Rechengesetze und Ordnung der ganzen Zahlen
Wir stellen die wichtigsten Struktureigenschaften der Arithmetik auf den ganzen Zahlen zusammen. Sie dominieren die ganzen Zahlen derart, dass auf die konkrete Definition einer ganzen Zahl a als einer Äquivalenzklasse [ n, m ] nicht mehr zurückgegriffen werden muss, sobald diese Gesetze etabliert sind.
Satz (Rechengesetze für ℤ)
Für alle a, b, c ∈ ℤ gilt:
(i) | a + (b + c) = (a + b) + c. (Assoziativgesetz für die Addition) |
(ii) | a + 0 = a. (Neutralität der Null für die Addition) |
(iii) | a − a = 0. (Existenz von additiven Inversen) |
(iv) | a + b = b + a. (Kommutativgesetz für die Addition) |
(v) | a · (b · c) = (a · b) · c. (Assoziativgesetz für die Multiplikation) |
(vi) | a · 1 = a. (Neutralität der 1 für die Multiplikation) |
(vii) | 1 · 1 = 1, (− 1) · (− 1) = 1. (Existenz von multiplikativen Inversen für 1,−1) |
(viii) | a · b = b · a. (Kommutativgesetz für die Multiplikation) |
(ix) | a · (b + c) = (a · b) + (a · c). (Distributivgesetz) |
Der Beweis sei dem Leser zur Übung überlassen.
Schließlich definieren wir eine Ordnung auf den ganzen Zahlen mit Hilfe der Ordnung auf den natürlichen Zahlen.
Definition (Ordnung auf ℤ)
Für alle [ n, m ], [ n′, m′ ] ∈ ℤ setzen wir:
[ n, m ] ≤ [ n′, m′ ], falls n + m′ ≤ n′ + m.
Man zeigt, dass ≤ eine wohldefinierte lineare Ordnung auf ℤ ist. Weiter ist diese Ordnung eine Fortsetzung der Ordnung auf ℕ, d. h. gilt n ≤ m in ℕ, so gilt auch [ n, 0 ] ≤ [ m, 0 ] in ℤ. Im Umfeld der Ordnung definieren wir:
Definition (negativ, positiv, nicht negativ, Betrag)
Ein a ∈ ℤ heißt negativ, falls a < 0 gilt, positiv, falls 0 < a gilt, und nicht negativ, falls a ≥ 0 gilt. Weiter ist der Betrag |a| von a definiert durch
|a| = − a, falls a < 0, und |a| = a sonst.
Für alle a, b ∈ ℤ gilt die Dreiecksungleichung |a + b| ≤ |a| + |b|, sowie die Produktregel |a b| = |a| |b|.
Die Ordnung auf ℤ können wir algebraisch charakterisieren, ohne dabei auf die Äquivalenzklassen zurückzugreifen. Denn für alle a, b ∈ ℤ gilt:
a ≤ b gdw es gibt ein n ∈ ℕ mit a + n = b.
Diese Definition verwendet die natürlichen Zahlen ℕ. Für Freunde der Zahlentheorie sei erwähnt, dass es sogar eine Möglichkeit gibt, die natürlichen Zahlen rein arithmetisch innerhalb von ℤ zu definieren. Denn es gilt der (nichttriviale) zahlentheoretische Satz, dass jede natürliche Zahl eine Summe von vier Quadraten ist. Damit gilt dann für alle a, b ∈ ℤ:
a ≤ b gdw es gibt c1, c2, c3, c4 ∈ ℤ mit a + c12 + c22 + c32 + c42 = b.
Die Ordnung auf den ganzen Zahlen respektiert die Arithmetik, denn für alle ganzen Zahlen a, b, c gilt:
a ≤ b gdw a + c ≤ b + c,
a ≤ b und 0 ≤ c impliziert a · c ≤ b · c.
Weiter gilt a ≤ b genau dann, wenn − b ≤ − a.
Rein ordnungstheoretische Struktureigenschaften der Ordnung auf den ganzen Zahlen sind:
Satz (Struktur der Ordnung auf ℤ)
(a) | Jedes a ∈ ℤ besitzt einen direkten Vorgänger und einen direkten Nachfolger. (Existenz von Vorgängern und Nachfolgern) |
(b) | Für alle b ∈ ℤ existieren a, c ∈ ℤ mit a < b < c. (Unbeschränktheit) |
Fassen wir ℕ wie im letzten Kapitel als Zählreihe 0, 1, 2, …, n, S(n), … auf, so ist ℤ die nach links fortgesetzte „Zählreihe“
…, P(m), m, …, − 2, − 1, 0, 1, 2, …, n, S(n), …,
bei der jedes Element m einen eindeutigen Vorgänger P(m) besitzt. Bei dieser Sicht steht nicht so sehr der Wunsch nach algebraischer Abgeschlossenheit im Vordergrund, sondern das einfachere Symmetriebedürfnis, die Sonderrolle der Null aufzuheben, die in ℕ keinen Vorgänger besitzt. Dieser Ansatz kann analog zur Entwicklung von ℕ wie im letzten Kapitel durchgeführt werden und liefert einen zu unserer algebraischen Konstruktion isomorphen Bereich der ganzen Zahlen samt Arithmetik und Ordnung.