Elemente der Mathematik

 Die Mathematik führt Beweise: Sie gewinnt Sätze, indem sie logische Schlussregeln auf Axiome oder bereits bewiesene Sätze anwendet. Um diese Ergebnisse übersichtlich zu formulieren, fasst sie wichtige Begriffe in der Form von Definitionen zusammen. Wir betrachten ein einfaches Beispiel zur Illustration:

Satz (Produkt ungerader Zahlen)

Das Produkt zweier ungerader natürlicher Zahlen ist ungerade.

 Dieses Ergebnis lässt sich durch Beispiele wie 5 · 7 = 35, 3 · 11 = 33 erläutern, aber nicht beweisen. Um einen Beweis führen zu können, müssen wir wissen, was das Produkt zweier natürlicher Zahlen ist und was „ungerade“ bedeutet. Wir setzen das Produkt samt den zugehörigen Rechenregeln als bekannt voraus. Der Begriff „ungerade“ lässt sich so definieren:

Definition (ungerade natürliche Zahl)

Eine natürliche Zahl n heißt ungerade, wenn es eine natürliche Zahl c gibt mit n = 2c + 1.

 Jetzt können wir den Beweis führen:

Beweis

Seien n, m zwei beliebige ungerade Zahlen. Nach Definition gibt es natürliche Zahlen c und d mit n = 2c + 1 und m = 2d + 1. Dann gilt

n m  =  (2c + 1)(2d + 1)  =  4cd + 2c + 2d + 1  =  2(2cd + c + d) + 1.

Wir setzen k = 2cd + c + d. Dann gilt n m = 2k + 1. Dies zeigt, dass n m ungerade ist.

 Ohne genaue Definitionen können wir nichts beweisen, da wir nicht wissen, was wir im Beweis verwenden dürfen. Ohne Beweise wissen wir nicht, ob unsere Sätze nur wahrscheinlich oder mutmaßlich gelten. Unser Beweis hat zudem einen rechnerischen Gehalt: Er bestimmt den Quotienten k = cd + c + d der Division von n m durch 2 aus den Quotienten c und d von n bzw. m.

 Beweisen gilt als schwierig und darf vielleicht sogar als „hohe Kunst“ bezeichnet werden. Nur wenigen Menschen gelingt es, wichtige neue Ergebnisse zu beweisen. Und wir müssen nicht immer die Beweise bereits bewiesener Sätze kennen, um sie anwenden zu können. Aber die Mathematik verliert ihre Identität, wenn man ihr das nimmt, was sie vor allen anderen Wissenschaften auszeichnet: Größtmögliche Genauigkeit, logische Strenge, systematischer Aufbau, axiomatische Fundierung, Freude am Argumentieren. Je nach Zielgruppe wird man bei der Lehre diese Merkmale anders berücksichtigen. Das ist immer möglich, ohne die Mathematik zu verbiegen.