Ideale in Ringen

 Bei unserer Untersuchung der Gruppen hatten wir gesehen, dass der Kern eines Gruppen-Homomorphismus immer einen Normalteiler bildet, also eine Untergruppe der Ausgangsgruppe mit guten algebraischen Eigenschaften. Diese Überlegungen erweitern wir nun auf Ringe.

Definition (Kern eines Ring-Homomorphismus)

Seien R, S Ringe, und sei φ : R  S ein Ring-Homomorphismus. Dann setzen wir

Kern(φ)  =  { a  ∈  R | φ(a) = 0 }.(Kern von φ)

Beispiel

Sei R[ X ] der Polynom-Ring über einem kommutativen Ring R. Für alle p  ∈  R[ X ] sei fp : R  R die Auswertungsfunktion des Polynoms p. Sei nun a  ∈  R beliebig. Wir definieren φ : R[ X ]  R durch

φ(p)  =  fp(a)  für alle p  ∈  R[ X ].

Dann ist φ ein Ring-Homomorphismus von R[ X ] nach R. Der Kern von φ ist die Menge der Polynome über R, die a als Nullstelle besitzen.

 Der Kern eines Ring-Homomorphismus ist als Kern des Gruppen-Homomorphismus φ : (R, +, 0)  (S, +, 0) ein Normalteiler von (R, +, 0). Da ein Ring-Homomorphismus die Multiplikation respektiert, ist zu erwarten, dass dieser Normalteiler gute Eigenschaften bezüglich der Ringmultiplikation besitzt. Hierzu definieren wir:

Definition (Ideal eines Rings)

Sei R ein Ring. Ein Teilmenge I von R heißt ein Ideal in R, falls gilt:

(a)

I ist eine Untergruppe von (R, +, 0).

(b)

∀a  ∈  I ∀b  ∈  R (ba  ∈  I ∧ ab  ∈  I).

 Ein Ideal I eines Rings ist abgeschlossen unter der Multiplikation des Rings, da wir den zweiten Allquantor in (b) auf die Menge I spezialisieren können. Die Bedingung (b) lässt sich gerade als Verstärkung der multiplikativen Abgeschlossenheit von I lesen: Ein Ideal I ist abgeschlossen unter der Vervielfachung mit Elementen im gesamten Ring. Ein Ideal ist im Allgemeinen kein Unterring, da die Eins fehlen kann. Ist die Eins ein Element eines Ideals I, so ist I = R (wegen b = 1b  ∈  I für alle b  ∈  R).

 Für Gruppen hatten wir gezeigt: Genau die Normalteiler sind die Kerne von Homomorphismen. Für Ringe gilt nun das analoge Resultat mit Idealen statt Normalteilern. Zunächst haben wir (Übung):

Satz (Ideale und Ring-Homomorphismen, I)

Seien R und S Ringe, und sei φ : R  S ein Ring-Homomorphismus. Dann ist Kern(φ) ein Ideal in R.

 Für die Umkehrung definieren wir in Analogie zu den Faktorgruppen G/N:

Definition (Faktorring, Restklassenring)

Sei R ein Ring, und sei I ⊆ R ein Ideal in R. Wir setzen

R/I  =  { a + I | a  ∈  R },

(a + I) + (b + I) =  (a + b) + I für alle a, b  ∈  R,
(a + I) · (b + I) =  (ab + I) für alle a, b  ∈  R.

Die Struktur (R/I, +, ·, 0, 1) mit 0 = I und 1 = 1 + I heißt der Faktorring oder Restklassenring des Rings R nach oder modulo dem Ideal I.

 Dass (R/I, +, 0) eine Abelsche Gruppe ist, wissen wir bereits aus der Untersuchung von Normalteilern. Man rechnet weiter nach, dass die Multiplikation wohldefiniert ist, und dass der Restklassenring in der Tat ein Ring ist.

 Mit Hilfe von Restklassenringen können wir nun leicht zeigen:

Satz (Ideale und Ring-Homomorphismen, II)

Sei R ein Ring, und sei I ein Ideal in R. Dann gibt es einen Ring S und einen Ring-Homomorphismus φ : R  S mit Kern(φ) = I.

Beweis

Sei φ : R  R/I mit

φ(a)  =  a + I  für alle a  ∈  R.

Dann ist φ ein Ring-Homomorphismus zwischen R und dem Restklassenring R/I. Es gilt Kern(φ) = I.

 Zusammen genommen erhalten wir:

Korollar (Ideale und Kerne von Ringhomomorphismen)

Sei R ein Ring. Dann sind die Ideale in R genau die Kerne von Ring-Homomorphismen auf R.

 Wir betrachten zwei Beispiele.

Beispiele

(1)

Ist R ein kommutativer Ring und a  ∈  R, so ist

aR  =  { ab | b  ∈  R }  =  { ba | b  ∈  R }

ein Ideal in R. Ideale dieser Form heißen Hauptideale des Rings. Für alle a  ∈  R gilt (−a)R = aR.

(2)

Wir betrachten den Ring  der ganzen Zahlen. Für m ≥ 1 und das Hauptideal I = m ist der Faktorring /I der Restklassenring m. Man kann zeigen, dass alle Ideale von  Hauptideale sind, sodass jedes Ideal von der Form m = (−m) mit m  ∈   ist. Für das Ideal 0 = { 0 } ist der Restklassenring /0 isomorph zu : Es gilt a + { 0 } = { a } für alle a  ∈  , sodass durch φ(a) = { a } für alle a  ∈   ein Ring-Isomorphismus von  nach /0 definiert wird.