Wohldefiniertheit und Kongruenzrelationen

 Gegeben sei eine Menge A und eine Äquivalenzrelation ∼ auf A. Die Relation ∼ zerlegt die Menge A in die Äquivalenzklassen a/∼, a  ∈  A. Oft wird nun mit den Äquivalenzklassen als „Punkten“ gerechnet und nicht mehr mit den ursprünglichen Elementen von A, d. h. es werden Funktionen eingeführt, die auf der Faktorisierung A/∼ definiert sind. Nicht selten wird aber trotzdem der Funktionswert f (a/∼) mit Hilfe von a und nicht mit Hilfe der Äquivalenzklasse a/∼ definiert. Es ist dann immer die Wohldefiniertheit von f oder die sog. Unabhängigkeit von der Wahl der Repräsentanten zu zeigen, d. h. man muss zeigen:

Für alle a, b  ∈  A mit a ∼ b gilt f (a/∼) = f (b/∼). (Wohldefiniertheit von f)

Diese Voraussetzung spiegelt genau wider, dass die Funktion den Abstraktionsvorgang respektiert, der zur Bildung der Äquivalenzklassen geführt hat.

 Ist umgekehrt f : A  A eine bereits definierte Operation auf A, so wird man fragen, ob die Äquivalenzrelation ∼ diese Operation respektiert, d. h. man fragt, ob durch die Vorschrift

f′(a/∼)  =  f (a)/∼  für alle a  ∈  A

eine Funktion f′ : A/∼  A/∼ wohldefiniert ist. Dies ist offenbar genau dann der Fall, wenn für alle a, b  ∈  A gilt:

Ist a ∼ b, so ist f (a) ∼ f (b). (Kongruenzbedingung)

In diesem Fall heißt ∼ eine Kongruenzrelation für die Operation f. Analoges gilt für mehrstellige Operationen. Für eine zweistellige Operation f : A2  A lautet die Kongruenzbedingung z. B., dass für alle a, b, c, d  ∈  A gilt:

Ist a ∼ b und c ∼ d, so ist f(a, c) ∼ f(b, d). (zweistellige Kongruenzbedingung)

Dann ist f′ : A/∼2  A/∼ mit f′(a/∼, b/∼) = f(a, b)/∼ wohldefiniert.

 Schließlich sind in analoger Weise Kongruenzrelationen definiert, die mehrere ein- oder mehrstellige Operationen auf A respektieren. Alle respektierten Operationen lassen sich dann von A auf die Faktorisierung A/∼ übertragen.

 Damit haben wir ein starkes Begriffsvokabular entwickelt: Wir können Abstraktionen durchführen (eine Äquivalenzrelation ∼ auf einer Menge A einführen) und weiter dann diejenigen Operationen betrachten, die diese Abstraktionen respektieren. Beispiele diskutieren wir in den Übungen.