Große Teilmengen einer Menge

 Sei M eine Menge. Was ist ein guter Begriff für „X ist eine große Teilmenge von M“? Versuchen wir, einige Anforderungen zu finden, die wir an einen solchen Begriff stellen wollen. Die einfachste ist:

(+)  Ist X groß und ist Y ⊇ X, so ist auch Y groß.

 Darüber sind sich alle einig. Gewagter ist schon:

(++)  Sind X und Y groß, so ist auch X ∩ Y groß.

 Für manche wird sich die duale Form „sind X, Y klein, so ist auch X ∪ Y klein“ überzeugender anhören. Die in der endlichen Welt unsinnige Iteration dieser Idee führt zur wahrhaft unentscheidbaren Frage, ab welcher Anzahl eine Menge von Staubkörnern störend wird. Da wir nur mit unendlichen Mengen arbeiten werden, ist die in (++) enthaltene endliche Iteration unproblematisch.

 Schwarz-Weiß-Maler oder entscheidungsfreudige Personen fordern:

(+++)  Ist X nicht groß, so ist M − X groß, d. h. jedes X ist groß oder klein.

 Wie immer ist es die sich erst in der Untersuchung offenbarende Fülle von Konzepten und ihre Interaktion mit anderen Begriffen, die zu guten mathematischen Definitionen führt und sie rechtfertigt. Während sich (++) als unverzichtbar erweist, bleibt die starke Forderung (+++) am besten speziellen Größenbegriffen vorbehalten. Wir definieren demgemäß „X ist groß in einem gewissen Sinne“ durch „X ist Element eines Filters“:

Definition (Filter und Ultrafilter)

Sei M eine nichtleere Menge, und sei F ⊆ (M). F heißt ein Filter auf M, falls für alle X, Y ⊆ M gilt:

(i)

∅  ∉  F,  M  ∈  F,

(ii)

X  ∈  F und Y ⊇ X  folgt  Y  ∈  F,

(iii)

X, Y  ∈  F  folgt  X ∩ Y  ∈  F.

Ein Filter F auf M heißt ein Ultrafilter auf M, falls für alle X ⊆ M gilt:

(iv)

X  ∈  F  oder  M − X  ∈  F.

 Jeder Filter F ist also ein „gewisser Sinn“ von „X ist groß in einem gewissen Sinne“. Wie so oft haben wir eine Idee extensional gefasst.

 Aus den ersten beiden Eigenschaften folgt: Ist X  ∈  F, so ist M − X  ∉  F. Denn andernfalls wäre X ∩ (M − X) = ∅  ∈  F. Die Ultrafilter-Eigenschaft besagt, dass tatsächlich immer entweder X oder M − X Element von F ist.

 Anstatt für „groß“ kann man sich auch für „klein“ interessieren. Die zum Begriff eines Filters duale Definition lautet:

Definition (Ideal und Primideal)

Sei M eine nichtleere Menge, und sei I ⊆ (M). I heißt ein Ideal auf M, falls für alle X, Y ⊆ M gilt:

(i)

∅  ∈  I,  M  ∉  I,

(ii)

X  ∈  I und Y ⊆ X  folgt  Y  ∈  I,

(iii)

X, Y  ∈  I  folgt  X ∪ Y  ∈  I.

Ein Ideal I auf M heißt ein Primideal auf M, falls für alle X ⊆ M gilt:

(iv)

X  ∈  I  oder  M − X  ∈  I.

 Es ist Geschmackssache, ob man Filtern oder Idealen den Vorzug gibt. Die erzielten Resultate übertragen sich immer auf den vernachlässigten der beiden Begriffe. Im Folgenden bevorzugen wir zumeist „groß“ statt „klein“.

Beispiele

(1)

Sei M eine unendliche Menge. Dann ist

FFin  =  { X ⊆ M | M − X ist endlich }

ein Filter auf M.

(2)

Ist |M| = κ ≥ ω, und ist μ ≤ κ eine unendliche Kardinalzahl, so ist

F< μ  =  { X ⊆ M | |M − X| < μ }

ein Filter auf M.

 Das zweite Beispiel spezialisiert sich für μ = ω zum ersten.

 Ist M eine Menge und f : M  W(κ) bijektiv, so übersetzt f einen Filter F auf M in einen Filter F′ auf W(κ), nämlich

F′  =  { X ⊆ W(κ) | f −1″ X  ∈  F }.

Die zugrundeliegenden Mengen M werden daher zumeist Kardinalzahlen sein. Ein weiterer Grund, große Teilmengen von W(κ) zu untersuchen, ist die ihnen innewohnende Ordnung. Ist κ eine Kardinalzahl, so ist:

FE  = { X ⊆ W(κ) | X ⊇ W(κ) − W(α) für ein α < κ }

ein Filter auf M. Groß wird hier als

„X enthält ein Endstück von W(κ)“

interpretiert. Ist κ ≥ ω regulär, so ist der Endstück-Filter identisch mit F< κ. Für singuläre κ ≥ ω ist FE ⊂ F.