Extensionalität

 Ein grundlegendes Prinzip der Mengenlehre ist das sog. Extensionalitätsprinzip, das der Leser wahrscheinlich intuitiv bereits angewendet hat. Dieses Prinzip bringt zum Ausdruck, dass eine Menge vollständig durch ihre Elemente bestimmt ist, und nicht noch etwa eine „Farbe“ besitzt. Es lautet genau:

Haben zwei Mengen dieselben Elemente, so sind sie gleich. (Extensionalitätsprinzip)

In unserer Quantorensprache können wir dieses Prinzip so formulieren:

∀x ∀y ∀z ((z  ∈  x  z  ∈  y)    x = y) (formale Version des Extensionalitätsprinzips)

In dieser formalen Version nehmen wir an, dass alle Objekte unserer Theorie Mengen sind. Wenn wir dieser Konvention nicht folgen möchten, so müssen wir ein Prädikat M(x) für „x ist Menge“ in unsere Sprache mit aufnehmen. Die formale Version des Extensionalitätsprinzips lautet dann:

∀x ∀y (M(x) ∧ M(y) ∧ ∀z (z  ∈  x  z  ∈  y)    x = y).

 Im folgenden nehmen wir aber an, dass die mathematischen Objekte genau die Mengen sind. Dies vereinfacht viele Formulierungen. Die Quantoren laufen über alle Mengen: „∀x“ ist gleichwertig zu „für alle Objekte x“ und zu „für alle Mengen x“.

 Die Umkehrung der Implikation im Extensionalitätsprinzip gilt aus rein logischen Gründen: Sind zwei Objekte gleich, so stimmen sie in allen Eigenschaften überein, und insbesondere also in ihren Elementen. Formal:

∀x ∀y (x = y    ∀z (z  ∈  x  z  ∈  y)).

Zusammengenommen gilt also:

Zwei Mengen sind genau dann gleich, wenn sie dieselben Elemente haben.

 Das Extensionalitätsprinzip hat zur Folge, dass Reihenfolge und Wiederholungen bei der Mengenbildung keine Rolle spielen. Die Zusammenfassung der Objekte a, b, c, d liefert zum Beispiel dieselbe Menge wie die Zusammenfassung von a, c, b, d oder von a, b, d, c, a, b. Die Elemente einer Menge haben keine Ordnung wie bei einer Liste, und sie tauchen auch nicht mehrfach auf wie bei einer sog. Multimenge. Der Mengenbegriff ruht damit auf relativ komplizierten Abstraktionen, da in konkreter Rede und Schrift eine Reihenfolge der betrachteten Einzelobjekte immer vorhanden ist.

 Eine wichtige Relation zwischen Mengen im Umfeld des Extensionalitätsprinzips ist die Teilmengenrelation:

Definition (Teilmenge, Obermenge)

Für alle Mengen A, B definieren wir:

A  ⊆  B,  falls  ∀a  ∈  A a  ∈  B, (Teilmenge)

A  ⊂  B,  falls  A ⊆ B  ∧  A ≠ B, (echte Teilmenge)

A  ⊇  B,  falls  B ⊆ A, (Obermenge)

A  ⊃  B,  falls  B  ⊂  A. (echte Obermenge)

 Gilt A ⊆ B und B ⊆ A, so gilt A = B nach dem Extensionalitätsprinzip. Dies führt zu einem häufig verwendeten mengentheoretischen Beweisprinzip: Zu zeigen ist, dass zwei Mengen A und B gleich sind. Wir zeigen hierzu in zwei Schritten, dass A ⊆ B und B ⊆ A gilt. Dann haben wir A = B bewiesen. Diese Zerlegung der Beweislast in zwei Teile bringt oft eine erhebliche Erleichterung mit sich.

 Wichtige Eigenschaften, die für alle Mengen A, B, C gelten, sind:

(i)

A  ⊆  A, (Reflexivität)

(ii)

A  ⊆  B  ∧  B  ⊆  A    A  =  B, (Antisymmetrie)

(iii)

A  ⊆  B  ∧  B  ⊆  C    A  ⊆  C. (Transitivität)