Die Existenz irrationaler Zahlen
Anschaulich scheinen die rationalen Zahlen eine beidseitig unendliche Linie vollständig mit Punkten auszufüllen. Dass der Schein trügt, zeigt der folgende Satz. Er zählt seit seiner Entdeckung durch die alten Griechen zu den wichtigsten Ergebnissen der Mathematik.
Satz (Irrationalität der Quadratwurzel aus 2)
Es gibt keine rationale Zahl q mit q2 = 2.
Wir zeigen vorab ein zahlentheoretisches Ergebnis:
Satz (Verdopplung von Quadratzahlen)
Das Doppelte einer Quadratzahl ist keine Quadratzahl, d .h:
Für a, b ∈ ℕ* gilt 2a2 ≠ b2.
Beweis
Seien a, b ∈ ℕ*. Wir betrachten die Primfaktorzerlegungen von a und b:
a = 2d1 · 3d2 · 5d3 · … mit Exponenten di ≥ 0
b = 2e1 · 3e2 · 5e3 · … mit Exponenten ei ≥ 0
Dann gilt nach den Potenzregeln:
a2 = 22d1 · 32d2 · 52d3 · … (Verdopplung der Exponenten)
b2 = 22e1 · 32e2 · 52e3 · … (Verdopplung der Exponenten)
2 a2 = 22d1 + 1 · 32d2 · 52d3 · … (Erhöhung des 2-Exponenten um 1)
Die Zahl b2 hat einen geraden 2-Exponenten, die Zahl 2a2 einen ungeraden. Aufgrund der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung sind diese Zahlen also verschieden.
Beweis der Irrationalität der Quadratwurzel aus 2
Annahme doch. Dann gibt es a, b ∈ ℕ* mit (b/a)2 = 2. Dann gilt
2a2 = b2,
im Widerspruch zum vorangehenden Satz.
Mit dem gleichen Argument lässt sich zeigen, dass die Zahlen 3, 5, 6 keine rationalen Quadratwurzeln besitzen. Allgemein gilt dies für alle natürlichen Zahlen, die keine Quadratzahlen sind. Weiter ist die dritte Wurzel aus 2 irrational, d. h. es gibt kein q ∈ ℚ mit q3 = 2 (wir diskutieren dies in den Übungen). Mit weitergehenden Argumenten lässt sich beweisen, dass auch prominente Zahlen wie die Eulersche Zahl e und die Kreiszahl π irrational sind.