Die orthogonale Projektion
Als Anwendung der Winkelformel berechnen wir die orthogonale Projektion eines Vektors v auf einen Vektor u. Der Projektionsvektor ist durch zwei Eigenschaften eindeutig beschrieben:
(1) | Der Vektor liegt auf der von u erzeugten Geraden. |
(2) | Der Vektor bildet mit dem Nullpunkt und v ein rechtwinkliges Dreieck. |
Die erste Eigenschaft legt die Richtung fest, die zweite die Länge. Die folgenden Diagramme illustrieren die Situation.
Zur Berechnung von w betrachten wir zwei von 0 verschiedene Vektoren v und u der Ebene. Sei α = ∡(v, u). Wir nehmen zunächst an, dass α ≤ π/2. Dann gilt
∥w∥ = cos(α) ∥v∥ = 〈 v̂, ŵ 〉 ∥v∥ = 〈 v, ŵ 〉 = 〈 v, û 〉.
wobei wir die Winkelformel cos(α) = 〈 v̂, ŵ 〉 und ŵ = û verwenden. Damit gilt
w = ∥w∥ û = 〈 v, û 〉 û.
Im Fall α > π/2 ist cos(α) < 0, ∥w∥ = − cos(α) ∥v∥ = − 〈 v, û 〉 und w = − ∥w∥ û. Wir erhalten also die gleiche Formel für w. Diese Überlegungen motivieren:
Definition (orthogonale Projektion)
Wir setzen für alle u, v ∈ ℝ2:
pru(v) = 〈 û, v 〉 û.(Projektionsformel)
Der Vektor pru(v) ∈ ℝ2 heißt die (orthogonale) Projektion des Vektors v auf den Vektor u.
Es ist bemerkenswert, dass in der Projektionsformel nur das Skalarprodukt und die Norm verwendet werden und keine trigonometrische Funktion.
Merkhilfe zur Projektionsformel
(1) | Die Projektion von v auf u ist unabhängig von der Länge von u. Damit geht û in die Formel ein und nicht u. |
(2) | Die Projektion von λv auf u ist das λ-fache der Projektion von v auf u. Damit geht v in die Formel ein und nicht v̂. |
Die Projektion ist für alle Vektoren definiert, auch für die Sonderfälle v = 0 und u = 0. Für v = 0 oder u = 0 ist pru(v) = 0. Für u ≠ 0 gilt
pru(v) = 〈 û, v 〉 û = 〈 u, v 〉∥ u ∥2 u.
Beispiel
Seien v = (2, 4) und u = (1, 1). Dann gilt ∥ u ∥ = und
pru(v) = ∥ u ∥−2 〈 u, v 〉 u = (2 + 4)/2 u = 3 (1, 1) = (3, 3).
Unsere Konstruktion zeigt:
Satz (Eigenschaften der Projektion)
Für alle u, v ∈ ℝ2 gilt:
(a) | u und pru(v) sind kollinear. |
(b) | u und v − pru(v) sind orthogonal. |
Die zweite Aussage des Satzes rechtfertigt die Bezeichnung als „orthogonale Projektion“: Der Differenzvektor v − pru(v) steht senkrecht auf u (und damit auch auf pru(v)).
Der Satz lässt sich auch direkt ohne trigonometrische Vorüberlegungen beweisen. Die Recheneigenschaften des Skalarprodukt reichen aus:
Zweiter Beweis mit Hilfe der Eigenschaften des Skalarprodukts
zu (a): Nach Definition ist pru(v) ein skalares Vielfaches von û und damit von u.
zu (b): Es gilt:
〈 u, v − pru(v) 〉 | = 〈 u, v 〉 − 〈 u, pru(v) 〉 |
= 〈 u, v 〉 − 〈 u, 〈 û, v 〉 û 〉 | |
= 〈 u, v 〉 − 〈 û, v 〉 〈 u, û 〉 | |
= 〈 u, v 〉 − 〈 u, v 〉 〈 û, û 〉 = 〈 u, v 〉 − 〈 u, v 〉 = 0 |