Differentialquotienten
Definition (Differentialquotient, Ableitung, Differenzierbarkeit)
Sei f : P → ℝ, und sei p ∈ P. Existiert
a = limx → p f (x) − f (p)x − p ∈ ℝ,
so heißt f differenzierbar an der Stelle p und a die Ableitung oder der Differentialquotient von f an der Stelle p.
Wir betrachten drei Aspekte genauer.
1. Differenzenquotienten und Sekanten
Ist x ∈ P mit x ≠ p, so heißt
a(x, p) = f (x) − f (p)x − p
der Differenzenquotient von f an den Stellen p, x. Dieser Wert ist die Steigung der Geraden, die durch die Punkte (p, f (p)) und (x, f (x)) verläuft. Diese Gerade heißt die durch p und x definierte Sekante von f.
2. Grenzübergang zu Differentialquotienten
Im Fall der Existenz ist die Ableitung von f an der Stelle p der Grenzwert der Differenzenquotienten:
a = limx → p a(x, p)
Anschaulich lässt sich a als die Steigung von f an der Stelle p deuten. Der Differenzenquotient a(x, p) ist als Funktion in x an der Stelle p nicht definiert. Hier verwenden wir, dass in limx → p a(x, p) die Stelle p nicht im Definitionsbereich liegen muss. Die Differenzierbarkeit besagt, dass sich a(x, p) stetig im Punkt p fortsetzen lässt (durch die Setzung a(p, p) = a).
3. Stetigkeit ist notwendig, aber nicht hinreichend für Differenzierbarkeit
Der Nenner x − p in
limx → p f (x) − f (p)x − p
konvergiert gegen 0. Damit der Grenzwert in ℝ existiert, ist es notwendig, dass der Zähler gegen 0 konvergiert. Also muss
limx → p f (x) = f (p)
gelten, d. h. f muss stetig in p sein. Der Grenzwert lima → p a(x, p) ist vom Typ „0/0“, sodass seine Existenz nicht selbstverständlich ist. Die Betragsfunktion ist z. B. stetig, aber nicht differenzierbar bei 0 (vgl. die Übungen).
Eine Funktion f und drei Sekanten g1, g2, g3. Die Sekanten sind durch die Stellenpaare (p, x1), (p, x2) und (p, x3) bestimmt. Ihre Steigungen sind die Differenzenquotienten
a(xi, p) = f (xi) − f (p)xi − p für i = 1, 2, 3.
Es gilt gi(x) = f (p) + a(xi, p) (x − p) für alle x ∈ ℝ und i = 1, 2, 3.
Durch einen Grenzübergang gehen die Sekanten von f durch p in die Tangente g von f an der Stelle p über. Die Tangente hat die Steigung
a = limx → p a(x, p) = limx → p f (x) − f (p)x − p (Ableitung von f an der Stelle p).
Es gilt g(x) = f (p) + a (x − p) für alle x ∈ ℝ.
Notationen für die Ableitung
Sei f : P → ℝ differenzierbar in p ∈ P. Dann schreiben wir
f ′(p) = Df (p) = = = df (x)dx (p)
für die Ableitung von f an der Stelle p. Die Notation df (x)/dx ist eine „infinitesimale Version“ der Delta-Notation Δf (x)/Δx für Differenzenquotienten: Änderung der Werte geteilt durch Änderung der Stellen. Die Notation ist in ℝ rein symbolisch, df (x)/dx ist kein Quotient zweier Elemente von ℝ.
Beispiele
(1) | Sei f : ℝ → ℝ eine konstante Funktion mit konstantem Wert c ∈ ℝ. Weiter sei p ∈ ℝ. Dann gilt f ′(p) = limx → p f (x) − f (p)x − p = limx → p c − cx − p = limx → p 0 = 0. |
(2) | Für die Identität id : ℝ → ℝ mit id(x) = x und p ∈ ℝ gilt: id′(p) = limx → p id(x) − id(p)x − p = limx → p x − px − p = limx → p 1 = 1. |
(3) | Für die Einheitsparabel sq : ℝ → ℝ mit sq(x) = x2 und p ∈ ℝ gilt: sq′(p) = limx → p sq(x) − sq(p)x − p = limx → p x2 − p2x − p = limx → p (x + p)(x − p)x − p = limx → p (x + p) = 2p. |
Äquivalente h-Formulierung des Grenzwerts
Setzen wir h = x − p, so gilt x = h + p und „x → p“ ist äquivalent zu „h → 0“. Damit erhalten wir
f ′(p) = limx → p f (x) − f (p)x − p = limh → 0 f (p + h) − f (p)h.
Welche Form besser ist, ist kontextabhängig und oft Geschmackssache.
Beispiel
Für die Einheitsparabel und p ∈ ℝ lautet die Berechnung der Ableitung mit Hilfe der der h-Formulierung:
sq′(p) | = limh → 0 sq(p + h) − sq(p)h = limh → 0 (p + h)2 − p2h |
= limh → 0 p2 + 2ph + h2 − p2h = limh → 0 (2p + h) = 2p. |