Zyklische Gruppen
Ist G eine Gruppe und a ∈ G, so ist 〈 a 〉 = { an | n ∈ ℤ } eine Untergruppe von G. Ein ausgezeichneter Fall liegt vor, wenn ein Element a die gesamte Gruppe erzeugt:
Definition (zyklische Gruppe)
Eine Gruppe G heißt zyklisch, wenn es ein a ∈ G gibt mit 〈 a 〉 = G. Jedes derartige a heißt ein erzeugendes Element von G.
In additiver Notation ist a erzeugend, wenn G = { na | n ∈ ℤ }. Wir können „zyklisch“ als Verstärkung von „Abelsch“ ansehen, denn eine zyklische Gruppe ist aufgrund der Potenzregeln stets Abelsch.
Beispiele
(1) | (ℤ, +, 0) ist zyklisch. Erzeugende Elemente sind 1 und −1. |
(2) | Für alle m ≥ 1 ist (ℤm, +, [ 0 ]) zyklisch. Ein [ a ] ∈ ℤm ist genau dann erzeugend, wenn a und m teilerfremd sind. Speziell ist [ 1 ] erzeugend. |
(3) | Sei n ≥ 1. Dann bilden die n-ten komplexen Einheitswurzeln ζ0, …, ζn − 1, wobei ζk = exp(ik2π/n) für alle k, eine zyklische multiplikative Gruppe mit neutralem Element 1 = ζ0. |
(4) | Eine Gruppe mit Primzahlordnung ist zyklisch. Jedes von e verschiedene Element ist erzeugend (nach dem Korollar zum Satz von Lagrange). |
(5) | Die S3 ist, wie jede nichtkommutative Gruppe, nicht zyklisch. |
(6) | Die Kleinsche Vierergruppe ℤ2 × ℤ2 der Ordnung 4 ist Abelsch, aber nicht zyklisch: Es gilt 2a = 0 für alle a, sodass jedes Element a die Untergruppe { 0, a } von ℤ2 × ℤ2 erzeugt. |
(7) | Sei m ≥ 1, und sei ℤm× die Gruppe der invertierbaren Elemente des multiplikativen Restklassenmonoids (ℤm, ·, [ 1 ]). Die Ordnung der Gruppe ℤm× ist φ(m). Die zyklische Frage ist hier keineswegs einfach: Nach einem Satz von Gauß ist die Gruppe ℤm× genau dann zyklisch, wenn m von der Form 1, 2, 4, pe oder 2pe ist mit einer Primzahl p ≥ 3 und e ≥ 1. Speziell ist zum Beispiel ℤ8× = { [ 1 ], [ 3 ], [ 5 ], [ 7 ] } nicht zyklisch. In dieser Gruppe gilt [ 1 ]2 = [ 3 ]2 = [ 5 ]2 = [ 7 ]2 = [ 1 ]. Damit ist ℤ8× isomorph zur Kleinschen Vierergruppe ℤ2 × ℤ2. |
Wir wissen schon, dass die Potenzen …, a−2, a−1, e, a1, a2, … eines Elements a einer Gruppe eine injektive oder eine reinperiodische ℤ-Folge bilden, wobei die Periode das kleinste m ≥ 1 ist mit am = e. (Die Folge ist der ℤ-Orbit der bijektiven Translationen ℓa und ra.) Dies liefert folgenden grundlegenden Satz:
Satz (Klassifikation zyklischer Gruppen)
Sei G eine zyklische Gruppe. Ist G unendlich, so ist G isomorph zu (ℤ, +, 0). Ist G endlich von der Ordnung m, so ist G isomorph zu (ℤm, +, [ 0 ]).
Beweis
Sei G erzeugt durch a. Ist G unendlich, so definiert φ(an) = n für alle n ∈ ℤ einen Isomorphismus φ : G → ℤ. Ist G endlich und m = |G|, so ist m die kleinste positive Zahl mit am = e, und ψ(an) = [ n ] für alle 0 ≤ n < m definiert einen Isomorphismus ψ : G → ℤm.
Bis auf Isomorphie gibt es also nur die zyklischen Gruppen ℤ und ℤ1, ℤ2, ℤ3, … Im Endlichen sind die additiven Restklassengruppen ℤm kanonische Repräsentanten für alle zyklischen Gruppen. Alternativ eignen sich die aus den n-ten Einheitswurzeln gebildeten multiplikativen Gruppen.
Explizit halten wir fest:
Korollar (Klassifikation der Gruppen mit Primzahlordnung)
Sei p prim und G eine Gruppe der Ordnung p. Dann ist G isomorph zur additiven Restklassengruppe ℤp.
Beweis
Nach dem Korollar zum Satz von Lagrange ist G zyklisch (jedes a ≠ e ist erzeugend). Aus dem Klassifikationssatz folgt die Behauptung.
Unser nächstes Ziel ist es, auch die nichtzyklischen endlichen Abelschen Gruppen bis auf Isomorphie zu beschreiben. Hierzu betrachten wir die zyklischen Untergruppen dieser Gruppen. Jedes Element einer Gruppe erzeugt eine Untergruppe, die als eine eigenständige Gruppe zyklisch ist. Wir definieren hierzu:
Definition (Ordnung eines Elements)
Sei G eine Gruppe, und sei a ∈ G. Ist die von a erzeugte Untergruppe 〈 a 〉 unendlich, so setzen wir ordG(a) = ∞. Andernfalls sei ordG(a) = |〈 a 〉|.
Sehr nützlich ist (Übung):
Satz (Ordnung eines Produktelements)
Seien G1, G2 endliche Gruppen, und sei G = G1 × G2. Dann gilt
ordG(a, b) = kgV(ordG1(a), ordG2(b)) für alle (a, b) ∈ G.
Der Satz gilt mit den üblichen Konventionen für ∞ auch für unendliche Gruppen.
Damit können wir zeigen:
Satz (Produkt zyklischer Gruppen)
Seien G1 und G2 endliche zyklische Gruppen der Ordnungen m1 bzw. m2. Dann ist G = G1 × G2 genau dann zyklisch, wenn m1 und m2 teilerfremd sind. Ist dies der Fall, so wird G genau dann von (a, b) ∈ G erzeugt, wenn G1 von a und G2 von b erzeugt wird.
Beweis
Wird G von (a, b) ∈ G erzeugt, so ist { (an, bn) | n ∈ ℤ } = G1 × G2. Dies zeigt, dass G1 von a und G2 von b erzeugt wird. Damit gilt
m1 m2 = |G| = ordG(a, b) = kgV(m1, m2).
Wegen kgV(m1, m2) = m1m2 sind also m1 und m2 teilerfremd.
Ist umgekehrt (m1, m2) = 1, G1 erzeugt von a und G2 erzeugt von b, so ist
ordG(a, b) = kgV(m1, m2) = m1 m2 = |G|,
sodass G durch (a, b) erzeugt wird.
Für die Produkte von Restklassengruppen erhalten wir:
Korollar (Isomorphismen für teilerfremde Produkte)
Seien m1, m2 ≥ 1 teilerfremd, und sei m = m1 m2. Weiter sei die Abbildung φ : ℤm → ℤm1 × ℤm2 definiert durch
φ([ a ]m) = ([ a ]m1, [ a ]m2) = a ([ 1 ]m1, [ 1 ]m2) für alle 0 ≤ a < m.
Dann ist φ ein Isomorphismus zwischen ℤm und ℤm1 × ℤm2.
Konkret ergibt sich zum Beispiel folgender Isomorphismus zwischen den Gruppen ℤ15 und ℤ3 × ℤ5:
a | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 |
φ(a) | (0,0) | (1,1) | (2,2) | (0,3) | (1,4) | (2,0) | (0,1) | (1,2) | (2,3) | (0,4) | (1,0) | (2,1) | (0,2) | (1,3) | (2,4) |
Die Ergebnisse lassen sich induktiv (oder durch Verallgemeinerung der Beweise) auf Produktgruppen mit endlich vielen Faktoren erweitern. Wir erhalten damit:
Korollar (Produkte von Restklassengruppen)
Seien m1, …, mr teilerfremd, und sei m = m1, …, mr. Dann gilt
ℤm ≅ ℤm1 × … × ℤmr.
Ist also n = p1e1 … prer die Primfaktorzerlegung einer Zahl n ≥ 1, so gilt
ℤn ≅ ℤp1e1 × … × ℤprer.
Die Restklassengruppen mit den Primzahlpotenzen auf der rechten Seite können wir nicht mehr isomorph aufspalten. Zum Beispiel ist die zyklische Gruppe ℤ4 = ℤ22 nicht isomorph zur nichtzyklischen Vierergruppe ℤ2 × ℤ2.
Allgemein gilt nun folgender Satz, für dessen Beweis wir den Leser auf die Literatur verweisen:
Satz (Klassifikation endlicher Abelscher Gruppen, I)
Sei G eine Abelsche Gruppe der Ordnung n. Dann gilt:
(a) | G ist isomorph zu einem Produkt der Form ℤa1 × … × ℤar mit n = a1 … ar und Primzahlpotenzen ai (die nicht notwendig paarweise verschiedenen sind). Insbesondere ist G bis auf Isomorphie ein Produkt zyklischer Gruppen. |
(b) | Je zwei verschiedene Zerlegungen n = a1 … ar = b1 … bs von n in Primzahlpotenzen ai und bj führen zu zwei nichtisomorphen Produktgruppen ℤa1 × … × ℤar und ℤb1 × … × ℤbsder Ordnung n. Zerlegungen, die sich nur in der Anordnung der Faktoren unterscheiden, gelten dabei als gleich. |
Um die Anzahl der Abelschen Gruppen der Ordnung n bis auf Isomorphie zu berechnen, müssen wir also nur noch die Anzahl aller Zerlegungen von n in Primzahlpotenzen bestimmen − was schwieriger ist als es auf den ersten Blick aussehen mag. Folgende kombinatorische Funktion spielt dabei eine Schlüsselrolle:
Definition (Partitionsfunktion)
Sei n ≥ 1. Dann definieren wir part(n) als die Anzahl der Möglichkeiten, die Zahl n als Summe positiver Zahlen darzustellen, wobei die Anordnung der Summanden keine Rolle spielt. Die Funktion part : ℕ* → ℕ* heißt die Partitionsfunktion.
Es gilt zum Beispiel
4 = 3 + 1 = 2 + 2 = 2 + 1 + 1 = 1 + 1 + 1 + 1
sodass part(4) = 5 (die Darstellung n mit einem Summanden zählt als Partition). Die fünf Zerlegungen führen zu den fünf nichtisomorphen Abelschen Gruppen
ℤ16, ℤ8 × ℤ2, ℤ4 × ℤ4, ℤ4 × ℤ2 × ℤ2, ℤ2 × ℤ2 × ℤ2 × ℤ2
der Ordnung
16 = 24 = 23 21 = 22 22 = 22 21 21 = 21 21 21 21.
Die Zahl part(n) kann für kleine n bestimmt werden, aber es ist keine allgemeine Berechnungsformel bekannt. Für die Abelschen Gruppen erhalten wir:
Satz (Klassifikation endlicher Abelscher Gruppen, II)
Sei n ≥ 1 und sei p1e1 … pkek die Primfaktorzerlegung von n. Dann gibt es bis auf Isomorphie genau part(e1) … part(ek) Abelsche Gruppen der Ordnung n.
So sind zum Beispiel die Produkte
ℤ4 × ℤ9, ℤ2 × ℤ2 × ℤ9, ℤ4 × ℤ3 × ℤ3, ℤ2 × ℤ2 × ℤ3 × ℤ3
bis auf Isomorphie alle Abelschen Gruppen der Ordnung 36 = 22 32.