Die trigonometrischen Funktionen

 Die trigonometrischen Funktionen tauchen bei der Untersuchung von Dreiecken auf. Folgende Sicht liefert die Funktionen für beliebige Stellen:

Definition (Kosinus und Sinus als Koordinatenfunktionen am Einheitskreis)

Sei α  ∈  , und sei P der Punkt auf dem Einheitskreis K = { (x, y) | x2 + y2 = 1 } mit dem Winkel α (im Bogenmaß, gegen den Uhrzeigersinn). Dann setzen wir

cos(α)  =  „die x-Koordinate von P“,

sin(α)  =  „die y-Koordinate von P“.

Die so definierten Funktion cos, sin :    heißen die Kosinusfunktion bzw. Sinusfunktion.

hm1-AbbIDcos_sin_circle_1

Kosinus und Sinus als Koordinatenfunktionen für Punkte P des Einheitskreises K:

P  =  (cos(α), sin(α))

mit Winkeln im Bogenmaß (gegen den Uhrzeigersinn)

 Kosinus und Sinus sind bei diesem Zugang definiert als die Funktionen, die Polarkoordinaten (1, α) in kartesische Koordinaten (x, y) überführen. Dynamisch interpretiert sind sie die Koordinatenfunktionen eines Punktes, der sich auf dem Einheitskreis mit der gleichmäßigen Winkelgeschwindigkeit 1 gegen den Uhrzeigersinn bewegt.

Beispiele

(1)

Für α = π/2 gilt P = (0, 1), sodass cos(π/2) = 0 und sin(π/2) = 1. Für α = − π/2 gilt P = (0, −1), sodass cos(−π/2) = 0 und sin(−π/2) = −1.

(2)

Sei α  ∈  . Dann gilt (1, α)polar = (1, α + 2π)polar. Folglich ist cos(α) = cos(α + 2π) und sin(α) = sin(α + 2π).

(3)

Die Addition von π zu α entspricht einer Spiegelung am Nullpunkt. Es gilt also cos(α + π) = − cos(α), sin(α + π) = − sin(α) für alle α  ∈  .

(4)

Nach Pythagoras gilt cos2(α) + sin2(α) = 1 für alle α  ∈  .

(5)

Die Nullstellen des Sinus sind die ganzzahligen Vielfachen von π. Die Nullstellen des Kosinus sind um π/2 verschoben.

 Die klassische Bedeutung für Dreiecke ergibt sich durch den Strahlensatz. Sei ABC ein rechtwinkliges Dreieck mit einem rechten Winkel bei C. Wir dürfen annehmen: A ist der Nullpunkt, C liegt auf der positiven x-Achse, B liegt im ersten Quadranten. Ist nun B = (c, α)polar, so gilt a = c sin(α) und b = c cos(α) nach dem Strahlensatz.

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Kosinus und Sinus für rechtwinklige Dreiecke: Die Katheten des rechtwinkligen Dreiecks ABC haben nach dem Strahlensatz die Längen a = c sin(α) und b = c cos(α).

 Wir definieren:

Definition (Tangens und Kotangens)

Die Tangensfunktion tan und die Kotangensfunktion cot sind definiert durch tan = sin/cos und cot = cos/sin.

 Die Definitionsbereiche sind wie bei den rationalen Funktionen maximal gewählt. Der Tangens hat bei den Nullstellen des Kosinus Pole, der Kotangens bei den Nullstellen des Sinus.

hm1-AbbIDef_cos_sin_1

Kosinus und Sinus

hm1-AbbIDef_tan_cot_1

Tangens und Kotangens

 Zahlreiche trigonometrische Größen lassen sich anhand einer Figur visualisieren, die durch einen Winkel α und den Einheitskreis K im ersten Quadranten erzeugt wird:

hm1-AbbIDtrig_functions_triangle_1

Der Winkel α bei A = (0, 0) liefert die Punkte

B = (cos(α), sin(α)),  C  =  (cos(α), 0),  D  =  (0, sin(α))

Die anderen Punkte ergeben sich durch das Anlegen von Tangenten durch die Punkte B = (cos(α), sin(α)),  E = (1, 0),  F = (0, 1) an den Kreis K. Mit dem Komplementärwinkel β = π/2 − α gilt:

(1)

AC  =  cos(α)  =  sin(β)  =  DB

(2)

CB  =  sin(α)  =  cos(β)  =  AD

(3)

EG  =  tan(α)  =  cot(β)  =  BI

(4)

FH  =  cot(α)  =  tan(β)  =  BJ

(5)

AG  =  1cos(α)  =  1sin(β)  =  AI

(6)

AH  =  1sin(α)  =  1cos(β)  =  AJ

Die trigonometrischen Additionstheoreme

 Für die trigonometrischen Funktionen gibt es umfangreiche Formelsammlungen. Wir diskutieren hier exemplarisch:

Satz (Additionstheoreme für Kosinus und Sinus)

Seien α, β  ∈  . Dann gilt:

cos(α + β) =  cos(α) cos(β) − sin(α) sin(β)(Additionstheorem des Kosinus)
sin(α + β) =  sin(α) cos(β) + cos(α) sin(β)(Additionstheorem des Sinus)

 Beim Beweis der Additionstheoreme ist der Zugang über den Einheitskreis von großem Vorteil. Anhand von rechtwinkligen Dreiecken lassen sich die Formeln nur mühsam zeigen. Mit Hilfe der komplexen Multiplikation und ihrer geometrischen Deutung ist der Beweis sehr einfach:

Beweis

Mit der Multiplikation in  gilt:

(cosα, sinα) (cos β, sinβ)  =  (cosα cosβ − sinα sinβ, sinα cosβ + cosα sinβ).

Nach der geometrischen Multiplikationsregel hat das Produkt auf der linken Seite die Länge 1 und den Winkel α + β. Nach Definition des Kosinus und Sinus gilt also

(cosα, sinα) (cos β, sinβ)  =  (cos(α + β), sin(α + β)).

Durch den Vergleich von Real- und Imaginärteil ergeben sich die Behauptungen.

 Für den Spezialfall α = β erhalten wir:

Korollar (Verdopplungsformeln für Kosinus und Sinus)

Sei α  ∈  . Dann gilt:

cos(2α)  =  cos(α)2 − sin(α)2,  sin(2α)  =  2 sin(α) cos(α).

 Die Verdopplungsformel mit α = 2(α/2) und der Satz des Pythagoras liefert:

cos(α)  =  cos(α/2)2 − sin(α/2)2  =  cos(α/2)2 − (1 − cos(α/2)2)  =  2cos(α/2)2 − 1.

Analoge Überlegungen gelten wir für den Sinus. Auflösen nach cos(α/2)2 und sin(α/2)2 liefert:

Korollar (Halbwinkelformeln für Kosinus und Sinus)

Sei α  ∈  . Dann gilt:

cos(α/2)2  =  1 + cos(α)2,  sin(α/2)2  =  1 − cos(α)2.