Metaebene und Metamathematik

 Bei der Festsetzung und Analyse des formalen Rahmens für die Mengenlehre oder allgemeiner für die Mathematik befinden wir uns auf einer anderen Ebene als üblich. Wir diskutieren keine inhaltlichen Fragen über Mengen oder andere mathematischen Objekte, sondern formulieren die Sprache und die Regeln einer solchen Diskussion. Diese zweite Ebene wird als „Metaebene“ bezeichnet. Die Metaebene beschäftigt sich − in mathematischer Weise − mit der Mathematik selbst.

 In den ersten beiden Abschnitten wurde ein Rahmen für die Mathematik überhaupt nicht weiter diskutiert − die Mengenlehre haben wir nach dem Schema Definition, Satz, Beweis entwickelt in einer für die Mathematik geeigneten Form der Umgangssprache, in der z. B. „es gibt ein x“ per Konvention bedeutet „es gibt mindestens ein x“. Was ein Satz, eine Definition, ein Beweis ist, wurde nie besprochen − man lernt diese Dinge durch Nachahmung.

 Nun wollen wir die Mengenlehre als mathematische Theorie betrachten, und dabei z. B. die Frage beantworten, was eine mengentheoretische Eigenschaft ist. Unser Vorgehen ist dabei dem der üblichen Mathematik sehr ähnlich. Im Unterschied zur üblichen Mathematik besitzt die Metaebene jedoch einen gänzlich finiten Charakter, ihre Gegenstände sind konkrete Objekte, nämlich Zeichenreihen und Listen von Zeichenreihen. (Oder in einer akustischen Kultur: Lautfolgen und Sequenzen von Lautfolgen.)

 Auf der Metaebene haben wir ein gewisses Maß an mathematischen Hilfsmitteln zur Verfügung, etwa die (metamathematischen) natürlichen Zahlen, einfache Arithmetik mit diesen Zahlen, usw. Wir verzichten hier darauf, genau aufzulisten, welche mathematischen Hilfsmittel wir auf der Metaebene verwenden. Es genügt uns hier, darauf zu achten, dass wir den finiten Charakter der Metaebene an keiner Stelle sprengen. Fertige unendliche Objekte werden an keiner Stelle benötigt. Auch Aussagen wie „für alle metamathematischen n gilt …“ werden nie wirklich für alle n benötigt − wie auch in einer endlichen Welt ? −, sondern sagen uns, was für ein beliebiges konkretes n gilt, und die zugehörigen Beweise zeigen uns, warum dies für jedes n so sein muss. Wir lassen Induktion und Rekursion als eine Sprechweise zu, die letztendlich lediglich Schemata generiert. Alles auf der Metaebene ist effektiv und in konkreten Fällen auflösbar. Der Leser betrachte etwa: „Jeder Satz, der aus den Worten ‚Aal‘, ‚Waage‘ und ‚rabenschwarz‘ zusammengesetzt ist, hat eine gerade Anzahl von Buchstaben ‚a‘.“ Um dies einzusehen, brauchen wir nicht wirklich eine Metatheorie, die über unendliche Mengen von Sätzen redet, Funktionen auf den metamathematischen natürlichen Zahlen studiert, usw. Eine Induktion über die Anzahl n der Wörter eines Satzes bestehend aus den drei Wörtern zeigt die Behauptung, und ist völlig gleichwertig zu: „Streiche das letzte Wort und addiere 2 zur bisherigen Anzahl der gefundenen a’s. Wiederhole das Verfahren, bis kein Wort mehr übrig ist.“

 Auch von endlichen oder effektiv unendlichen Mengen auf der Metaebene zu reden ist problemlos. Um die Ebenen auseinanderzuhalten, und um den effektiven Charakter der Metaebene zu betonen, reden wir aber bevorzugt von Listen.

 Die Metamathematik besteht aus den Ergebnissen, die sich über eine formalisierte Mathematik gewinnen lassen. Resultate der Metamathematik sind:

„Die Kontinuumshypothese ist in ZFC weder beweisbar noch widerlegbar,

wenn ZFC widerspruchsfrei ist.“

„Die Widerspruchsfreiheit von ZFC kann innerhalb von ZFC nicht bewiesen werden,

wenn ZFC widerspruchsfrei ist.“

„Wenn ZF widerspruchsfrei ist, so ist auch ZFC widerspruchsfrei.“

 Durch die im ersten Abschnitt geschilderte Verwendung von Modellen wird es möglich, dass z. B. der Beweis der ersten dieser drei metamathematischen Aussagen in einer Weise geführt wird, die sich von üblichen mathematischen Beweisen kaum unterscheidet. Keineswegs wird das Ziel durch Analyse der Syntax erreicht, sondern durch Konstruktion von zwei Modellen von ZFC, in denen (CH) einmal wahr und einmal falsch ist. Aus der Korrektheit des Modellbegriffs für den formalen Rahmen folgt dann die Unmöglichkeit eines formalen Beweises von (CH) oder non (CH). Auf diese Weise kann die menschliche Seite der Mathematik in die Metaebene integriert werden. Letztendlich ist aber jeder derartige Beweis, der eine metamathematische Aussage durch eine Flucht in die Objektwelt zeigt, so effektiv wie das Zählen des Buchstabens a in einem beliebigen Satz. Er liefert im Fall der Nichtbeweisbarkeit und Nichtwiderlegbarkeit der Kontinuumshypothese ein komplexes, aber dennoch konkretes Verfahren, das folgendes leistet: Es nimmt einen Beweis in ZFC entgegen. Ist dieser Beweis ein Beweis von (CH) oder von non (CH), so wird dieser Beweis in einen Beweis von „0 = 1“ in ZFC umgewandelt.