Endliche Wahrscheinlichkeitsräume
Zur Vervollständigung der Diskussion der Urnenmodelle definieren wir:
Definition (endlicher Wahrscheinlichkeitsraum)
Sei Ω eine endliche nichtleere Menge, und sei P : Ω → [ 0, 1 ] ⊆ ℝ eine Funktion mit ∑ω ∈ Ω P(ω) = 1. Dann heißt (Ω, P) ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum mit Ergebnisraum Ω und Wahrscheinlichkeitsmaß P. Gilt P(ω) = 1/|Ω| für alle ω ∈ Ω, so heißt das Wahrscheinlichkeitsmaß P die Gleichverteilung auf Ω.
Die Funktion P nennt man gleichwertig auch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf Ω. Weiter heißt jede Teilmenge E von Ω ein Ereignis. Jedem Ereignis E ordnen wir seine Wahrscheinlichkeit P(E) bzgl. (Ω, P) zu vermöge
P(E) = ∑ω ∈ E P(ω).(Wahrscheinlichkeit für Ereignisse)
Es gilt P(∅) = 0, P(Ω) = 1 und P(A ∪ B) = P(A) + P(B) für alle disjunkten Ereignisse A, B ⊆ Ω.
Für die Urnenmodelle haben wir die Räume (T1, P1), …, (T4, P4) konstruiert (die von den Größen n und k abhängen). Die Maße P1, P2 und P3 sind Gleichverteilungen.
Beispiel
Für alle k ≤ n gilt:
P1(„alle gezogenen Kugeln sind verschieden“) = |T2||T1| = n!nk (n − k)!.
Das Maß P4 : T4 → [ 0, 1 ] ist keine Gleichverteilung, sondern definiert durch
P4(1 : k1, 2 : k2, …, n : kn) = 1nk k!k1! … kn!.
Wir fassen die vier Räume noch einmal tabellarisch zusammen.
Modell | Ω | Maß | P(a1, …, ak) |
mit Reihenfolge mit Zurücklegen | T1 | Gleichverteilung | 1|T1| = 1nk |
mit Reihenfolge ohne Zurücklegen | T2 | Gleichverteilung | 1|T2| = (n − k)!n! |
ohne Reihenfolge ohne Zurücklegen | T3 | Gleichverteilung | 1|T3| = k! (n − k)!n! |
ohne Reihenfolge mit Zurücklegen | T4 | keine Gleichverteilung, Zählung in T1 | k!nk k1! … kn! |
Die vier Urnenmodelle für k Ziehungen aus n Kugeln im Vergleich.
Im zweiten und dritten Modell ist k ≤ n, da sonst die Ergebnisräume leer sind.
Im vierten Modell ist (a1, …, ak) = (1 : k1, 2 : k2, …, n : kn).
Wir können das vierte Modell noch etwas anders beschreiben. Da wir auf dem Ergebnisraum T4 keine Gleichverteilung haben, betrachten wir den Hilfsraum (T1, P1) mit Gleichverteilung. Nun bestimmen wir die Menge E aller Tupel (b1, …, bk) in T1, die zum Ergebnis
(a1, …, ak) = (1 : k1, 2 : k2, …, n : kn)
in T4 führen. Die Wahrscheinlichkeit P1(E) des Ereignisses E im Hilfsraum ist die Wahrscheinlichkeit P4(a1, …, ak) des Ergebnisses (a1, …, an).
Die Heranziehung eines Hilfsraums mit Gleichverteilung ist n zahlreichen Fällen nützlich:
Beispiel
Der Ergebnisraum für das Experiment „Summe der Augen eines Wurfs mit zwei fairen Würfeln“ ist Ω = { 2, …, 12 }. Das Maß P auf Ω ist keine Gleichverteilung. Wir ziehen den Hilfsraum Ω′ = T1(6, 2) mit Gleichverteilung P′ heran, der anschaulich die beiden Würfel benennt oder färbt und ihre Augen vor der Summenbildung festhält. Für alle ω ∈ Ω gilt
P(ω) = P′(E) = |E(ω)|36, wobei E(ω) = { (a, b) ∈ Ω′ | a + b = ω }.
Damit ist zum Beispiel
P(5) = P′({ (1, 4), (2, 3), (3, 2), (4, 1) }) = 436 = 19.