Eigenwerte und Eigenvektoren
Für eine quadratische Matrix A und einen Vektor v sind v und Av im allgemeinen nicht kollinear. Eine besonders übersichtliche Situation liegt vor, wenn ein Vektor v ≠ 0 durch A lediglich skaliert wird, d. h. Av liegt auf der von v erzeugten Geraden span(v). Es gibt dann ein λ ∈ ℝ mit Av = λv.
Definition (Eigenwert, Eigenvektor)
Sei A ∈ ℝn × n. Weiter seien λ ∈ ℝ und v ∈ ℝn mit v ≠ 0. Dann heißt λ ein Eigenwert und v ein zugehöriger Eigenvektor von A, falls Av = λv. Wir nennen (λ, v) ein Eigenpaar von A und setzen
σ(A) = { λ ∈ ℝ | λ ist ein Eigenwert von A } (Spektrum von A)
Eig(A, λ) = { v ∈ ℝn | Av = λv }(Eigenraum von A bzgl. λ)
Wichtig: Null und Nullvektor
(1) | Der Nullvektor ist nach Definition niemals ein Eigenvektor von A. Für alle λ ∈ ℝ gilt A0 = 0 = λ0. Würden wir den Nullvektor zulassen, so wäre jeder Skalar λ ein Eigenwert von A, was wir nicht wollen. |
(2) | In einen Eigenraum nehmen wir dagegen den Nullvektor immer auf. Die Eigenräume werden dadurch zu Unterräumen des ℝn. |
(3) | Der Skalar 0 kann ein Eigenwert von A sein oder nicht. |
Die Vektoren v und w sind Eigenvektoren der Matrix A. Der zu v gehörige Eigenwert λ ist größer als 1, der zu w gehörige Eigenvektor liegt im Intervall ] −1, 0 [.
Beispiele
(1) | Wir betrachten die Einheitsmatrix En ∈ ℝn × n. Für alle v ∈ ℝn gilt Env = v = 1 v. Damit erhalten wir σ(En) = { 1 }, Eig(En, 1) = ℝn. Weiter gilt σ(−En) = { −1 }, Eig(−En, −1) = ℝn, da −Env = −v = (−1)v für alle v ∈ ℝn. |
(2) | Sei A ∈ ℝ2 × 2 eine Rotation um den Winkel φ ∈ [ 0, 2π [. Ist φ = 0, so ist A = E2 und σ(A) = { 1 }. Ist φ = π, so ist A = −E2 und damit σ(A) = { −1 }. Andernfalls besitzt A keine Eigenwerte, sodass σ(A) = ∅. Eine Rotation der Ebene besitzt also nur in speziellen Fällen Eigenwerte. |
(3) | Sei A = ((0, 1); (1, 0)) ∈ ℝ2 × 2. Die Matrix A ist symmetrisch. Sie bewirkt die Spiegelung eines Vektors an der Winkelhalbierenden. Es gilt A (1, 1) = (1, 1) und A (−1, 1) = (1, −1) = − (−1, 1). Damit gilt: σ(A) = { 1, −1 } Eig(A, 1) = span((1, 1)) Eig(A, −1) = span((−1, 1)) Die Eigenräume sind Geraden, die aufeinander senkrecht stehen. Die Spiegelung an der Winkelhalbierenden hat die Eigenwerte 1 und −1. Je zwei zugehörige Eigenvektoren sind orthogonal. |
Eigenräume sind Unterräume
Sind v und w Eigenvektoren von A ∈ ℝn × n zum Eigenwert λ, so gilt
A(λ1 v + λ2 w) = λ1 Av + λ2 Aw = λ1 λ v + λ2 λ w = λ (λ1 v + λ2 w)
für alle λ1, λ2 ∈ ℝ. Damit ist Eig(A, λ) ein Unterraum des ℝn. Ist k die Dimension dieses Unterraum und sind v1, …, vk linear unabhängige Eigenvektoren zum Eigenwert λ, so gilt
Eig(A, λ) = span(v1, …, vk).
Dies motiviert:
Definition (geometrische Vielfachheit)
Sei A ∈ ℝn × n, und sei λ ∈ ℝ ein Eigenwert von A. Dann heißt die Dimension des Unterraums Eig(A, λ) die geometrische Vielfachheit des Eigenwerts λ von A.
In der Ebene ist ein Eigenraum eine Gerade durch den Ursprung oder die gesamte Ebene.
Geometrische Vielfachheit in der Ebene
(1) | Hat A ∈ ℝ2 × 2 zwei verschiedene Eigenwert λ und μ, so sind die zugehörigen Eigenräume zwei verschiedene Gerade durch den Nullpunkt. Es gilt Eig(A, λ) ∩ Eig(A, μ) = { 0 }. |
(2) | Hat eine Matrix A ∈ ℝ2 × 2 einen Eigenwert λ der geometrischen Vielfachheit 2, so gibt es linear unabhängige v und w mit Av = λv und Aw = λw. Da v, w eine Basis des ℝ2 bilden, gilt Eig(A, λ) = ℝ2. Damit gilt Au = λu für alle u ∈ ℝ2. Speziell ist Ae1 = λ ∈ 1 und Ae2 = λe2, sodass A = Diag(λ, λ). Der Fall λ = 0 (Nullmatrix) ist möglich. |
Im dreidimensionalen Raum ist ein Eigenraum entweder eine Gerade, eine Ebene oder der ℝ3.
Geometrische Vielfachheit im dreidimensionalen Raum
(1) | Die Matrix A = Diag(1, 2, 3) hat die Eigenwerte 1, 2, 3 der geometrischen Vielfachheit 1. Die Vektoren e1, e2, e3 sind zugehörige Eigenvektoren. Die Eigenräume sind die Koordinatenachsen. |
(2) | Die Matrix A = Diag(1, 1, 2) hat den Eigenwerte 1 der geometrischen Vielfachheit 2 sowie den Eigenwert 2 der geometrischen Vielfachheit 1. Die Vektoren e1, e2 sind Eigenvektoren zum Eigenwert 1, der Vektor e3 ist ein Eigenvektor zum Eigenwert 2. Der Eigenraum von 1 ist die x-y-Ebene, der Eigenraum von 2 die z-Achse. |
(3) | Die Matrix A = Diag(1, 1, 1) hat den Eigenwert 1 der geometrischen Vielfachheit 3. Es gilt Eig(1, A) = ℝ3. |