Konstruktion der ganzen Zahlen

 Wir können zwei natürliche Zahlen a und b immer addieren, aber nicht immer subtrahieren. Diese Beschränkung ist insbesondere bei algebraischen Umformungen hinderlich. Wir erweitern deswegen die natürlichen Zahlen um die sog. negativen Zahlen. Für jede natürliche Zahl n wird eine neue Zahl − n eingeführt, und auf dem so erweiterten Zahlbereich wird eine Addition erklärt derart, dass n + (− n) = 0 für alle natürlichen Zahlen gilt. Technisch können wir diese Erweiterung mit Hilfe eines prinzipiell beliebigen Zeichens „−“ durchführen und die ganzen Zahlen  als Menge  ∪ { − n | n  ∈   } definieren, wobei − n = (−, n). Auf dieser Menge lässt sich dann leicht eine Addition, Multiplikation und Ordnung erklären.

 Eleganter ist die folgende algebraische Konstruktion der ganzen Zahlen, die auch dem Prinzip „Neues aus Altem“ besser gerecht wird. Die Idee ist hier, ein Paar (n, m) von natürlichen Zahlen als die Subtraktion n − m zu lesen. Dann ist (n, 0) = n − 0 = n, aber (0, n) = 0 − n = − n. Ebenso ist (n, m) = (n + k, m + k) für alle k, denn es gilt (n + k) − (m + k) = n − m. Gewisse Paare werden also miteinander gleichgesetzt, was wir mit Hilfe einer Äquivalenzrelation durchführen können. Dabei muss eine Subtraktion nicht vorausgesetzt werden, denn n − m = n′ − m′ ist gleichwertig zu n + m′ = n′ + m.

Definition (Äquivalenzrelation zur Konstruktion der ganzen Zahlen)

Wir definieren für alle (n, m), (n′, m′)  ∈   × :

(n, m)  ∼  (n′, m′),  falls  n + m′  =  n′ + m.

Man zeigt, dass ∼ eine Äquivalenzrelation auf 2 ist. Damit definieren wir nun:

Definition (ganze Zahlen)

Wir setzen  = 2/∼. Die Elemente von  heißen ganze Zahlen.

 Die Elemente von  schreiben wir zur Vereinfachung der Notation in der Form [ n, m ] anstelle von (n, m)/∼.

 Nun definieren wir eine Addition und eine Multiplikation auf :

Definition (Arithmetik auf )

Für alle [ n, m ], [ n′, m′ ]  ∈   setzen wir:

[ n, m ]  +  [ n′, m′ ] =  [ n + n′, m + m′ ],
[ n, m ]  ·  [ n′, m′ ] =  [ n n′ + m m′, n m′ + m n′ ].

 Man zeigt leicht, dass diese Operationen wohldefiniert sind. Sie lassen sich leicht motivieren, wenn wir wie oben erwähnt [ n, m ] als n − m lesen. Wenn die vertrauten Rechengesetze gelten sollen, so ist

(n − m) · (n′ − m′)  =  (n n′ + m m′) − (n m′ + m n′).

Damit können wir die Multiplikation gar nicht anders definieren. Analoge Überlegungen gelten für die Addition.

 Wie üblich vereinbaren wir, dass die Multiplikation stärker bindet als die Addition, und dass wir in symbolischen Rechnungen Malpunkte weglassen können. Damit ist dann z. B. ab + c = (a · b) + c für alle ganzen Zahlen a, b, c. Weiter setzen wir a0 = [ 1, 0 ] für alle a  ∈   und definieren rekursiv an + 1 = an · a für alle n  ∈  .

Definition (additiv Inverses, Differenz)

Für alle [ n, m ]  ∈   setzen wir

[ n, m ]  =  [ m, n ].

Die ganze Zahl − [ n, m ] heißt das additiv Inverse von [ n, m ]. Weiter sei:

[ n, m ]  −  [ n′, m′ ]  =  [ n, m ]  +  (− [ n′, m′ ])  für alle [ n, m ], [ n′, m′ ]  ∈  .

Die ganze Zahl [ n, m ]  −  [ n′, m′ ] heißt auch die Differenz von [ n, m ] und [ n′, m′ ].

 Damit ist eine Subtraktionsoperation auf den ganzen Zahlen eingeführt.

 Die Bezeichnung von − [ n, m ] als additiv Inverses ist in der Tat gerechtfertigt, denn es gilt:

[ n, m ]  −  [ n, m ]  =  [ n, m ]  +  [ m, n ]  =  [ n + m, m + n ]  =  [ n + m, n + m ]  =  [ 0, 0 ].

Zur weiteren Vereinfachung der Notation schreiben wir

n  für  [ n, 0 ]  für alle n  ∈  .

In Übereinstimmung mit dieser Notation sehen wir auch  als eine Teilmenge von  an, indem wir n  ∈   und [ n, 0 ] miteinander identifizieren. Diese Identifikation respektiert die arithmetischen Operationen auf den beiden Zahlbereichen, denn es gilt für alle n, m  ∈  :

n + m  =  [ n, 0 ] + [ m, 0 ]  =  [ n + m, 0 ],  n · m  =  [ n, 0 ]  ·  [ m, 0 ]  =  [ n m, 0 ].

Weiter gilt mit dieser Notation für alle [ n, m ]  ∈  :

[ n, m ]  =  [ n, 0 ] + [ 0, m ]  =  [ n, 0 ] − [ m, 0 ]  =  n − m,

d. h. alle ganzen Zahlen lassen sich als Differenz zweier Elemente des Bereichs  schreiben, der unseren Ausgangspunkt bildete. Damit ist unser Vorhaben, eine Subtraktion zu ermöglichen, in minimaler Weise durchgeführt.