6. Forcing und Boolesche Algebren
Wir diskutieren nun noch eine von Solovay und Scott entwickelte Version der Erzwingungsmethode, die mit Booleschen Algebren anstelle von partiellen Ordnungen operiert. Nach einem knappen Überblick über die Grundlagen der Theorie der Booleschen Algebren besprechen wir, im Rahmen der Vervollständigung einer Booleschen Algebra, wie wir von einer partiellen Ordnung 〈 P, < 〉 zu einer vollständigen Booleschen Algebra B gelangen können, in die die Ordnung P dicht eingebettet ist. Dieser Zusammenhang verbindet die beiden Zugänge zur Forcing-Theorie. Anschließend führen wir Boolesche Modelle ein und zeigen, wie wir mit ihrer Hilfe relative Konsistenzresultate gewinnen können. Methodisch sind hier die Booleschen Algebren sogar klarer als die partiellen Ordnungen. Insgesamt ergänzen sich die beiden Ansätze und ermöglichen ein vertieftes Verständnis der Erzwingungsmethode.
Boolesche Algebren
Definition (Boolesche Algebra)
Sei B eine Menge, und seien +, · : B2 → B, − : B → B, 0, 1 ∈ B.
〈 B, +, ·, −, 0, 1 〉 heißt eine Boolesche Algebra mit Träger oder Universum B, falls für alle a, b, c ∈ B gilt:
(B1) | a + (b + c) | = (a + b) + c | ||
a · (b · c) | = (a · b) · c | (Assoziativität) | ||
(B2) | a + b | = b + a | ||
a · b | = b · a | (Kommutativität) | ||
(B3) | a · (b + c) | = (a · b) + (a · c) | ||
a + (b · c) | = (a + b) · (a + c) | (Distributivität) | ||
(B4) | a + (a · b) | = a | ||
a · (a + b) | = a | (Absorption) | ||
(B5) | a + (− a) | = 1 | ||
a · (− a) | = 0 | (Komplementierung) | ||
(B6) | 0 ≠ 1 | (Verschiedenheit von 0 und 1) |
Zur Verdeutlichung schreiben wir zuweilen auch 0B, 1B, +B, usw.
Wir identifizieren häufig eine Boolesche Algebra 〈 B, +, ·, −, 0, 1 〉 mit ihrem Träger B. Die Komplementbildung „−“ bindet stärker als die Multiplikation und diese wiederum stärker als die Addition, und wir unterdrücken dem entsprechend Klammern. Wir schreiben weiter a − b für a · − b.
Die Operationen +, ·, − erfüllen alle Rechengesetze der mengentheoretischen Operationen ∪, ∩, −, die wiederum den logischen Operationen ∨, ∧, ¬ entsprechen. Wir werden unten zeigen, dass jede Boolesche Algebra isomorph ist zu einer Booleschen Algebra, bei der +, ·, −, 0, 1 durch ∪, ∩, −, ∅, M für eine gewisse Menge M interpretiert werden. Damit lassen sich die Rechenregeln in Booleschen Algebren aus der Mengenlehre importieren und müssen nicht alle erneut bewiesen werden. Der Leser, der Vergnügen daran hat, Regeln aus den definierenden Struktureigenschaften abzuleiten, kann die folgende Übung bearbeiten.
Übung
Sei B eine Boolesche Algebra. Dann gilt für alle a, b ∈ B:
(i) | a + a = a, a · a = a, |
(ii) | a + 0 = a, a + 1 = 1, |
(iii) | a · 0 = 0, a + 1 = 1, |
(iv) | − (− a) = a, − 0 = 1, − 1 = 0, |
(v) | − (a + b) = − a · − b, − (a · b) = − a + − b. |
Eine nützliche zusätzliche zweistellige Operation auf einer Booleschen Algebra ist:
Definition (a ⇒ b)
Sei B eine Boolesche Algebra. Dann definieren wir für alle a, b ∈ B:
a ⇒ b = (− a) + b.
Die Definition der Operation ⇒ ist motiviert durch die Äquivalenz:
φ → ψ gdw ¬ φ ∨ ψ.
Die partielle Ordnung einer Booleschen Algebra
Jede Boolesche Algebra bringt eine natürliche partielle Ordnung mit sich:
Definition (die Ordnung ≤ auf einer Booleschen Algebra)
Sei B eine Boolesche Algebra. Dann definieren wir für a, b ∈ B:
a ≤ b, falls a · b = a.
Wir schreiben wieder ≤B statt ≤, wenn dies nötig ist.
Man zeigt leicht, dass ≤ eine partielle Ordnung auf B mit kleinsten Element 0 und größtem Element 1 ist. Für alle Elemente a, b einer Booleschen Algebra gilt: a ≤ b gdw a + b = b gdw a ⇒ b = 1.
Die partielle Ordnung P = 〈 B − { 0 }, ≤ 〉 der positiven Elemente von B ist separativ, denn für alle a, b ∈ P mit non(a ≤ b) ist a − b ≤ a und inkompatibel mit b in P.
Übung
Sei B eine Boolesche Algebra. Dann gilt für alle a, b, c, d ∈ B:
(i) | a + b ist das Supremum von a und b in 〈 B, ≤ 〉 |
(ii) | a · b ist das Infimum von a und b in 〈 B, ≤ 〉 |
(iii) | a ≤ b und c ≤ d impliziert a + c ≤ b + d und a · c ≤ b · d |
(iv) | a ≤ b impliziert − b ≤ − a |
Unteralgebren, Einbettungen, Isomorphismen
Diese Begriffe sind wie üblich definiert. Wir geben die Definitionen der Vollständigkeit halber an.
Definition (Unteralgebra, A ⊆ B)
Seien A, B Boolesche Algebren. A heißt eine Unteralgebra von B, in Zeichen A ⊆ B, falls gilt:
(i) | Der Träger von A ist eine Teilmenge des Trägers von B. |
(ii) | Die Operationen von A sind die Einschränkungen der Operationen von B, d. h. es gilt +A = +B|A2, ·A = ·B|A2, −A = −B|A, |
(iii) | 0A = 0B, 1A = 1B. |
Definition (Homomorphismus, Einbettung, Isomorphismus, A ≺ B, A ≃ B)
Seien A, B Boolesche Algebren. Eine Funktion f : A → B heißt ein Homomorphismus von A in B, falls für alle a, b ∈ A gilt:
(i) | f(a +A b) = f (a) +B f (b) |
(ii) | f(a ·A b) = f (a) ·B f (b) |
(iii) | f(−A a) = −B f (a) |
(iv) | f (0A) = 0B, f (1A) = 1B |
Ist f injektiv, so heißt f eine Einbettung von A in B. Ist f bijektiv, so heißt f ein Isomorphismus zwischen A und B.
Entsprechend definieren wir:
Definition (einbettbar, isomorph, A ≼ B und A ≃ B)
Seien A, B Boolesche Algebren.
(i) | A heißt einbettbar in B, falls eine Einbettung von A in B existiert. Ist A einbettbar in B, so schreiben wir A ≼ B. |
(ii) | A und B heißen isomorph, falls ein Isomorphismus zwischen A und B existiert. Sind A und B isomorph, so schreiben wir A ≃ B. |
Filter und Ideale auf Booleschen Algebren
Für Boolesche Algebren liest sich der mengentheoretische Filter und Idealbegriff wie folgt:
Definition (Filter, Ideal, Ultrafilter, Primideal)
Sei B eine Boolesche Algebra. Ein F ⊆ B heißt ein Filter auf B, falls gilt:
(i) | 1 ∈ F, 0 ∉ F. |
(ii) | Für alle a, b ∈ F gilt a · b ∈ F. |
(iii) | Für alle a ∈ F und alle b ∈ B mit a ≤ b gilt b ∈ F. |
Ein Filter F heißt ein Ultrafilter, falls für alle b ∈ B gilt, dass b ∈ F oder − b ∈ F.
Ein I ⊆ B heißt ein Ideal bzw. ein Primideal auf B, falls B − F ein Filter bzw. Ultrafilter ist.
Ist B = 〈 ℘(M), ∪, ∩, −, ∅, M 〉, so fallen die neuen Begriffe mit den alten zusammen (wobei man hier auch oft von Filtern und Idealen auf M spricht anstatt auf ℘(M)). Diese Mengenalgebren betrachten wir gleich noch genauer.
Für alle a ∈ B − { 1 } ist Ia = { b ∈ B | b ≤ a } ein Ideal auf B und entsprechend ist Fa = { b ∈ B | a ≤ b } für alle a ∈ B − { 1 } ein Filter auf B.
Ist I ein Ideal auf B, so definieren wir für alle a, b ∈ B:
a ∼I b, falls a Δ b = (a − b) + (b − a) ∈ I.
Auf C = B/∼I können wir nun Boolesche Operationen einführen. Wir schreiben ∼ für ∼I und setzen für alle a/∼ und b/∼ ∈ C:
a/∼ + b/∼ = (a + b)/∼
a/∼ · b/∼ = (a · b)/∼
− a/∼ = (− a)/∼
0 = 0/∼, 1 = 1/∼
Es ist leicht zu zeigen, dass diese Operationen wohldefiniert sind, und dass C unter ihnen zu einer Booleschen Algebra wird.
Definition (Quotientenalgebra)
Für ein Ideal I auf B heißt C = B/∼I die Quotientenalgebra von B modulo I.
Die Abbildung f : B → B/I mit f (a) = a/∼ ist ein Homomorphismus. Ist umgekehrt f : B → C ein Homomorphismus zwischen zwei Booleschen Algebren, so ist der Kern von f, also
I = { a ∈ B | f (a) = 0 },
ein Ideal auf B. Ist der Homomorphismus f : B → C surjektiv, so ist C isomorph zur Quotientenalgebra B/I.
Der Satz von Tarski über die Existenz von Ultrafiltern gilt auch im Kontext von Booleschen Algebren:
Satz (Satz von Tarski)
Sei B eine Boolesche Algebra, und sei F ein Filter auf B. Dann existiert ein Ultrafilter U auf B mit U ⊇ F. Speziell gilt: Sind a, b ∈ B mit non(a ≤ b), so existiert ein Ultrafilter U auf B mit a ∈ U und b ∉ U.
Der Satz kann wie für Ultrafilter auf Mengen entweder mit einem Maximalitätsprinzip oder mit transfiniter Induktion bewiesen werden. Den Zusatz erhält man durch Fortsetzung des Filters Fa − b = { c ∈ B | a − b ≤ c } zu einem Ultrafilter U auf B.
Mengenalgebren
Die wichtigsten Beispiele für Boolesche Algebren sind Mengenalgebren. Ist M eine nichtleere Menge, so ist 〈 ℘(M), ∪, ∩, −, ∅, M 〉 eine Boolesche Algebra, wobei hier ∪, ∩, − die üblichen Operationen der Vereinigung, Schnittbildung und Komplementbildung auf ℘(M) sind und also als Addition, Multiplikation bzw. Komplementbildung aufgefasst werden. Die 0 der Booleschen Algebra ist die leere Menge, und die 1 ist die Menge M.
Definition (Mengenalgebra)
Eine Boolesche Algebra B heißt die volle Mengenalgebra auf einer Menge M, falls B = 〈 ℘(M), ∪, ∩, −, ∅, M 〉.
Eine Boolesche Algebra A heißt eine Mengenalgebra auf M, falls A eine Subalgebra der vollen Mengenalgebra auf M ist.
Die einfachste volle Mengenalgebra ist:
Definition (die Boolesche Algebra 2)
Wir setzen:
2 = „die volle Mengenalgebra auf { ∅ }“.
Der Träger von 2 ist { ∅, { ∅ } } = { 0, 1 } ⊆ ω, und es gilt 02 = ∅, 12 = { ∅ }. Die Operationen der Booleschen Algebra 2 lauten:
a | b | a +2 b | a ·2 b |
0 | 0 | 0 | 0 |
0 | 1 | 1 | 0 |
1 | 0 | 1 | 0 |
1 | 1 | 1 | 1 |
a | −2 a |
0 | 1 |
1 | 0 |
Offenbar ist 2 die kleinste Boolesche Algebra, d.h. es gilt 2 ≼ B für jede Boolesche Algebra B.
Die Mengenalgebren schöpfen nun im folgenden Sinne bereits alle Booleschen Algebren aus:
Satz (Satz von Stone)
Sei B eine Boolesche Algebra. Dann ist B isomorph zu einer Mengenalgebra.
Beweis
Wir definieren f : B → ℘(℘(B)) durch:
f (b) = { U | U ⊆ B ist ein Ultrafilter auf B mit b ∈ U } für alle b ∈ B.
Sei A = rng(f) = { f (b) | b ∈ B }. Dann ist f : B → A surjektiv. Weiter ist f injektiv. Denn seien a, b ∈ B mit a ≠ b. Ohne Einschränkung gilt non(a ≤ b) (sonst vertauschen wir a und b). Nach dem Satz von Tarski existiert ein Ultrafilter U auf B mit a ∈ U und b ∉ U. Also ist f (a) ≠ f (b). Man rechnet nun leicht nach, dass A eine Mengenalgebra auf ℘(B) ist, und dass die bijektive Funktion f : B → A ein Isomorphismus ist.
Übung
Führen Sie die Details des Beweises aus.
Wie oben schon erwähnt übertragen sich aufgrund dieses Satzes alle Rechengesetze für Mengen auf Boolesche Algebren (und umgekehrt). Definieren wir z. B. die symmetrische Differenz in Booleschen Algebren wie oben bei der Bildung der Quotientenalgebra durch a Δ b = (a − b) + (b − a), so wissen wir automatisch, dass a Δ (b Δ c) = (a Δ b) Δ c gilt, denn diese Assoziativität gilt für die mengentheoretische symmetrische Differenz a Δ b = (a − b) ∪ (b − a).
Weitere Beispiele für Boolesche Algebren
Wir diskutieren nun noch zwei Typen von Booleschen Algebren, nämlich die sog. Intervallalgebren über linearen Ordnungen und die durch die mathematische Logik motivierten Lindenbaum-Tarski-Algebren.
Jede lineare Ordnung führt zu einer Booleschen Algebra durch die Betrachtung von halb offenen Intervallen. Ist 〈 M, < 〉 eine lineare Ordnung, so setzen wir für alle x, y ∈ M:
[ x, y [ | = { z ∈ M | x ≤ z < y } |
[ x, ∞ [ | = { z ∈ M | x < z } |
] − ∞, y [ | = { z ∈ M | z < y } |
] − ∞, ∞ [ | = M |
Alle und nur diese Intervalle von M gelten für das Folgende als die (nach rechts) halb offenen Intervalle in 〈 M, < 〉.
Definition (Intervallalgebra)
Sei 〈 M, < 〉 eine lineare Ordnung. Wir setzen:
B = { ⋃ E | E ist eine endliche Menge von halboffenen Intervallen in 〈 M, < 〉 }
Die Mengenalgebra 〈 B, ∪, ∩, −, 0, M 〉 heißt die Intervallalgebra der Ordnung 〈 M, < 〉.
Wir verwenden halb offene Intervalle, um die Abgeschlossenheit von B unter Komplementbildung zu erreichen.
Starten wir mit der linearen Ordnung 〈 ℚ, < 〉, so ist die zugehörige Intervallalgebra B abzählbar und zudem atomfrei:
Definition (Atom, atomfreie Boolesche Algebren)
Sei B eine Boolesche Algebra. Ein a ∈ B mit 0 < a heißt ein Atom von B, falls es kein b > 0 in B gibt mit 0 < b < a. B heißt atomfrei, falls B keine Atome besitzt.
Die Ordnung der rationalen Zahlen 〈 ℚ, < 〉 ist bis auf Ordnungsisomorphie die einzige abzählbare, dichte und unbeschränkte lineare Ordnung. Für die zugehörige Intervallordnung gilt die folgende Charakterisierung:
Übung
Sei B eine abzählbare atomfreie Boolesche Algebra. Dann ist B isomorph zur Intervallordnung von 〈 ℚ, < 〉.
Wir diskutieren schließlich noch ein Beispiel aus der mathematischen Logik. Hier werden die Booleschen Operationen durch ∨, ∧, ¬ interpretiert.
Sei T eine widerspruchsfreie Theorie in der Sprache L. Zwei L-Formeln φ, ψ heißen T-äquivalent, in Zeichen φ ∼ ψ, falls gilt:
T ⊢ φ ↔ ψ.
Man überprüft ohne Schwierigkeiten, dass ∼ eine Äquivalenzrelation auf der Menge FormL aller L-Formeln ist.
Auf der Faktorisierung der Formeln nach ∼ können wir eine Boolesche Algebra definieren. Wir setzen hierzu
BT = FormL/∼,
φ/∼ + ψ/∼ = (φ ∨ ψ)/∼, φ/∼ · ψ/∼ = (φ ∧ ψ)/∼,
− φ/∼ = (¬ φ)/∼, 0 = ⊥/∼, 1 = (¬ ⊥)/∼,
wobei das Falsum ⊥ entweder in die Sprache integriert oder ansonsten eine beliebige falsche Aussage ist wie z. B. ∃x x ≠ x. Der Leser möge beweisen, dass BT mit diesen Operationen tatsächlich eine Boolesche Algebra ist. Die Widerspruchsfreiheit von T brauchen wir dabei für 0 ≠ 1.
Definition (Lindenbaum-Tarski-Algebra)
Sei T eine widerspruchsfreie L-Theorie. Dann heißt BT die Lindenbaum-Tarski-Algebra über T.
Man kann zeigen, dass jede Boolesche Algebra isomorph zu einer Lindenbaum-Tarski-Algebra ist. Damit sind diese nichtmengentheoretischen Algebren universelle Beispiele für Boolesche Algebren.
Vollständige Boolesche Algebren
Definition (κ-vollständig, ∑ A, ∏ A)
Sei B eine Boolesche Algebra, und sei κ ≥ ω eine Kardinalzahl.
(i) | B heißt κ-vollständig, falls jede Teilmenge A von B mit |A| < κ ein Supremum bzgl. der Ordnung ≤ auf B besitzt. |
(ii) | B heißt vollständig, falls B κ-vollständig für alle κ ist. |
(iii) | B heißt σ-vollständig, falls B ω1-vollständig ist. |
Ist A ⊆ B, so setzen wir im Falle der Existenz:
∑ A | = ∑a ∈ A a | = „das Supremum von A in B bzgl. ≤“, |
∏ A | = ∏a ∈ A a | = − ∑ { − a | a ∈ A }. |
Für alle A ⊆ B ist dann ∏ A das Infimum von A bzgl. ≤.
Jede Boolesche Algebra ist trivialerweise ω-vollständig, denn für alle a, b ∈ B gilt nach obiger Übung a + b = ∑ { a, b } und a · b = ∏ { a, b }. Induktiv folgt dann
∑ { a1, …, an } | = a1 + … + an, und |
∏ { a1, …, an } | = a1 · … · an für alle a1, …, an ∈ B. |
Weiter ist ∑ ∅ = 0 und ∏ ∅ = 1. Ist B = ℘(M) die volle Mengenalgebra auf M, so ist B vollständig, und für alle A ⊆ B gilt ∑ A = ⋃ A und ∏ A = ⋂ A.
Vervollständigung und Schnitte in partiellen Ordnungen
Boolesche Algebren können wir nach der Methode von Dedekind durch eine verallgemeinerte ordnungstheoretische Schnittkonstruktion vervollständigen. Hierbei steht die separative partielle Ordnung 〈 B − { 0 }, < 〉 im Vordergrund. Es zeigt sich, dass wir ausgehend von einer beliebigen separativen partiellen Ordnung ohne Verwendung von Booleschen Operationen in natürlicher Weise eine vollständige Boolesche Algebra konstruieren können, in die die partielle Ordnung dicht eingebettet ist. Diese Tatsache verbindet die auf partiellen Ordnungen gegründete Forcing-Theorie mit der Forcing-Theorie über Booleschen Algebren. Wir stellen die Konstruktion deswegen allgemein für separative partielle Ordnungen 〈 P, < 〉 vor. Die Vervollständigung einer Booleschen Algebra B ist als Spezialfall 〈 P, < 〉 = 〈 B − { 0 }, < 〉 enthalten.
In linearen Ordnungen 〈 M, < 〉 haben Schnitte die Form (L, R) mit einem „linken“ Teil L und einem rechten Teil R: L ∪ R = M, L ∩ R = ∅, x < y für alle x ∈ L und y ∈ R. Da R = M − L gilt, können wir das Intervall L selbst als Schnitt ansehen. Dann ist ein Schnitt L ordnungstheoretisch offen in M, denn für alle x ∈ L und alle y ∈ M mit y ≤ x ist y ∈ L. Zur Vervollständigung von M verwenden wir aber nicht jede offene Menge in M. In ℚ z. B. verwenden wir L = { q ∈ ℚ | q ≤ 0 }, nicht aber die offene Menge L − { 0 }, da wir sonst einen unerwünschten Sprung in der durch Inklusion geordneten Vervollständigung erhalten würden. Die „guten“ offenen Mengen in partiellen Ordnungen sind nun die wie folgt definierten Schnitte in P, und nur sie werden wir zur Vervollständigung heranziehen.
Definition (die offenen Mengen Up)
Sei 〈 P, < 〉 eine partielle Ordnung. Dann setzen wir für p ∈ P:
Up = { q ∈ P | q ≤ p }.
Definition (Schnitt in einer separativen partiellen Ordnung)
Sei 〈 P, < 〉 eine separative partielle Ordnung. Ein offenes U ⊆ P heißt ein Schnitt in P, falls für alle p ∈ P gilt:
(+) Für alle p ∈ P gilt: Ist U dicht in P unterhalb von p, so ist p ∈ U.
Die Mengen Up sind aufgrund der Separativität der Ordnung Schnitte. Für alle Schnitte U in P und alle p ∈ P gilt: Ist Up − { p } ⊆ U, so ist p ∈ U. Diese Bedingung garantiert aber noch nicht, dass ein offenes U ein Schnitt in P ist (!).
Eine nützliche äquivalente Schnittbedingung für offene Teilmengen U von P ist die Kontraposition von (+):
(+)′ Für alle p ∉ U existiert ein q ≤ p mit U ∩ Uq = ∅.
Sind U, V Schnitte in P, so ist auch U ∩ V ein Schnitt. Allgemeiner ist ⋂ 𝒮 ein Schnitt für eine beliebige Menge 𝒮 von Schnitten. Andererseits sind i. A. die Vereinigung U ∪ V zweier Schnitte und das Komplement P − U eines Schnittes kein Schnitt mehr. Um Boolesche Operationen auf den Schnitten einführen zu können, brauchen wir also noch weitere Konstruktionen.
Definition (die Operationen int(X) und cl(X))
Sei 〈 P, < 〉 separativ, und sei X ⊆ P beliebig. Wir setzen:
int(X) | = { p ∈ P | Up ⊆ X } |
cl(X) | = { p ∈ P | Up ∩ X ≠ ∅ } |
Die Menge int(X) heißt das Innere von X und cl(X) der Abschluss von X in P.
Betrachten wir die Mengen Up, p ∈ P, als die offenen Basismengen eines topologischen Raumes 〈 P, 𝒰 〉, so sind int und cl die üblichen topologischen Operationen auf diesem Raum. Also gilt
int(X) = P − cl(P − X)
cl(X) = P − int(P − X)
Regulär offene Mengen
Die Schnitte in P lassen sich mit diesen topologischen Operationen charakterisieren. Wir definieren allgemein:
Definition (regulär offen)
Eine offene Menge U eines topologischen Raumes heißt regulär offen, falls U = int(cl(U)).
Beispiel
Der Leser betrachte die offene Einheitskreisscheibe K im ℝ2 und die punktierte Scheibe K − { 0 }. Beide Mengen sind offen, aber K − { 0 } ist nicht regulär offen. Es gilt int(cl(K − { 0 })) = K. Anschaulich gilt:
Die Operation int(cl(·)) „übermalt Punktierungen“.
Aus den Definitionen des Schnitts und der Operationen des Abschlusses und des Inneren ergibt sich folgende Äquivalenz (Beweis als Übung):
Satz (Schnitte als regulär offene Mengen)
Die im topologischen Sinne regulär offenen Mengen von 〈 P, 𝒰 〉 sind genau die Schnitte von 〈 P, < 〉. Für alle offenen U ⊆ P gilt zudem:
int(cl(U)) = „der kleinste Schnitt V in P mit U ⊆ V“.
Die Schnitte einer separativen partiellen Ordnung können wir nun mit Booleschen Operationen versehen. Im Folgenden sind alle partiellen Ordnungen stets nichtleer.
Definition (die Boolesche Algebra r. o.(P))
Sei 〈 P, < 〉 eine separative partielle Ordnung. Wir setzen:
r. o.(P) = { U ⊆ P | U ist ein Schnitt in P }
Wir definieren für alle U, V ∈ r. o.(P):
U + V | = int(cl(U ∪ V)) |
U · V | = U ∩ V |
− U | = int(P − U) |
Weiter seien 0 = ∅ und 1 = P.
Hierbei steht „r. o.“ für regulär offen. Die Algebra besteht ja aus den regulär offenen Mengen der von den Mengen Up erzeugten Topologie auf P.
Übung
Für alle U, V ∈ r. o.(P) gelten die folgenden Darstellungen:
U + V | = { p ∈ P | für alle q ≤ p ist X ∩ Uq ≠ ∅ } |
− U | = { p ∈ P | U ∩ Up = ∅ } |
Man verifiziert nun ohne Schwierigkeiten:
Satz
Sei P separativ, und sei B = r. o.(P). Weiter sei f : P → B definiert durch f (p) = Up für alle p ∈ P. Dann gilt:
(i) | B ist eine vollständige Boolesche Algebra. |
(ii) | f ist injektiv und ordnungserhaltend. |
(iii) | rng(f) ist dicht in 〈 B − { 0 }, < 〉. |
(iv) | Ist 〈 P, < 〉 = 〈 A − { 0 }, < 〉 für eine Boolesche Algebra A, so ist f ∪ { (0A, ∅) } eine Einbettung von A in B. |
Zum Ausgangspunkt dieses Zwischenabschnitts zurückkehrend definieren wir schließlich noch:
Definition (Vervollständigung einer Booleschen Algebra)
Sei A eine Boolesche Algebra. Dann heißt B = r. o.(〈 A − { 0 }, < 〉) die (Dedekind-)Vervollständigung von A.
Der nichtseparative Fall
Für nicht separative partielle Ordnungen bilden wir zuerst einen separativen Quotienten und anschließend die Boolesche Algebra der regulären Schnitte. Wir definieren:
Definition (separativer Quotient)
Sei 〈 P, < 〉 eine partielle Ordnung. Wir definieren eine Äquivalenzrelation ∼ auf P und eine Ordnung ≤ auf P/∼ durch:
p ∼ q | falls { r ∈ P | r ‖ p } = { r ∈ P | r ‖ q } |
p/∼ ≤ q/∼ | falls { r ∈ P | r ‖ p } ⊆ { r ∈ P | r ‖ q } |
Die Ordnung 〈 P/∼, < 〉 heißt der separative Quotient von 〈 P, < 〉.
Übung
∼ ist eine Äquivalenzrelation auf P, ≤ ist wohldefiniert auf P/∼ und 〈 P/∼, < 〉 ist eine separative partielle Ordnung. Weiter gilt für alle p, q ∈ P:
p/∼ ≤ q/∼ gdw für alle r ≤ p gilt r ‖ q.
Ist p ≤ q, so ist p/∼ ≤ q/∼. Gilt p/∼ ≤ q/∼, so existieren aber i. A. keine p′, q′ mit p′ ∼ p, q′ ∼ q und p′ ≤ q′. Weiter kann p/∼ = { p } für alle p gelten, ohne dass P separativ wäre. Ein Gegenbeispiel ist im folgenden Diagramm angedeutet. Die Elemente p, q zeigen, dass die Ordnung P nicht separativ ist. Für alle r ∈ P gilt r/∼ = { r } und schließlich ist p/∼ < q/∼ im separativen Quotienten.
In den folgenden Übungen ist 〈 P, < 〉 eine partielle Ordnung in einem abzählbaren transitiven Modell M von ZFC (sodass die Forcing-Relation definiert ist).
Übung
Zeigen Sie, dass die folgenden Aussagen äquivalent sind:
(i) | 〈 P, < 〉 ist separativ. |
(ii) | Für alle p, q ∈ P gilt: p ≤ q gdw p ⊩ q̂ ∈ G̋. |
Übung
Zeigen Sie, dass für alle p, q ∈ P gilt:
(i) | p/∼ ≤ q/∼ gdw p ⊩ q̂ ∈ G̋. |
(ii) | p ∼ q gdw p ⊩ q̂ ∈ G̋ und q ⊩ p̂ ∈ G̋. |
Ist 〈 P/∼, < 〉 der separative Quotient von 〈 P, < 〉, so gilt für alle p, q ∈ P:
(i) | p ≤ q impliziert p/∼ ≤ q/∼ |
(ii) | p ‖ q gdw p/∼ ‖ q/∼ |
Damit können wir nun jede partielle Ordnung in eine vollständige Boolesche Algebra verwandeln und dabei die für die Erzwingungsmethode benötigten Struktureigenschaften erhalten:
Die Einbettung einer partiellen Ordnung P in r. o.(P/∼)
Definition (die kanonische Einbettung e : P → r. o.(P/∼))
Sei 〈 P, < 〉 eine partielle Ordnung, und sei B = r. o. (P/∼). Wir definieren eine Funktion e : P → r. o.(P/∼) durch:
e(p) = Up/∼ (= { q/∼ | q ∈ P, q/∼ ≤ p/∼ }) für alle p ∈ P.
Die Funktion e heißt die kanonische Einbettung von P in B.
Bemerkung
Die Bezeichnung der Funktion als „Einbettung“ ist üblich, obwohl die Funktion e i. A. nicht injektiv ist. Sie ist injektiv, falls P separativ ist. In diesem Fall können wir auch P mit P/∼ identifizieren, wenn wir wollen. Dann ist e(p) = Up für alle p ∈ P.
Wir fassen zusammen:
Satz (Eigenschaften der Einbettung e)
Sei 〈 P, < 〉 eine partielle Ordnung, und sei B = r. o.(P/∼). Dann gilt für die kanonische Einbettung e : P → r. o.(P/∼) und alle p, q ∈ P:
(i) | rng(e) ist dicht in der partiellen Ordnung 〈 B − { 0 }, < 〉 |
(ii) | p ≤ q impliziert e(p) ≤ e(q) |
(iii) | p ‖ q gdw e(p) · e(q) ≠ 0 |
Ist 〈 P, < 〉 separativ, so ist e injektiv und es gilt die Umkehrung in (ii).
Sei 〈 P, < 〉 eine Bedingungsmenge in einem abzählbaren transitiven Grundmodell M. Weiter sei B = r. o. (P/∼) die in M berechnete zugeordnete vollständige Boolesche Algebra. Wir wollen nun zeigen, dass das Forcing mit den drei Bedingungsmengen P, P/∼ und B+ = B − { 0 } äquivalent ist, da sich die generischen Filter dieser Ordnungen ineinander übersetzen.
Für den Übergang von P zum separativen Quotienten P/∼ gilt:
Übung
(i) | Ist G ein M-generischer Filter auf P, so ist H = { p/∼ | p ∈ G } ein M-generischer Filter auf P/∼. |
(ii) | Ist H ein M-generischer Filter auf P/∼, so ist G = { p | p/∼ ∈ H } ein M-generischer Filter auf P. |
Allgemein gilt weiter, dass eine dichte Teilordnung generische Filter ererbt und erzeugt. Sei Q eine Bedingungsmenge und sei E ⊆ Q dicht in Q. Ist G ein M-generischer Filter auf Q, so ist G ∩ E ein M-generischer Filter auf 〈 E, < 〉. Ist umgekehrt H ein M-generischer Filter auf E, so ist
G = { q ∈ Q | es gibt ein h ∈ H mit h ≤ q }
ein M-generischer Filter auf Q. Nach Minimalität der Forcing-Erweiterung gilt weiter, dass M[ G ] = M[ H ]. In diesem Sinne ist das Forcing mit Q äquivalent zum Forcing mit der dichten Teilordnung E.
Da der separative Quotient P/∼ dicht in B+ = r. o. (B) − { 0 } eingebettet ist, erhalten wir zusammen mit obiger Übung:
Satz (Forcing-Äquivalenz von P und r. o.(P/∼))
Für die Bedingungsmengen P und B+ = r. o. (P/∼) − { 0 } gilt:
(i) | Ist G ein M-generischer Filter auf P, so ist H = { b ∈ B+ | es gibt ein p ∈ G mit e(p) ≤ b } ein M-generischer Filter auf B+. |
(ii) | Ist H ein M-generischer Filter auf B+, so ist G = { p ∈ P | e(p) ∈ H } ein M-generischer Filter auf P. |
Gilt (i) bzw. (ii), so ist weiter M[ G ] = M[ H ].
Damit ist das Forcing über partiellen Ordnungen und das Forcing über vollständigen Booleschen Algebren gleichwertig.
Mit unseren Ergebnissen kann man zeigen, dass viele Bedingungsmengen äquivalent aus der Sicht der Erzwingungsmethode sind. Nach obiger Übung existiert bis auf Isomorphie nur eine abzählbare atomfreie Boolesche Algebra, und damit sind dann auch je zwei atomfreie vollständige Boolesche Algebren, die eine abzählbare dichte Teilmenge besitzen, isomorph. Ist P eine abzählbare Bedingungsmenge derart, dass für alle p ∈ P inkompatible p1, p2 < p existieren, so ist r. o.(P/∼) diese bis auf Isomorphie eindeutige atomfreie vollständige Boolesche Algebra mit einer abzählbaren dichten Teilmenge. Damit produzieren je zwei abzählbare Bedingungsmengen mit dieser Verzweigungseigenschaft dieselben generischen Erweiterungen eines Grundmodells. Die kanonische derartige Bedingungsmenge ist das Cohen-Forcing 〈 < ωω, ⊃ 〉, und die generischen Erweiterungen sind hier von der Form M[ x ] für eine reelle Zahl x. Ist also P irgendeine abzählbar verzweigende Bedingungsmenge und G ein M-generischer Filter, so existiert eine Cohensche reelle Zahl x mit M[ G ] = M[ x ].
Generische Filter auf vollständigen Booleschen Algebren
Vollständige Boolesche Algebren erlauben eine wichtige neue Charakterisierung der Generizität eines Filters. Wir definieren hierzu:
Definition (M-vollständiger Ultrafilter)
Sei B eine vollständige Boolesche Algebra, und sei 𝒜 eine Menge. Ein Ultrafilter G auf B heißt 𝒜-vollständig, falls gilt:
Für alle X ⊆ G mit X ∈ 𝒜 gilt ∏ X ∈ G.
Satz (generische Filter und vollständige Ultrafilter)
In M sei B eine vollständige Boolesche Algebra. Dann sind für alle G ⊆ B äquivalent:
(a) | G ist ein M-generischer Filter auf B+ = B − { 0 }. |
(b) | G ist M-vollständiger Ultrafilter auf B. |
(c) | G ist ein Ultrafilter auf B und für alle X ⊆ G mit X ∈ M gilt: Ist ⋃ X ∈ G, so ist X ∩ G ≠ ∅. |
Beweis
(a) ↷ (b): G ist ein Filter auf B. Sei a ∈ B beliebig. Dann ist
D = { b ∈ B+ | b ≤ a oder b ≤ − a }
dicht in B+ und ein Element von M. Sei also b ∈ G ∩ D. Ist b ≤ a, so ist a ∈ G. Ist b ≤ − a, so ist − a ∈ G. Damit ist G ein Ultrafilter auf B.
Sei nun X ⊆ G mit X ∈ M. Sei c = ∏ X. Dann ist
D = { b ∈ B+ | b ≤ c } ∪ { b ∈ B+ | es gibt ein a ∈ X mit b ⊥ a }
dicht in B+ und ein Element von M. Sei also b ∈ D ∩ G. Wegen G Filter ist dann b ≤ c, und damit c ∈ G.
(b) ↷ (a): Als Ultrafilter G auf B ist G ein Filter auf der Bedingungsmenge B+. Sei also D ∈ M eine dichte Teilmenge von B+. Annahme, G ∩ D = ∅. Sei X = { − a | a ∈ D }. Dann ist X ∈ M und X ⊆ G, da G Ultrafilter. Sei c = ∏ X. Nach Voraussetzung ist c ∈ G. Aber für alle a ∈ D ist c ≤ − a, also c · a = 0. Wegen D dicht in B+ ist dann aber c · b = 0 für alle b ∈ B+ und damit c = 0, im Widerspruch zu c ∈ G.
(b) ↷ (c) und (c) ↷ (b): Übung.
Nach dieser Analyse des Zusammenhangs zwischen partiellen Ordnungen und Booleschen Algebren diskutieren wir nun den eigentlich neuen Aspekt dieses Zugangs zur Erzwingungstheorie:
Boolesche Modelle
In den üblichen Modellen ist eine Aussage entweder „wahr“ (Wahrheitswert 1) oder „falsch“ (Wahrheitswert 0). In den Booleschen Modellen werden die Wahrheitswerte 0 und 1 durch die Elemente einer vollständigen Booleschen Algebra B ersetzt:
Definition (Boolesches Modell, B-Modell)
Sei B eine vollständige Boolesche Algebra. Weiter sei A eine nichtleere Klasse, und es seien ∥· = ·∥ und ∥· ∈ ·∥ Funktionen von A2 nach B.
Dann heißt 〈 A, ∥· = ·∥, ∥· ∈ ·∥ 〉 ein Boolesches (Klassen-)Modell mit Wahrheitswerten in B oder kurz ein B-Modell mit Universum A, falls für alle a, b, c ∈ A gilt:
(i) | ∥a = a∥ = 1 |
(ii) | ∥a = b∥ = ∥b = a∥ |
(iii) | ∥a = b∥ · ∥b = c∥ ≤ ∥a = c∥ |
(iv) | ∥a = b∥ · ∥b ∈ c∥ ≤ ∥a ∈ c∥ |
(v) | ∥a = b∥ · ∥c ∈ b∥ ≤ ∥c ∈ a∥ |
Wir identifizieren oft ein Boolesches Modell mit seinem Universum. Die Sprache Boolescher Modelle besteht aus zwei Relationssymbolen ∈ und =, die in Booleschen Modellen dieser Sprache prinzipiell beliebig interpretiert werden können. Lediglich die Forderungen (i) − (v) müssen erfüllt sein.
Wir nennen ∥a = b∥ auch den Wahrheitswert der Gleichheit von a und b, und ∥a ∈ b∥ den Wahrheitswert der Elementbeziehung zwischen a und b. Die Forderungen (i) − (v) reflektieren die Gleichheitsaxiome der Logik. Sie fordern, dass die Gleichheit eine Äquivalenzrelation ist ((i) − (iii)), die die ∈ -Relation respektiert ((iv) − (v)).
Lesen wir 1 als „wahr“, „sicher“ oder „unbedingt gültig“ und die Multiplikation als ∧, und erinnern wir uns weiter daran, dass a ≤ b genau dann gilt, wenn a ⇒ b = 1, so liest sich die dritte Forderung z. B. als
„∥a = b∥ ∧ ∥b = c∥ ⇒ ∥a = c∥ ist sicher gültig für alle a, b, c ∈ A“.
Die Wahrheitswerte ∥a = b∥ und ∥a ∈ b∥ können wir für die vollständige Boolesche Algebra 2 = { 0, 1 } mit „falsch“ und „wahr“ identifizieren, und in diesem Sinne sind die üblichen Modelle 〈 A, ∈ 〉 = 〈 A, =, ∈ 〉 spezielle 2-Modelle. Wir gehen unten hierauf noch genauer ein.
Als Nächstes definieren wir den Wahrheitswert einer Formel, die über bestimmte Elemente des Universums spricht. Dieser Wahrheitswert ist ein Element der zugrunde liegenden Booleschen Algebra. Er errechnet sich rekursiv aus den Wahrheitswerten für die Gleichheit und die Elementbeziehung.
Definition (Wahrheitswerte ∥φ(a1, …, an)∥ in B-Modellen)
Sei 〈 A, ∥· = ·∥, ∥· ∈ ·∥ 〉 ein Boolesches Modell. Wir definieren für alle Formeln φ(x1, …, xn) und alle a1, …, an ∈ A den Wahrheitswert von φ in A bei a1, …, an, in Zeichen ∥φ(a1, …, an)∥, rekursiv durch:
(i) | ∥xi = xj (a1, …, an)∥ = ∥ai = aj∥ |
(ii) | ∥xi ∈ xj (a1, …, an)∥ = ∥ai ∈ aj∥ |
(iii) | ∥(φ ∧ ψ) (a1, …, an)∥ = ∥φ(a1, …, an)∥ · ∥ψ(a1, …, an)∥ |
(iv) | ∥(¬ φ)(a1, …, an)∥ = − ∥φ(a1, …, an)∥ |
(v) | ∥(∀xi φ(x1, …, xn) (a1, …, an)∥ = ∏a ∈ A ∥φ(a1, …, ai − 1, a, ai + 1, …)∥ |
Genauer schreiben wir ∥φ∥A statt ∥φ∥, falls nötig.
Die Vollständigkeit der Booleschen Algebra B wird entscheidend im Allquantorschritt der Definition verwendet.
Auch wenn A eine echte Klasse ist, so betrifft die Infimumsbildung im Allquantorschritt nicht wirklich echte Klasse. Denn die Boolesche Algebra B ist eine Menge, und für eine hinreichend große Ordinalzahl α = α(φ, a1, …, an) ist dann
{ ∥φ(…, a, …)∥ | a ∈ A } = { ∥φ(…, a, …)∥ | a ∈ A ∩ Vα }.
Offiziell läuft das Supremum also nur über die Menge A ∩ Vα.
Aus der Definition der Disjunktion und Implikation und des Existenzquantors ergibt sich dann:
∥(φ ∨ ψ) (a1, …, an)∥ = ∥φ(a1, …, an)∥ + ∥ψ(a1, …, an)∥
∥(φ → ψ) (a1, …, an)∥ = ∥φ(a1, …, an)∥ ⇒ ∥ψ(a1, …, an)∥
∥(∃xi φ(x1, …, xn) (a1, …, an)∥ = ∑a ∈ A ∥φ(a1, …, ai − 1, a, ai + 1, …)∥
Der Begriff der Gültigkeit bleibt unverändert dem Wahrheitswert 1 vorbehalten:
Definition (Gültigkeit in Booleschen Modellen)
Sei A ein B-Modell. Sei φ(x1, …, xn) eine Formel, und seien a1, …, an ∈ A. Wir sagen:
φ(a1, …, an) gilt in A, falls ∥φ(a1, …, an)∥ = 1.
A heißt ein Modell einer Theorie ∑, falls jedes φ ∈ ∑ in A gilt.
Speziell gilt eine Implikation φ → ψ in einem B-Modell A genau dann, wenn ∥φ∥ ≤ ∥ψ∥.
Aufgrund der Vollständigkeit von B können wir auch allgemeiner den Wahrheitswert einer Theorie ∑ in A definieren als ∥∑∥ = ∏φ ∈ ∑ ∥φ∥. Dann ist A genau dann ein Modell von ∑, wenn ∥∑∥ = 1 gilt.
Boolesche Modelle und übliche Modelle
Wie oben schon erwähnt können wir jedes verallgemeinerte Klassenmodell 〈 A, E 〉 = 〈 A, =, E 〉 als B-wertiges Modell für die Boolesche Algebra 2 = { 0, 1 } auffassen, indem wir die Wahrheitswerte für „a = b“ und „a E b“ gleich 1 oder 0 setzen, je nachdem, ob a = b bzw. a E b gilt oder nicht. Allgemeiner können wir dies für Modelle der Form 〈 A, I, E 〉 tun, wo die „Identitäts“-Relation I nicht mehr die echte Identität sein muss, sondern lediglich eine Kongruenzrelation auf A für die Relation E ist, d. h. eine die Relation E respektierende Äquivalenzrelation auf A.
Umgekehrt führt uns nun ein Ultrafilter auf B von einem B-Modell zu einem Modell 〈 A, I, E 〉 und nach einer Faktorisierung gemäß der Identitäts-Relation I zu einem üblichen Modell. Der Ultrafilter reduziert die Flut der Wahrheitswerte in B wieder auf „wahr“ und „falsch“. Wir definieren:
Definition (Faktorisierung eines B-Modells nach einem Ultrafilter)
Sei A ein B-Modell, und sei U ein Ultrafilter auf B. Wir definieren eine Äquivalenzrelation ∼ auf A durch:
a ∼ b falls ∥a = b∥ ∈ U.
Weiter definieren wir eine Relation E auf den ranggestutzten Äquivalenzklassen [ a ] = (a/∼)cut durch:
[ a ] E [ b ] falls ∥a ∈ b∥ ∈ U für alle a, b ∈ VB.
Wir setzen dann A/U = 〈 { [ a ] | a ∈ A }, E 〉. Das Klassenmodell A/U heißt die U-Faktorisierung von A.
Es ist leicht zu sehen, dass die Definition der E-Relation nicht von der Wahl der Repräsentanten abhängt. Zur weiteren Untersuchung der Faktorisierung betrachten wir eine für sich interessante und natürliche Reichhaltigkeitseigenschaft von Booleschen Modellen.
Maximale Boolesche Modelle
Wir definieren nun einen speziellen Typ von „guten“ Booleschen Modellen. Alle konstruierten Modelle werden diesem Typ angehören.
Definition (maximales B-Modell)
Sei A ein B-Modell. A heißt maximal, falls für alle Formeln φ(x, x1, …, xn) und alle a1, …, an ∈ A ein a ∈ A existiert mit:
∥∃x φ(x, a1, …, an)∥ = ∥φ(a, a1, …, an)∥.
Das in ∥∃x φ(x, a1, …, an)∥ gebildete Supremum wird also angenommen. Die Wahrheitswerte von Existenzaussagen werden durch Zeugen im Universum A des Modells belegt.
Die Maximalität von A hat zur Folge, dass die Gültigkeit im faktorisierten Modell durch den Ultrafilter kontrolliert wird:
Satz (Faktorisierung von maximalen B-Modellen)
Sei A ein maximales B-Modell, und sei U ein Ultrafilter auf B. Dann gilt für alle Formeln φ und alle a1, …, an ∈ A:
A/U ⊨ φ[ [ a1 ], …, [ an ] ] gdw ∥φ(a1, …, an)∥ ∈ U.
Der einfache Beweis durch Induktion über den Formelaufbau sei dem Leser zur Übung überlassen. Die Maximalität des B-Modells wird dabei im Quantorschritt verwendet.
Der Korrektheitssatz für Boolesche Modelle
Eine Routineüberprüfung zeigt den für metamathematische Aspekte bedeutenden Korrektheitssatz für Boolesche Modelle:
Satz (Korrektheitssatz für Boolesche Modelle)
Sei T eine Theorie, und sei A ein B-Modell von T. Weiter sei ψ eine Aussage mit T ⊢ ψ. Dann gilt ψ in A.
Wie die übliche Gültigkeitsrelation ist die Definition der Wahrheitswerte in einem B-Modell derart, dass sie die logischen Axiome und Schlussregeln respektiert. Wir illustrieren dies am Beispiel von Modus Ponens: Ist ∥φ → ψ∥ = 1 und ∥φ∥ = 1 in A, so ist auch ∥ψ∥ = 1, denn es gilt
∥ψ∥ = ∥0 ∨ ψ∥ = ∥1 → ψ∥ = ∥φ → ψ∥ = 1.
Diese kurze Rechnung ist schon ein Hauptelement des Beweises des Korrektheitssatzes, wenn der Hilbert-Kalkül als formales Herleitungssystem zugrunde gelegt wird.
Der Korrektheitssatz liefert wie gewohnt die Möglichkeit, die Konsistenz einer Aussage relativ zu einer Theorie ∑ zu zeigen. Für Boolesche Modelle liest sie sich wie folgt:
Satz (relative Konsistenzbeweise mit Booleschen Modellen)
Sei ∑ eine Theorie, und sei A ein B-Modell von ∑. Weiter sei ψ eine Aussage mit ∥ψ∥ ≠ 0. Dann ist ψ relativ konsistent zu ∑.
Beweis
Andernfalls gilt ∑ ⊢ ¬ ψ. Dann gilt aber ∥¬ ψ∥ = 1, und damit
∥ψ∥ = − ∥¬ ψ∥ = 0,
Widerspruch.
Damit steht uns eine neue Welt offen, in der wir die Grenzen von ZFC erkunden können. Wir arbeiten in ZFC. Für eine beliebige vollständige Boolesche Algebra B definieren wir nun ein Boolesches Modell A und zeigen, dass in A alle ZFC-Axiome gelten. Dann ist jede Aussage φ, die in A einen Wahrheitswert ungleich 0 besitzt, relativ konsistent zu ZFC. Die Konsistenzfragen über generische Filter entfallen. Ebenso müssen keine transitiven Mengenmodelle mehr verwendet werden, denn die Booleschen Modelle erben die Vorteile der Klassenmodelle.
Da wir maximale B-Modelle konstruieren werden, können wir durch Faktorisierung mit Hilfe von Ultrafiltern zu üblichen Modellen zurückkehren, wenn wir möchten. Ist A ein maximales B-Modell von ZFC und gilt a = ∥φ∥ ≠ 0, so ist die Faktorisierung A/U ein Modell von ZFC + φ für jeden Ultrafilter U auf B mit a ∈ U. Der Korrektheitssatz für Boolesche Modelle wird dann für relative Konsistenzargumente gar nicht benötigt.
Wir haben gesehen, dass Bedingungsmengen zu vollständigen Booleschen Algebren aufgewertet werden können, und damit wissen wir bereits, welche Booleschen Algebren für welche metamathematischen Ziele in Frage kommen. Wie erwartet lässt sich dann z. B. die vollständige Boolesche Algebra der Bedingungsmenge part(ω × ω2, 2) dazu verwenden, um ein B-Modell zu konstruieren, in welchem 2ω = ω2 den Wahrheitswert 1 besitzt. Ein Wahrheitswert ungleich 0 würde für einen relativen Konsistenzbeweis bereits genügen.
Nach dieser Aufstellung des Booleschen Rahmens wollen wir nun maximale B-wertige Klassenmodelle konstruieren.
Die Booleschen Modelle VB
Sei B eine vollständige Boolesche Algebra. Wir definieren ein Boolesches Klassenmodell mit Wahrheitswerten in B. Das Universum dieses Modells entsteht durch ein rekursives „Ankleben“ von Wahrheitswerten in B. Diese „Wahrheitszettel“ drücken wir durch Funktionen aus.
Definition (die Klasse VB)
Wir definieren rekursiv für α ∈ On:
VB0 | = ∅ |
VBα + 1 | = { u | u ist eine Funktion, dom(u) ⊆ VBα, rng(u) ⊆ B } |
VBλ | = ⋃α < λ VBα |
Weiter setzen wir VB = ⋃α ∈ On VBα.
Für die ersten Stufen gilt:
VB0 = ∅, VB1 = { ∅ }
VB2 = V1 ∪ { { (∅, b) } | b ∈ B }
Man zeigt durch Induktion, dass VBα ⊆ VBα + 1 für alle Ordinalzahlen α gilt. Die Hierarchie ist weiter strikt aufsteigend, da |VBα + 1| ≥ |℘(VBα)| > |VBα|.
Wir definieren nun die Wahrheitsfunktionen für die Gleichheit und die Elementbeziehung für das Universum VB und zeigen, dass wir dadurch ein Boolesches Modell erhalten. Die folgenden Zeilen bilden das Herz der Booleschen Erzwingungstheorie. Die Formeln für Epsilon und Identität präsentieren wir ohne Umschweife und Motivation ad hoc, wie es für derartige Zauberformeln auch sein darf. Nach kurzer Gewöhnungsphase lesen sie sich sehr natürlich und sind dann entsprechend einfach zu merken und anzuwenden.
Definition (Gleichheit und Elementbeziehung für VB)
Wir definieren rekursiv ∥u ∈ v∥ und ∥u = v∥ für alle u, v ∈ VB durch:
(a) | ∥u ∈ v∥ | = ∑t ∈ dom(v) (v(t) · ∥t = u ∥), | |
(b) | ∥u = v∥ | = ∥u ⊆ v∥ · ∥v ⊆ u∥, wobei | |
∥u ⊆ v∥ | = ∏t ∈ dom(u) (u(t) ⇒ ∥t ∈ v∥). |
Die Rekursion kann z. B. über (rang(u), rang(v)) ∈ On2 unter der durch die Paarungsfunktion Γ gegebenen Wohlordnung von On2 verlaufen. Wir verwenden im Folgenden geeignete zugrunde liegende Wohlordnungen von On2, On3, usw. ohne weiteren Kommentar.
Wir verwenden ∏ ∅ = 1 und ∑ ∅ = 0, sodass sich speziell ergibt:
∥∅ = ∅∥ = 1, ∥u ∈ ∅∥ = 0, ∥∅ ⊆ u∥ = 1,
∥u ⊆ ∅∥ = ∏t ∈ dom(u) − u(t).
Für alle u ∈ VB und alle t ∈ dom(u) ist u(t) eine erste Approximation für den Wahrheitswert von „t ist ein Element von u“. Der intendierte Wahrheitswert kann aber größer sein als u(t), denn es kann t′ ∈ dom(u) geben, die einen großen Wahrheitswert für „t ist gleich t′“ und einen großen Wert u(t′) aufweisen. Diese Überlegungen motivieren das Supremum in der Definition der Elementrelation. Die Definition der Wahrheitswerte für die Teilbarkeitsrelation und folglich für die Gleichheit ist dann nur konsequent.
Wir wollen nun zeigen, dass VB zusammen mit den obigen Wahrheitswertfunktionen ein Boolesches Modell über B ist.
Satz (VB ist ein B-Modell)
〈 VB, ∥· = ·∥, ∥· ∈ ·∥ 〉 ist ein B-Modell, d. h. für alle u, v, w ∈ VB gilt:
(i) | ∥u = u∥ = 1 |
(ii) | ∥u = v∥ = ∥v = u∥ |
(iii) | ∥u = v∥ · ∥v = w∥ ≤ ∥u = w∥ |
(iv) | ∥u = v∥ · ∥v ∈ w∥ ≤ ∥u ∈ w∥ |
(v) | ∥u = v∥ · ∥w ∈ v∥ ≤ ∥w ∈ u∥ |
Beweis
zu (i):
Wir zeigen durch Induktion über u, dass ∥u ⊆ u∥ = 1 und damit ∥u = u∥ = 1 gilt. Für alle t ∈ dom(u) gilt:
u(t) = u(t) · 1 =I. V. u(t) ∥t = t∥ ≤ ∑s ∈ dom(u) (u(s) ∥s = s ∥) = ∥t ∈ u∥
Damit erhalten wir:
∥u ⊆ u∥ = ∏t ∈ dom(u) (u(t) ⇒ ∥t ∈ u∥) = ∏t ∈ dom(u) 1 = 1.
zu (ii):
Klar nach Definition von ∥u = v∥ und der Kommutativität der Multiplikation in B.
Wir zeigen die Aussagen (iii) − (v) simultan durch Induktion über u, v, w.
zu (iii):
Es genügt zu zeigen:
∥u ⊆ v∥ · ∥v = w∥ ≤ ∥u ⊆ w∥.
Hierzu wiederum genügt es zu zeigen, dass für alle t ∈ dom(u) gilt:
(+) (u(t) ⇒ ∥t ∈ v∥) · ∥v = w∥ ≤ u(t) ⇒ ∥t ∈ w∥.
Nach I. V. ist aber ∥t ∈ v∥ · ∥v = w∥ ≤ ∥t ∈ w∥, und hieraus folgt die Aussage (+).
zu (iv):
Zu zeigen ist:
∥u = v∥ · ∑t ∈ dom(w) (w(t) · ∥t = v ∥) ≤ ∑t ∈ dom(w) (w(t) · ∥t = u ∥).
Nach I. V. ist aber ∥u = v∥ · ∥t = v∥ ≤ ∥t = u∥ für alle t ∈ dom(w), und hieraus folgt die Behauptung.
zu (v):
Es genügt zu zeigen:
(+) ∥v ⊆ u∥ · ∑t ∈ dom(v) (v(t) · ∥t = w ∥) ≤ ∥w ∈ u∥.
Aber für alle t ∈ dom(v) ist
∥v ⊆ u∥ · v(t) ≤Def. ⊆ (v(t) ⇒ ∥t ∈ u∥) · v(t) ≤ ∥t ∈ u∥,
also
∥v ⊆ u∥ · v(t) · ∥t = w∥ ≤ ∥t ∈ u∥ · ∥t = w∥ ≤I. V. ∥w ∈ u∥.
Hieraus folgt (+).
Damit sind für alle Formeln φ(x1, …, xn) und alle u1, …, un ∈ VB die Wahrheitswerte ∥φ(u1, …, un)∥ ∈ B definiert.
Übung
Zeigen Sie, dass für alle φ(x, x1, …, xn) und alle v, u, u1, …, un ∈ VB gilt:
∥u = v∥ ∧ ∥φ(u, u1, …, un)∥ ≤ ∥φ(v, u1, …, un)∥.
[ Entweder mit Korrektheitssatz oder durch Induktion über den Aufbau von φ. ]
Zwei sympathische und häufig verwendete Regeln betreffen die beschränkten Quantoren. Für den Existenzquantor gilt zunächst nur die Abschätzung:
∥∃u ∈ v φ(u)∥ | = ∥∃u. u ∈ v ∧ φ(u)∥ |
= ∑u ∈ VB ∥u ∈ v∥ · ∥φ(u)∥ | |
≥ ∑u ∈ dom(v) v(u) · ∥φ(u)∥ |
Durch „Einschieben“ einer logischen Äquivalenz erhalten wir anstelle der Abschätzung sogar Gleichheit. Genaueres zeigt der folgende Beweis.
Satz (Wahrheitswerte für beschränkte Quantoren)
Für alle Formeln φ(x, x1, …, xn) und alle u, v, u1, …, un ∈ VB gilt:
(i) | ∥∃u ∈ v φ(u, u1, …, un)∥ = ∑u ∈ dom(v) (v(u) · ∥φ(u, u1, …, un)∥) |
(ii) | ∥∀u ∈ v φ(u, u1, …, un)∥ = ∏u ∈ dom(v) (v(u) ⇒ ∥φ(u, u1, …, un)∥) |
Beweis
Die Aussage (ii) folgt aus (i) und den Regeln für die Negation. Zum Beweis von (i) unterdrücken wir Parameter. Die Formeln φ(t) und ∃u. u = t ∧ φ(u) sind logisch äquivalent und haben daher denselben Wahrheitswert. Mit den Distributivgesetzen folgt dann:
∑t ∈ dom(v) v(t) · ∥φ(t)∥ | = ∑t ∈ dom(v) v(t) · ∥∃u. u = t ∧ φ(u)∥ |
= ∑t ∈ dom(v) v(t) · (∑u ∈ VB ∥u = t∥ · ∥φ(u)∥) | |
= ∑u ∈ VB (∑t ∈ dom(v) v(t) · ∥u = t∥) · ∥φ(u)∥ | |
= ∑u ∈ VB ∥u ∈ v∥ · ∥φ(u)∥ | |
= ∥∃u. u ∈ v ∧ φ(u)∥ | |
= ∥∃u ∈ v φ(u)∥ |
Zuweilen sind auch die folgenden schwächeren Versionen nützlich:
Übung
Für alle Formeln φ(x) und alle u, v ∈ VB gilt:
(i) | ∥∃u ∈ v φ(u)∥ = ∑u ∈ dom(v) (∥u ∈ v∥ · ∥φ(u)∥) |
(ii) | ∥∀u ∈ v φ(u)∥ = ∏u ∈ dom(v) (∥u ∈ v∥ ⇒ ∥φ(u)∥) |
Eigenschaften von VB
Wir wollen nun zeigen, dass VB ein Modell von ZFC ist. Vorab beweisen wir noch einige für sich interessante Ergebnisse über das Modell VB, die die Konstruktion des Modells und die Definitionen der Wahrheitswerte für die Gleichheit und Elementbeziehung illustrieren. Einige davon werden darüber hinaus auch nützlich beim Beweis des Modellsatzes sein.
Mischungen und Maximalität von VB
Als erstes wollen wir das Boolesche Analogon zum Maximalitätsprinzip oder Fullness-Lemma zeigen. Hierzu betrachten wir die folgenden „Mischungen“:
Definition (die Mischung ∑i ∈ I ai ∗ ui)
Sei 〈 ai | i ∈ I 〉 eine Folge in B, und sei 〈 ui | i ∈ I 〉 eine Folge in VB. Dann definieren wir die Mischung u der ui entlang der ai, in Zeichen u = ∑i ∈ I ai ∗ ui, durch
dom(u) = ⋃i ∈ I dom(ui),
u(t) = ∑i ∈ I ai · ui(t) für alle t ∈ dom(u),
wobei ui(t) = 0 für t ∉ dom(ui) gesetzt wird.
Für Mischungen entlang Antiketten gilt:
Satz (Mischungslemma für VB)
Sei 〈 ai | i ∈ I 〉 eine Antikette in B − { 0 }, und sei u = ∑i ∈ I ai ∗ ui für eine Folge 〈 ui | i ∈ I 〉 in VB. Dann gilt:
ai ≤ ∥u = ui∥ für alle i ∈ I.
Beweis
Wegen ai · aj = 0 für alle i ≠ j in I gilt für alle i ∈ I und t ∈ dom(u):
ai · u(t) = ai · ui(t),
sodass
ai · (ui(t) − u(t)) = 0 und ai · (u(t) − ui(t)) = 0.
Damit erhalten wir
ai ≤ (ui(t) ⇒ u(t)) und ai ≤ (u(t) ⇒ ui(t)).
Hieraus folgt
ai ≤ ∥ui ⊆ u∥ · ∥u ⊆ ui∥ = ∥u = ui∥ für alle i ∈ I.
Für degenerierte Mischungen mit nur einem Summanden erhalten wir:
Korollar
Seien a ∈ B, v ∈ VB, und sei u = a ∗ v, d. h. dom(u) = dom(v) und
u(t) = a · v(t) für alle t ∈ dom(u).
Dann gilt a ≤ ∥u = v∥.
Die Mischung können wir gleichwertig auch wie folgt definieren:
Übung
Sei u = ∑i ∈ I ai ∗ ui. Wir definieren u′ durch dom(u′) = dom(u) und
u′(t) = ∑i ∈ I ai · ∥t ∈ ui∥ für alle t ∈ dom(u′).
Zeigen Sie, dass ∥u = u′∥ = 1.
Übung
Sei 〈 ai | i ∈ I 〉 eine maximale Antikette in B − { 0 }, und sei u = ∑i ∈ I ai ∗ ui. Weiter sei u′ ein Element von VB mit ai ≤ ∥u′ = u∥ für alle i ∈ I. Zeigen Sie, dass ∥u = u′∥ = 1.
Mit dem Mischungslemma können wir nun leicht zeigen:
Satz (Maximalität von VB)
VB ist maximal.
Beweis
Sei also φ(x, x1, …, xn) eine Formel, und seien u1, …, un ∈ VB. Wir finden ein u* ∈ VB mit:
∥∃u φ(u, u1, …, un)∥ = ∥φ(u*, u1, …, un)∥.
Sei hierzu a* = ∥∃u φ(u, u1, …, un)∥. Wir setzen:
D = { a ∈ B − { 0 } | a ≤ ∥φ(u, u1, …, un)∥ für ein u ∈ VB }.
Dann ist D offen dicht unterhalb von a in B − { 0 } und es gilt a* = ∑ D.
Sei 〈 ai | i ∈ I 〉 eine maximale Antikette in D. Dann gilt weiterhin a* = ∑ A.
Für alle i ∈ I sei nun (mit (AC)):
ui = „ein u ∈ VB mit ai ≤ ∥φ(u, u1, …, un)∥“.
Sei u* = ∑i ∈ I ai ∗ ui. Nach dem Mischungslemma gilt dann
ai ≤ ∥u* = ui∥ für alle i ∈ I.
Dann ist aber ai ≤ ∥φ(u*, u1, …, un)∥ für alle i ∈ I und damit ist
a* = ∑ A ≤ ∥φ(u*, u1, …, un)∥ ≤ ∥∃u φ(u, u1, …, un)∥ = a*.
Wie oben diskutiert können wir also das Modell VB mit Hilfe von Ultrafiltern faktorisieren.
Übung
Es gelte ∥∃u φ(u)∥ = 1. Sei v ∈ VB beliebig. Zeigen Sie, dass ein u ∈ VB existiert mit ∥φ(u)∥ = 1 und ∥φ(v)∥ = ∥u = v∥.
[ Sei u* ∈ VB mit ∥φ(u*)∥ = 1. Sei a = ∥φ(v)∥. Wir betrachten die Mischung u = a ∗ v + (− a) ∗ u*. ]
Wir erhalten damit folgende Regel für die universelle Gültigkeit einer Implikation mit gültig bezeugter Prämisse in VB:
Übung
Seien φ(x), ψ(x) Formeln, und es gelte ∥∃u φ(u)∥ = 1. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:
(i) | Für alle u ∈ VB gilt: ∥φ(u)∥ = 1 impliziert ∥ψ(u)∥ = 1. |
(ii) | ∥∀u. φ(u) → ψ(u)∥ = 1. |
Die Einbettung von V in VB
Die folgende Konstruktion ist uns aus der Forcing-Theorie für partielle Ordnungen schon bekannt:
Definition (die ^-Operation, x̂)
Wir definieren für alle x ∈ V ein Element x̂ von VB rekursiv durch:
x̂ = { (ŷ, 1) | y ∈ x }.
Es gilt also dom(x̂) = { ŷ | y ∈ x }. Für alle y ∈ x gilt ∥ŷ ∈ x̂∥ = 1, und für beliebige u ∈ VB rechnen wir:
∥u ∈ x̂∥ | = ∑t ∈ dom(x̂) x(t) · ∥u = t∥ |
= ∑y ∈ x x(ŷ) · ∥u = ŷ∥ | |
= ∑y ∈ x ∥u = ŷ∥. |
Weitere elementare Eigenschaften der Konstruktion sind:
Satz (Eigenschaften der ^-Operation)
Für alle x, y ∈ V gilt:
(i) | ∥x̂ = ŷ∥, ∥x̂ ∈ ŷ∥ ∈ { 0, 1 } |
(ii) | ∥x̂ = ŷ∥ = 1 gdw x = y |
(iii) | ∥x̂ ∈ ŷ∥ = 1 gdw x ∈ y |
Der Beweis kann dem Leser zur Übung überlassen bleiben. Die Aussagen (iii) und (iv) können simultan durch Induktion gezeigt werden.
Übung
Zeigen Sie: Für alle u ∈ V2 ⊆ VB gibt es genau ein x ∈ V mit ∥u = x̂∥ = 1.
[ Wir zeigen die Aussage durch Induktion nach u ∈ V2. Im I. S. u setzen wir
x = { y ∈ V | es gibt ein t ∈ dom(u) mit u(t) = 1 und ∥t = ŷ∥ = 1 }.
Eine Rechnung zeigt, dass wie gewünscht ∥u = x̂∥ = 1.]
Identifizieren wir x mit x̂, so können wir V als Teilklasse von VB auffassen. Wie zu erwarten sind dann beschränkte Formeln absolut und ∑1-Formeln aufwärts absolut:
Satz (Absolutheit zwischen V und VB)
Seien φ(x1, …, xn) eine ∑0-Formel und ψ(x1, …, xn) eine ∑1-Formel.
Dann gilt für alle x1, …, xn ∈ V:
(i) | φ(x1, …, xn) gdw ∥φ(x̂1, …, x̂n)∥ = 1, |
(ii) | ψ(x1, …, xn) impliziert ∥ψ(x̂1, …, x̂n)∥ = 1. |
Beweis
Der Beweis von (i) erfolgt durch Induktion über den Aufbau von φ. Die Aussage (ii) folgt unmittelbar aus (i).
Wie für die partiellen Ordnungen definieren wir schließlich ein spezielles Element G̋:
Definition (G̋)
Wir definieren G̋ ∈ VB durch:
G̋ = { (â, a) | a ∈ B }.
Wir untersuchen das Objekt G̋ später noch genauer.
Vollständige Unteralgebren
Ist eine Unteralgebra C von B eine vollständige Boolesche Algebra, so stimmen die in C berechneten Suprema und Infima i. A. nicht mit den in B berechneten Werten überein: C kann größere Suprema und kleinere Infima bestimmen als B, weil der Algebra C die „echten“ Suprema und Infima fehlen. Diese wünschenswerte Übereinstimmung umfasst der folgende Begriff:
Definition (vollständige Unteralgebra)
Eine Unteralgebra C von B heißt eine vollständige Unteralgebra von B, falls C vollständig ist und zudem für alle A ⊆ B gilt:
(a) | ∑C A = ∑B A |
(b) | ∏C A = ∏B A |
Ist C eine vollständige Boolesche Unteralgebra von B, so ist das Boolesche Modell VC eine Teilklasse von VB. Für die grundlegenden Wahrheitswertfunktionen der Modelle gilt:
Satz (vollständige Boolesche Teiluniversen)
Sei C eine vollständige Unteralgebra von B. Dann gilt für alle u, v ∈ VC:
(i) | ∥u ∈ v∥C = ∥u ∈ v∥B |
(ii) | ∥u = v∥C = ∥u = v∥B |
Die Aussagen zeigt man simultan durch Induktion. Eine Induktion über den Formelaufbau liefert dann:
Ist φ(x1, …, xn) eine ∑0-Formel, so gilt für alle u1, …, un ∈ VC:
∥φ(u1, …, un∥C = ∥φ(u1, …, un∥B.
Der Leser vergleiche dieses Ergebnis mit obiger Diskussion: Die Boolesche Algebra 2 ist eine vollständige Teilalgebra von B.
VB erfüllt ZFC
Wir zeigen nun, dass in VB alle ZFC-Axiome den Wahrheitswert 1 haben. Der Leser vergleiche die Argumente mit dem Satz „M[ G ] ⊨ ZFC“.
Satz
VB ist ein Modell von ZFC.
Beweis
VB ⊨ (Ext):
Für alle u, v ∈ VB gilt:
∥∀w. w ∈ u → w ∈ v∥ | = ∥∀w ∈ u w ∈ v∥ |
= ∏w ∈ dom(u) ∥w ∈ v∥ | |
≤ ∏w ∈ dom(u) (u(w) ⇒ ∥w ∈ v∥) | |
= ∥u ⊆ v∥ |
Also ist
∥∀w. w ∈ u ↔ w ∈ v∥ ≤ ∥u ⊆ v∥ · ∥v ⊆ u∥ = ∥u = v∥,
und damit
∥(∀w. w ∈ u ↔ w ∈ v) → u = v∥ = 1.
Dies genügt.
VB ⊨ (LM):
Offenbar gilt ∥∅ ist die leere Menge∥ = 1.
VB ⊨ (Fun):
Sei u ∈ VB, und sei a = ∥u verletzt Fundierung∥, d. h.
a = ∥∃v v ∈ u∥ · ∥∀v ∈ u ∃w ∈ v w ∈ u∥.
Annahme, a ≠ 0. Wegen a ≤ ∥∃v v ∈ u∥ = ∑v ∈ VB ∥v ∈ u∥ gibt es ein v* ∈ VB mit minimalem Rang für die Eigenschaft „a · ∥v* ∈ u∥ ≠ ∅“.
Aufgrund des zweiten Faktors in der Definition von a gilt
a ≤ ∥v ∈ u → ∃w ∈ v w ∈ u∥ für alle v ∈ VB,
und speziell für v* gilt damit
a · ∥v* ∈ u∥ ≤ ∥∃w ∈ v* w ∈ u∥ = ∑w ∈ dom(v*) ∥w ∈ u∥.
Also existiert ein w ∈ dom(v*) mit „a · ∥w ∈ u∥ ≠ ∅“, im Widerspruch zur rangminimalen Wahl von v*.
VB ⊨ (Un):
Nach Absolutheit gilt
∥^ω ist eine induktive Menge∥ = 1.
VB ⊨ (Pa):
Seien u, v ∈ VB, und sei w = { (u, 1), (v, 1) }. Dann gilt w ∈ VB und ∥w = { u, v }∥ = 1.
VB ⊨ (Aus):
Wir unterdrücken Parameter zur Verbesserung der Lesbarkeit. Sei also φ(x) eine Formel, und sei u ∈ VB. Wir setzen:
v = { (t, u(t) ·∥φ(t)∥) | t ∈ dom(u) }.
Dann gilt v ∈ VB und ∥v ⊆ u∥ = 1. Für alle w ∈ VB gilt:
∥w ∈ v∥ | = ∑t ∈ dom(v) (v(t) · ∥t = w∥) |
= ∑t ∈ dom(u) (u(t) · ∥φ(t)∥ · ∥t = w∥) | |
= ∑t ∈ dom(u) (u(t) · ∥φ(w)∥ · ∥t = w∥) | |
= ∥φ(w)∥ · ∑t ∈ dom(u) (u(t) · ∥t = w∥) | |
= ∥φ(w)∥ · ∥w ∈ u∥ |
Also gilt ∥w ∈ v ↔ w ∈ u ∧ φ(w)∥ = 1 für alle w ∈ VB, und damit
∥v = { w ∈ u | φ(w) }∥ = 1.
VB ⊨ (Ver):
Sei u ∈ VB. Wegen der Gültigkeit des Aussonderungsschemas genügt es, ein v ∈ VB zu finden mit ∥⋃ u ⊆ v∥ = 1, d. h.
∥∀w ∈ u ∀t ∈ w t ∈ v∥ = 1.
Wir suchen also ein v ∈ VB mit der Eigenschaft:
(+) ∥∏w ∈ dom(u) (u(w) ⇒ ∏t ∈ dom(w) (w(t) ⇒ t ∈ v))∥ = 1.
Wir setzen hierzu:
v = { (t, 1) | t ∈ ⋃w ∈ u dom(w) }.
Dann gilt (+), da der Wahrheitswert von „t ∈ v“ für alle in (+) betrachteten t gleich 1 ist.
VB ⊨ (Pot):
Sei u ∈ VB. Es genügt wieder, ein v ∈ VB zu finden, sodass
∥∀w. w ⊆ u → w ∈ v∥ = 1
d. h. es gilt
(+) ∥w ⊆ u∥ ≤ ∥w ∈ v∥ für alle w ∈ VB
Wir setzen hierzu:
v = { (z, 1) | dom(z) = dom(u) und z(t) ≤ u(t) für alle t ∈ dom(z) }
Sei nun w ∈ VB beliebig. Wir definieren z ∈ VB durch
z = { (t, u(t) · ∥t ∈ w∥) | t ∈ dom(u) }.
Dann gilt ∥z ⊆ w∥ = 1, denn
∏t ∈ dom(z) (z(t) ⇒ ∥t ∈ w∥) | = ∏t ∈ dom(u) (u(t) · ∥t ∈ w∥ ⇒ ∥t ∈ w∥) |
= 1. |
Weiter gilt:
∥w ⊆ u∥ | = ∏s ∈ dom(w) (w(s) ⇒ ∥s ∈ u∥) |
= ∏s ∈ dom(w) (w(s) ⇒ ∑t ∈ dom(u) (u(t) · ∥s = t∥)) | |
≤ ∏s ∈ dom(w) (w(s) ⇒ ∑t ∈ dom(z) (z(t) · ∥s = t∥)) | |
= ∏s ∈ dom(w) (w(s) ⇒ ∥s ∈ z∥) | |
= ∥w ⊆ z∥ | |
= ∥w ⊆ z∥ · ∥z ⊆ w∥ | |
= ∥w = z∥ |
Dies zeigt (+), da ∥z ∈ v∥ = 1 nach Definition von v.
VB ⊨ (Kol):
Wir unterdrücken wieder Parameter. Sei also φ(x, y) eine Formel.
Sei u ∈ VB. Wir finden ein v ∈ VB mit
∥∀w ∈ u. ∃z φ(w, z) → ∃z ∈ v φ(w, z)∥ = 1,
d. h.
∑z ∈ VB ∥φ(w, z)∥ ≤ ∑z ∈ dom(v) ∥φ(w, z)∥ für alle w ∈ dom(u).
Für alle w ∈ dom(u) sei α(w) minimal mit
∑z ∈ VB ∥φ(w, z)∥ = ∑z ∈ VB ∩ Vα(w) ∥φ(w, z)∥.
Sei a* = supw ∈ dom(u) α(w). Wir definieren dann v ∈ VB durch
v = { (t, 1) | t ∈ VB ∩ Vα* }.
Dann ist v ∈ VB wie gewünscht.
VB ⊨ (AC):
Sei u ∈ VB. Wir finden ein α ∈ On und ein h ∈ VB mit
(+) ∥h : ^α → u surjektiv∥ = 1.
Wegen VB ⊨ (Fun) ist „α ist eine Ordinalzahl“ ein Σ0-Konzept, und damit ist ∥^α ist eine Ordinalzahl∥ = 1. Nach (+) gilt
∥u lässt sich wohlordnen∥ = 1,
und damit gilt (AC) in VB.
Beweis von (+)
Sei d = dom(u), und seien α ∈ On und g : α → d bijektiv. Dann gilt
∥g : ^α → d̂ bijektiv∥ = 1.
Wir definieren nun f ∈ VB durch
f = { ((ŝ, s)VB, 1) | s ∈ d },
wobei für alle a, b ∈ VB gesetzt wird:
(a, b)VB = { { a }VB, { a, b }VB }VB mit { a, b } VB = { (a, 1), (b, 1) }
Für e = (a, b)VB gilt ∥e = (a, b)∥ = 1.
Dann gilt
∥dom(f) = d̂∥ = 1,
∥f (ŝ) = s∥ = 1 für alle s ∈ d,
∥f : d̂ → u surjektiv∥ = ∏s ∈ dom(u) ∑s′ ∈ dom(d̂) ∥f (s′) = s∥ = 1,
denn dom(u) = d und dom(d̂) = { ŝ | s ∈ d }. Insgesamt gilt also
∥f ∘ ĝ : ^α → u surjektiv∥ = 1.
Übung
Sei u ∈ VB mit u(t) = 1 für alle t ∈ dom(u). Sei
v = { (w, 1) | w : dom(u) → B }.
Zeigen Sie, dass ∥v = ℘(u)∥ = 1.
Mengenlehre in VB
Wir untersuchen die grundlegenden mengentheoretischen Konzepte in den neuen Booleschen Universen VB nun noch genauer. Wir beginnen mit einem Blick auf die Ordinalzahlen.
Ordinalzahlen in VB
Im Beweis oben haben wir bereits benutzt, dass ∥^α ∈ On∥ = 1 für alle Ordinalzahlen α gilt. Diese sog. Standardordinalzahlen ^α können wir einsetzen, um den allgemeinen Ordinalzahlbegriff von VB zu verstehen. Zunächst gilt (Beweis als Übung):
Satz (Ordinalzahlen in VB)
Für alle u ∈ VB gilt: ∥u ∈ On∥ = ∑α ∈ On ∥u = ^α∥.
Damit erhalten wir:
Übung
Zeigen Sie, dass für alle Formeln φ(α) gilt:
(i) | ∥∃α ∈ On φ(α)∥ = ∑α ∈ On ∥φ(^α)∥ |
(ii) | ∥∀α ∈ On φ(α)∥ = ∏α ∈ On ∥φ(^α)∥ |
Standardordinalzahlen können wir mischen, um neue Ordinalzahlen in VB zu erhalten:
Übung
Sei 〈 ai | i ∈ I 〉 eine maximale Antikette in B − { 0 }, und sei u = ∑i ∈ I ai ∗ ^αi mit Ordinalzahlen αi ∈ On. Zeigen Sie, dass ∥u ∈ On∥ = 1.
Umgekehrt gilt:
Übung
Sei v ∈ VB mit ∥v ∈ On∥ = 1. Zeigen Sie, dass ein u = ∑i ∈ I ai ∗ ^αi wie in obiger Übung existieren mit ∥v = u∥ = 1.
Konstruierbare Mengen in VB
Die obigen Resultate für die Ordinalzahlen gelten analog auch für die konstruierbaren Mengen:
Satz (konstruierbare Mengen in VB)
Für alle x ∈ L ist ∥x̂ ∈ L∥ = 1. Für alle u ∈ VB gilt:
∥u ∈ L∥ = ∑x ∈ L ∥u = x̂∥.
Beweis
„x ∈ L“ ist eine ∑1-Formel, und damit gilt ∥x̂ ∈ L∥ = 1 für alle x ∈ L nach Aufwärtsabsolutheit. Ebenso folgt aus „y = Lα“, dass ∥ŷ = L^α∥ = 1. Für alle α ∈ On gilt also ∥(Lα)^ = L^α∥ = 1. Damit rechnen wir nun:
∥u ∈ L∥ | = ∥∃α ∈ On u ∈ Lα∥ |
= ∑α ∈ On ∥u ∈ L^α∥ | |
= ∑α ∈ On ∥u ∈ (Lα)^∥ | |
= ∑α ∈ On ∑x ∈ Lα ∥u = x̂∥ | |
= ∑x ∈ L ∥u = x̂∥ |
Analog gilt auch wieder ∥∃x ∈ L φ(x)∥ = ∑x ∈ L ∥φ(x̂)∥ usw.
Kardinalzahlen in VB
Wir betrachten nun die Kardinalzahlen von VB. Hier gilt zunächst:
Satz
(a) | Ist |x| ≤ |y|, so gilt ∥|x̂| ≤ |ŷ|∥ = 1. |
(b) | Für alle κ ∈ On gilt: ∥^κ ∈ Kard∥ impliziert κ ∈ Kard. |
(c) | ∥^ω = ω∥ = 1. |
(d) | Für alle n ∈ ω ist ∥n̂ ∈ Kard∥ = 1. |
(e) | ∥(ℵα)^ ≤ ℵ^α∥. |
Beweis
zu (a), (b), (c):
Die Konzepte |x| ≤ |y|, „κ ∉ Kard“, „α ist der kleinste Limes“ sind Σ1, also aufwärts absolut.
zu (d):
Es gilt ∥∀u ∈ ω u ∈ Kard∥ = 1. Wegen ∥^ω = ω∥ = 1 ist also
∏n ∈ ω ∥n̂ ∈ Kard∥ = 1,
und damit ∥n̂ ∈ Kard∥ = 1 für alle n ∈ ω.
zu (e):
Übung
In der Forcing-Theorie für partielle Ordnungen hatten wir gesehen, dass die abzählbare Antikettenbedingung den vollständigen Erhalt der Kardinalzahlen und der Konfinalitäten garantiert. Für die Booleschen Modelle gilt analog:
Satz (Kardinalzahlen in VB unter der abzählbaren Antikettenbedingung)
B erfülle die abzählbare Antikettenbedingung. Dann gilt:
(i) | ∥κ ∈ Kard∥ = 1 für alle κ ∈ Kard |
(ii) | ∥(ℵα)^ = ℵ^α∥ = 1 |
(iii) | ∥^κ = cf (^λ)∥ = 1, falls κ = cf (λ) |