Gibt es mehr natürliche oder mehr gerade Zahlen ?
Seien ℕ = { 0, 1, 2, 3, … } und 𝔾 = { 0, 2, 4, 6, … } die Menge der geraden Zahlen.
Definiere f : ℕ → 𝔾 durch
f (n) = 2n für alle n ∈ ℕ.
Dann ist f : ℕ → 𝔾 bijektiv, also gilt |ℕ| = |𝔾|.
Offenbar ist aber 𝔾 ⊂ ℕ.
Ist das Ergebnis 𝔾 und ℕ sind gleich groß nicht paradox, wo doch wegen 𝔾 ⊂ ℕ die Menge 𝔾 offensichtlich kleiner ist als ℕ? Keineswegs, denn hier liegen verschiedene Interpretationen von „groß“ vor. Beide sind natürlich, aber sie stimmen im Allgemeinen nicht überein.
A ist größergleich als B falls B ist Teilmenge von A ist ein sinnvoller Größenbegriff, und er wird in der Mengenlehre oft verwendet. Er ist aber vom Begriff der Größe, der durch Bijektionen gegeben wird, verschieden, und hinsichtlich des Zieles, dass die Größe einer Menge Zahlcharakter haben soll, ist er unbrauchbar: Die Vergleichbarkeit A ⊆ B oder B ⊆ A gilt nicht für beliebige Mengen A und B.
Hausdorff (1914):
„Unsere Beispiele […] zeigten ja, dass eine Menge recht wohl mit einer ihrer echten Teilmengen äquivalent sein kann, z. B. die Menge der natürlichen Zahlen n mit der Menge der Quadratzahlen n2. Diese Eigenschaft kann offenbar nur unendlichen Mengen zukommen und kommt ihnen, wie wir sehen werden […], auch stets zu. Wenn wir also den Zeichen = < > die übliche Bedeutung lassen und insbesondere verlangen wollen, dass von den drei Fällen
𝔞 = 𝔟, 𝔞 < 𝔟, 𝔞 > 𝔟
immer nur einer eintreten kann, so werden wir darauf verzichten müssen, jeder echten Teilmenge von A eine Kardinalzahl < 𝔞 zu geben; wir müssen das geheiligte Axiom ‚totum parte majus‘ verletzen, wie wir uns überhaupt darauf gefasst machen müssen, dass die Rechnung mit unendlichen Kardinalzahlen in vielen Punkten von der mit endlichen abweichen wird, ohne dass darin der geringste Einwand gegen diese unendlichen Zahlen zu erblicken wäre.“