · exp(y) für alle x, y ∈ ℝ. Zudem ist exp : ℝ → ℝ+ bijektiv. |
(3) | Die komplexe Konjugation φ : ℂ → ℂ mit φ(z) = z für alle z ∈ ℂ ist sowohl bzgl. der Addition als auch bzgl. der Multiplikation der komplexen Zahlen ein Automorphismus, sodass φ : (ℂ, +, 0) ≅ (ℂ, +, 0) und φ : (ℂ*, ·, 1) ≅ (ℂ*, ·, 1). |
(4) | Sei (G, ∘, e) eine Gruppe, und sei a ∈ G. Wir definieren φ : ℤ → G durch φ(n) = an für alle n ∈ ℤ. Dann ist φ : (ℤ, +, 0) → (G, ∘, e) ein Homomorphismus. Denn für alle n, m ∈ ℤ gilt aufgrund der Potenzregeln in G: φ(n + m) = an + m = an ∘ am = φ(n) ∘ φ(m). |
(5) | Sind G und G′ Gruppen und ist e′ neutral in G′, so ist φ : G → G′ mit φ(a) = e′ für alle a ∈ G ein Homomorphismus. |
(6) | Ist G eine Gruppe, so ist die Identität idG : G → G ein Automorphismus. |
(7) | Sind φ1 : G1 → G2 und φ2 : G2 → G3 Gruppen-Homomorphismen, so ist die Komposition φ = φ2 ∘ φ1 ein Gruppen-Homomorphismus zwischen G1 und G3. Sind φ1, φ2 beide Mono-, Epi-, Endo- oder Automorphismen, so gilt dies auch für φ. |
Die letzten Beispiele motivieren:
Definition (Endomorphismen-Monoid, Automorphismen-Gruppe)
Sei (G, ∘, e) eine Gruppe. Dann setzen wir
End(G) = { φ : G → G | φ ist ein Endomorphismus von (G, ∘, e) },
Aut(G) = { φ : G → G | φ ist ein Automorphismus von (G, ∘, e) }.
Die Strukturen (End(G), ∘, idG) und (Aut(G), ∘, idG) mit der Komposition von Transformationen und der Identität idG auf G heißen das Endomorphismen-Monoid bzw. die Automorphismen-Gruppe von (G, ∘, e).
Die Strukturen End(G) und Aut(G) sind Unterstrukturen des vollen Transformationsmonoids auf G. Genauer gilt
(1) | (Aut(G), ∘, idG) ⊆ (End(G), ∘, idG) ⊆ (GG, ∘, idG). |
(2) | Aut(G) = End(G)×. |
Zudem bildet Aut(G) eine Untergruppe der Permutationsgruppe SG. Im Gegensatz zu Aut(G) enthält SG alle Bijektionen f : G → G, egal ob strukturerhaltend oder nicht.
Die Konstruktionen sind ein Paradebeispiel der algebraischen Methode: Mit algebraischen Strukturen werden immer auch strukturerhaltende Abbildungen zwischen den Strukturen untersucht. Die Homomorphismen bilden dann wieder algebraischen Strukturen. Mit jede Gruppe G haben wir die Automorphismengruppe Aut(G) und damit auch Aut(Aut(G)) usw. Wir werden unten die Automorphismengruppe Aut(S3) der Permutationsgruppe S3 bestimmen.
Ist die Ausgangsgruppe G Abelsch, so können wir auf der Menge aller Endomorphismen von G sogar eine Ring-Struktur einführen:
Definition (Endomorphismen-Ring)
Sei (G, +, 0) eine Abelsche Gruppe. Für φ, ψ ∈ End(G) definieren wir φ + ψ und φ · ψ ∈ End(G) durch
(φ + ψ)(a) = φ(a) + ψ(a) für alle a ∈ G, φ · ψ = φ ∘ ψ.
Dann heißt (End(G), +, ·, 0, 1) mit der Nullabbildung als 0 und der Identität auf G als 1 der Endomorphismen-Ring der Gruppe G.
Da die Multiplikation eines Endomorphismen-Rings eine Komposition ist, ist ein solcher Ring im Allgemeinen nicht kommutativ.
Bemerkung
Die Beschränkung auf Automorphismen liefert keinen „Endomorphismen-Körper“, da die Summe zweier Automorphismen einer Abelschen Gruppe im Allgemeinen kein Automorphismus mehr ist. Der Leser betrachte etwa idℤ + idℤ für die Gruppe (ℤ, +, 0).