Der Begriff der Gruppe

 Für eine natürliche Zahl n ≥ 1 betrachten wir die Menge

Sn  =  { f | f : { 1, …, n }  { 1, …, n } bijektiv }

aller Permutationen der Zahlen 1, …, n. Eine Permutation ist also eine Umordnung der Zahlen 1, …, n. Wir können ein f  ∈  Sn in verschiedenen Weisen notieren. Offiziell als

f  =  { (1, f (1)),  …,  (n, f (n)) },  suggestiv als

f  =  1    f (1),  …,  n    f (n),  oder auch kurz als n-Tupel

f  =  (f (1),  …,  f (n)).

 Wir können zwei Permutationen hintereinander ausführen: Sind f, g  ∈  Sn, so ist g ∘ f  ∈  Sn. Weitere Eigenschaften der Permutationen sind:

(a)

Für alle f, g, h  ∈  Sn gilt

f  ∘  (g  ∘  h)  =  (f (g(h(1)), …, f (g(h(n)))  =  (f  ∘  g)  ∘  h.

(b)

Es gibt eine triviale Permutation, nämlich e = (1, 2, …, n).

Für alle f  ∈  Sn gilt:

f  ∘  e  =  e  ∘  f  =  f.

(c)

Wir können eine Permutation wieder rückgängig machen.

Für alle f  ∈  Sn ist f  − 1 = { (f (1), 1), …, (f (n), n) }  ∈  Sn. Für alle f  ∈  Sn gilt:

f  ∘  f  − 1  =  f  − 1  ∘  f  =  e.

 Die gleichen Eigenschaften gelten allgemeiner für die Menge aller Bijektionen auf einer beliebigen Menge M. Sie gelten aber auch für viele Strukturen, die aus Zahlen und arithmetischen Operationen gebildet sind. Ein Beispiel ist die Addition auf den ganzen Zahlen. Hier gilt für alle a, b, c  ∈  :

(a)

a + (b + c)  =  (a + b) + c,

(b)

a + 0  =  0 + a  =  a,

(c)

a − a  =  − a + a  =  0.

 Für die Addition gilt sogar zusätzlich a + b = b + a für alle a, b  ∈  . Bereits für die Menge S3 ist diese Vertauschbarkeit aber nicht mehr allgemein gültig. Denn seien

f  =  (1, 3, 2),  g = (2, 1, 3).

Dann gilt

g ∘ f  =  (2, 3, 1),  f ∘ g  =  (3, 1, 2).

Also ist die Kommutativität eine sicher wichtige, aber nicht stets anzutreffende Eigenschaft innerhalb eines umfassenden strukturellen Kontextes. Diesem Kontext geben wir den Namen „Gruppe“:

Definition (Gruppe)

Sei G eine Menge, und sei · : G × G  G eine Operation auf G.

Dann heißt das Paar (G, ·) eine Gruppe, falls gilt:

(a)

a · (b · c)  =  (a · b) · c  für alle a, b, c  ∈  G. (Assoziativgesetz)

(b)

Es existiert ein e  ∈  G mit:  Für alle a  ∈  G ist a · e = e · a = a. (Existenz eines neutralen Elements)

(c)

Für alle a  ∈  G existiert ein b  ∈  G mit a · b = b · a = e. (Existenz eines inversen Elements)

 Jedes e wie in (b) heißt ein neutrales Element von G. Jedes b wie in (c) heißt ein zu a inverses Element von G (bzgl. e). In (c) ist e irgendein fest gewähltes neutrales Element. Wir werden gleich zeigen, dass ein neutrales Element und weiter auch ein zu a inverses Element stets eindeutig bestimmt ist.

 Die Aussagen (a) − (c) werden auch als die Gruppenaxiome bezeichnet.

Definition (abelsche Gruppen)

Eine Gruppe (G, ·) heißt abelsch oder kommutativ, falls gilt:

a · b  =  b · a  für alle a, b  ∈  G. (Kommutativgesetz)

 Ist (G, ·) eine Gruppe, so heißt die Funktion · die Gruppenoperation auf G. Häufig verwendete Zeichen für die Gruppenoperation sind ·, ∘, ∗, +. Das Pluszeichen wird dabei nur für abelsche Gruppen verwendet. Die anderen Zeichen können für abelsche oder nichtabelsche Gruppen verwendet werden.

 Statt a · b schreiben wir auch kurz ab. Aufgrund des Assoziativgesetzes können wir Klammern weglassen. Es gilt zum Beispiel:

abcd  =  (ab)(cd)  =  ((ab)c)d  =  a(b(cd)), usw.

Einen strengen Beweis für die Freiheit der Klammerung, die das Weglassen von Klammern ermöglicht, führt man durch Induktion über die Anzahl der Faktoren eines Ausdrucks.

Beispiele für Gruppen

 Wir stellen einige Beispiele für Gruppen vor.

Triviale Gruppen

Jede Einermenge G = { a } ist eine Gruppe unter der Operation · : G2  G mit a · a = a.

Zahlen unter der Addition

Die Strukturen (, +), (, +), (, +), (, +) und (, +) mit der üblichen Addition sind abelsche Gruppen.

Zahlen unter der Multiplikation

Seien *, *, *, * die Zahlenmengen , ,  ohne die Null. Dann sind *, *, * und * unter der üblichen Multiplikation Gruppen. Mit Ausnahme von * sind diese Gruppen zudem abelsch.

Addition von Vektoren

Für alle n ≥ 1 bildet n mit der punktweisen Addition (x1, …, xn) + (y1, …, yn) = (x1 + y1, …, xn + yn) eine abelsche Gruppe. Der Nullvektor 0 = (0, …, 0) ist neutral und (− x1, …, − xn) ist invers zu (x1, …, xn).

Restklassengruppen

Für alle m ≥ 1 bildet m unter der Addition von Restklassen eine abelsche Gruppe. Weiter bildet m* = m − { 0 } unter der Multiplikation von Restklassen genau dann eine Gruppe, wenn m eine Primzahl ist.

Kleinsche Vierergruppe

1

a

b

c

1

1

a

b

c

a

a

1

c

b

b

b

c

1

a

c

c

b

a

1

Seien 1, a, b, c paarweise verschieden. Wir definieren eine Multiplikation ∗ auf V = { 1, a, b, c } durch die rechts stehende Multiplikationstafel. Dann ist (V, ∗) eine abelsche Gruppe.

Permutationsgruppen

Für jede Menge M bildet G = { f | f : M  M ist bijektiv } zusammen mit der Verknüpfung ∘ von Funktionen eine Gruppe. Das neutrale Element ist idM, die Identität auf M. Für alle f  ∈  G ist die Umkehrfunktion f −1 invers zu f. Die Gruppe G heißt die Permutationsgruppe von M.

Umkehrung der Gruppenoperation

Ist (G, ·) eine Gruppe, so ist auch (G, ∗) eine Gruppe, wobei a ∗ b = b · a für alle a, b  ∈  G gesetzt wird.

Gruppe der invertierbaren Elemente

Sei · : M2  M eine assoziative Operation auf einer Menge M, und es existiere ein neutrales Element e für diese Operation. Sei G die Menge der invertierbaren Elemente von M, d. h. es gilt

G  =  { a  ∈  M | es gibt ein b  ∈  G mit ab = ba = e }.

Dann ist (G, ·|G2) eine Gruppe.

Gruppen und Körper

Ist K ein Körper, so sind (K, +) und (K*, ·) abelsche Gruppen, wobei wieder K* = K − { 0 } gesetzt wird. Umgekehrt bildet für zwei kommutative Gruppen (K, +) und (K*, ·) das Tripel (K, +, ·) genau dann einen Körper, wenn das Distributivgesetz a(b + c) = ab + ac und zudem 0 · a = 0 für alle a  ∈  K gilt.