Identifizierungen

 Ist F : A  B eine Bijektion, so können für jedes Element a der Menge A den Funktionswert F(a) als eine andere „Darstellung“ oder als „neuen Namen“ von a auffassen. In manchen Kontexten sagen wir auch, dass wir a mit F(a) identifizieren. Wir betrachten zwei Beispiele hierzu.

1.  Endliche Funktionen als Tupel

Satz (Identifizierung von Funktionen auf endlichen Mengen und Tupeln)

Seien A, B endliche Mengen, und sei A = { a1, …, ak } mit |A| = k. Wir definieren G : A Bk durch

G(f)  =  (f (a1), …, f (ak))  für alle f : A  B.

Dann ist G : A Bk bijektiv.

Beweis

Sind f, g : A  B verschieden, so gibt es ein i mit f (ai) ≠ g(ai). Dann unterscheiden sich die Tupel G(f) und G(g) an der i-ten Stelle, sodass G(f) ≠ G(g). Dies zeigt, dass G injektiv ist. Ist nun (b1, …, bk)  ∈  Bk beliebig, so sei f : A  B die Funktion mit

f (ai)  =  bi  für alle 1 ≤ i ≤ k.

Dann gilt G(f) = (b1, …, bk). Also ist G surjektiv.

 Eine Funktion mit einem endlichen Definitionsbereich können wir also in natürlicher Weise mit einem Tupel identifizieren. Diese Identifizierung hängt von der Aufzählung a1, …, ak des Definitionsbereichs ab. Ist dieser gleich { 1, …, n }, so ist die Lesart von f : { 1, …, n }  B als Tupel (f (1), …, f (n)) so natürlich, dass sie oft stillschweigend durchgeführt wird. Ein wichtiges Beispiel ist die Tupelnotation für Permutationen f : { 1, …, n }  { 1, …, n }. Das Tripel (1, 3, 2) bezeichnet hier die Transposition π23 auf { 1, 2, 3 }, die die Elemente 2 und 3 vertauscht.

 Wir erläutern die Identifizierung noch an einem konkreten Beispiel:

Beispiel

Seien A = { 1, …, 5 } und B = { 1, 2, 3 }. Eine Funktion f : A  B ordnet jeder Zahl a in A eine Zahl f (a) in B zu. Es gilt

G(f)  =  (f (1), …, f (5)).

Mengentheoretisch ist f eine Menge von geordneten Paaren. Damit gilt etwa

G({ (1, 3), (2, 3), (3, 1), (4, 2), (5, 2) })  =  (3, 3, 1, 2, 2).

G({ (1, 1), (2, 1), (3, 1), (4, 1), (5, 1) })  =  (1, 1, 1, 1, 1).

2.  Teilmengen als 0-1-Funktionen

 Eine zweite wichtige Identifizierung betrifft Teilmengen einer Grundmenge und 0-1-wertige Funktionen auf dieser Grundmenge. Diese Identifizierung verwendet eine an vielen Stellen nützliche Begriffsbildung:

Definition (Indikatorfunktion)

Sei A eine beliebige Menge, und sei B ⊆ A. Dann definieren wir die Funktion indAB : A  { 0, 1 } durch

indBA(a)=1falls aB,0sonst.

Die Funktion indAB : A  { 0, 1 } heißt die Indikatorfunktion oder charakteristische Funktion von B bzgl. der Grundmenge A.

 Statt indAB sind in der Analysis und Wahrscheinlichkeitstheorie auch die Bezeichnungen 1AB und χAB gebräuchlich. Ist eine Grundmenge A festgelegt, lassen wir den oberen Index zur Vereinfachung der Notation oft weg.

Beispiel

Für die Grundmenge  und die Mengen G, U der geraden bzw. ungeraden Zahlen gilt indG(2n) = indU(2n + 1) = 1, indG(2n + 1) = indU(2n) = 0 für alle n. Weiter gilt indG + indU = ind bei punktweiser Addition. Dies entspricht der Tatsache, dass  die disjunkte Vereinigung der Mengen U und G ist.

 Der Übergang von einer Teilmenge zu ihrer Indikatorfunktion ist bijektiv. Genauer gilt:

Satz (Identifizierung von Teilmengen mit Indikatorfunktionen)

Sei A eine beliebige Menge. Wir definieren F : (A)  A{ 0, 1 } durch

F(B)  =  indAB  für alle B ⊆ A.

Dann ist F : (A)  A{ 0, 1 } bijektiv.

Der Beweis sei dem Leser zur Übung überlassen.

Beispiel

Sei A = { 1, …, 5 }. Mit der Identifizierung von Funktionen in A{ 0, 1 } mit 0-1-Tupeln gilt:

F({ 1, 3, 5 }) =  (1, 0, 1, 0, 1)  =  10101  (in Kurzform)
F({ 1, …, 5 }) =  (1, 1, 1, 1, 1)  =  11111
F({ 2 }) =  (0, 1, 0, 0, 0)  =  01000
F({ }) =  (0, 0, 0, 0, 0)  =  00000