4. Die Ulam-Spirale
Eine interessante Visualisierung der Folge der Primzahlen ist von Stanislaw Ulam 1963 angegeben worden. Die natürlichen Zahlen werden hierzu spiralförmig auf dem ganzzahligen Gitter ℤ × ℤ angeordnet. Anschließend werden die Primzahlen markiert. Genauer gilt: Wir durchlaufen die Spirale gegen den Uhrzeigersinn entlang von zentrischen Quadraten. Das folgende Diagramm zeigt ein Anfangsstück dieser Anordnung.
Die Ulam-Spirale bis 121 = 112
Der Leser beachte die Quadratzahlen 1, 9, 25, 49, … auf der Diagonale des vierten Quadranten. Auf den zentrischen Quadraten des ℤ × ℤ-Gitters durchlaufen wir die Zahlenintervalle
1, 2 bis 9, 10 bis 25, 26 bis 49, …
Das n-te Quadrat der Aufzählung endet mit der Zahl (2n − 1)2. Im obigen Diagramm gibt es 6 Quadrate, sodass die Aufzählung in 121 endet.
Vergrößern wir die Aufzählung, so können wir Muster bei den Primzahlen erkennen:
Die Ulam-Spirale bis 625 = 252
Für noch größere Diagramme ist es günstig, die Primzahlen durch Punkte zu ersetzen und die zusammengesetzten Zahlen ganz wegzulassen. In dieser Form werden diagonale, horizontale und vertikale Strukturen bei den Primzahlen sichtbar.
Die Ulam-Spirale bis 10201 = 1012. Der Startpunkt ist schwarz markiert.
Wie lassen sich diese Muster erklären? Die Zahlenfolgen, die in der Ulam-Spirale auf diagonalen, horizontalen und vertikalen Geraden liegen, werden durch Polynome zweiten Grades der Form
4n2 + bn + c
mit ganzzahligen Koeffizienten b, c beschrieben. Die Diagonale 1, 9, 25, 49, … des vierten Quadranten wird zum Beispiel durch die Folge ((2n + 1)2)n ≥ 0 aufgezählt und entspricht daher dem Polynom 4n2 + 4n + 1. Weitere Beispiele sind:
4n2 − 3n + 1 | 1, 2, 11, … | (eine Horizontale) |
4n2 − 2n + 1 | 1, 3, 13, … | (eine Diagonale) |
4n2 − n + 1 | 1, 4, 15, … | (eine Vertikale) |
4n2 + 14n + 15 | 15, 33, 59, … | (eine Diagonale) |
Die Primzahl-Muster der Ulam-Spirale lassen sich also dadurch erklären, dass gewisse Polynome zweiten Grades häufig Primzahlen als Werte annehmen. Derartige Polynome wurden bereits von Euler gefunden und untersucht (der Leser vergleiche hierzu den Essay „Primzahlen in Polynomen“). Die Frage, welche Polynome zweiten Grades wie häufig Primzahlen als Werte annehmen, ist jedoch sehr schwierig zu beantworten. So ist zum Beispiel offen, ob das Polynom n2 + 1 unendlich viele Primzahlen als Werte annimmt oder nicht. Wir haben eine Visualisierung gefunden, die neue Phänomene über Primzahlen ans Licht bringt und neue Fragen aufwirft.
Eine diagonale Aufzählung
Die Idee lässt sich vielfach variieren. So können wir zum Beispiel die Anordnung nicht spiralförmig anlegen, sondern in der Form eines Dreiecks, das wir Zeile für Zeile durchlaufen. Wir verwenden im Folgenden die Cantorsche Diagonalaufzählung des Gitters ℕ × ℕ, die das Gitter in die endlichen Diagonalen
(0, 0); (0, 1), (1, 0); (0, 2), (1, 1), (2, 0); …
zerlegt. Markieren wir wieder die Primzahlen, so ergibt sich diesmal folgendes Bild :
Primzahlen in der Cantorschen Diagonalaufzählung bis 55 (10 Diagonalen)
Für größere Abschnitte verwenden wir zur Visualisierung wieder Punkte statt Zahlen:
Primzahlen in der Cantorschen Diagonalaufzählung bis 20100 (200 Diagonalen)
Auch hier sind wieder viele Primzahlmuster zu erkennen.