3.Grundlagen über Kongruenzen

Wir stellen im Überblick einige Grundlagen des Modulo-Rechnens zusammen. Für eine ausführlichere Darstellung kann der Leser beispielsweise die „Einführung in die Mathematik“ (Teil 2.1) des Autors heranziehen.

Die Division mit Rest

 Ausgangspunkt ist der folgende Satz:

Satz (Division mit Rest)

Seien a, d ganze Zahlen mit d ≥ 1. Dann gibt es eindeutige q und r mit

a  =  q d  +  r,  0  ≤  r  <  d.

Weiter gilt r = 0 genau dann, wenn d ein Teiler von a ist.

Beweis

zur Existenz:

Sei q die größte ganze Zahl mit qd ≤ a. Weiter sei r = a − qd. Dann gilt

a  =  qd  +  a  −  qd  =  qd  +  r  mit r ≥ 0.

Wegen (q + 1)d > a ist d > a − qd = r. Also sind q und r wie im Satz.

zur Eindeutigkeit:

Seien q1, q2, r1, r2 ganze Zahlen mit

a  =  q1d + r1  =  q2d + r2  mit  0 ≤ r1 ≤ r2 < d.

Dann gilt

r2 − r1  =  (q1 − q2)d.

Folglich ist r2 − r1 ein Vielfaches von d. Wegen 0 ≤ r1 ≤ r2 < d gilt 0 ≤ r2 − r1 ≤ d − 1. Also ist r2 − r1 = 0, da die Null das einzige Vielfache von d im Intervall { 0, …, d − 1 } ist. Folglich ist r1 = r2. Aus

0  =  r2 − r1  =  (q1 − q2)d

ergibt sich wegen d ≠ 0, dass q1 = q2.

Quotienten, Reste und die Kongruenzrelation modulo

Definition (Quotient, Rest)

Gilt a = q d + r wie im Satz über die Division mit Rest, so heißt q der Quotient und r der Rest der Division von a durch d.

 Sehr nützlich ist:

Satz (Charakterisierung von „gleicher Rest“)

Sei d ≥ 1. Dann haben zwei Zahlen a und b bei Division durch d genau dann den gleichen Rest, wenn ihre Differenz a − b durch d teilbar ist.

Beweis

Seien a = q1d + r1, b = q2d + r2 die Divisionen mit Rest von a und b durch d. Dann gilt

a − b  =  (q1 − q2) d  +  r1 − r2  mit  −d  <  r1 − r2  <  d.

Aus dieser Darstellung lässt sich die Äquivalenz ablesen.

 Damit können wir nun definieren:

Definition (Kongruenz, modulo)

Sei m ≥ 1. Zwei Zahlen a und b heißen kongruent modulo m, falls m ein Teiler von a − b ist. In Zeichen schreiben wir

a  ≡   b  mod(m)  [ gelesen: a kongruent b modulo m ].

 Statt d für „Divisor“ wird in der Theorie der Kongruenzen traditionell der Buchstabe m für „Modul“ verwendet. Das Wort „modulo“ geht auf das Lateinsche „modulus“ für „Maß“ zurück. Zwei ganze Zahlen a und b sind kongruent modulo m, wenn sie bei der Division durch m (beim „Messen mit dem Maßstab m“) den gleichen Rest hinterlassen. Wickeln wir die ganzen Zahlen derart auf, dass m Zahlen eine volle Windung ergeben, so bedeutet a ≡  b mod(m), dass die Zahlen a und b bei der Aufwicklung übereinander zu liegen kommen.

Notation

Wir schreiben statt a ≡  b mod(m) auch

a  ≡   b  (m)  oder  a ≡ m b.

 Beispielsweise gilt 2 ≡  7 (5) und 7 ≡  −3 (5). Die zur Zahl 7 modulo 5 kongruenten Zahlen sind …, −8, −3, 2, 7, 12, 17, … Sie bilden eine beidseitig unendliche arithmetische Progression in den ganzen Zahlen der Schrittweite 5.

 Wir schreiben im Folgenden oft wieder (a, b) statt ggT(a, b). Damit bedeutet (a, b) = 1, dass die ganzen Zahlen a und b teilerfremd sind.

Eigenschaften der Kongruenz

 Die Kongruenz modulo m ist, wie leicht zu zeigen ist, eine Äquivalenzrelation:

Satz (Eigenschaften der Kongruenz)

Sei m ≥ 1. Dann gilt für alle ganzen Zahlen a, b, c:

(a)

a  ≡   a  (m),(Reflexivität)

(b)

a  ≡   b  (m)  impliziert  b  ≡   a  (m),(Symmetrie)

(c)

a  ≡   b  (m)  und  b  ≡   c  (m)  impliziert  a  ≡   c  (m).(Transitivität)

 Wir schreiben kurz a ≡  b ≡  c (m) statt a ≡  b (m) und b ≡  c mod(m) (Kettennotation wie für =, <, ≤, …). Die wichtigsten Recheneigenschaften sind:

Satz (Kongruenzkalkül)

Sei m ≥ 1, und seien a, b, c, d ganze Zahlen mit

a  ≡   b  (m)  und  c  ≡   d  (m).

Dann gilt:

(K1)a + c  ≡   b + d  (m),
(K2)n a  ≡   n b (m) für alle n  ∈  ,
(K3)a c  ≡   b d  (m),
(K4)an  ≡   bn  (m) für alle n ≥ 0,
(K5)a  ≡   b  (d) für alle Teiler d von m mit d ≥ 1.

 Darüber hinaus gilt:

Satz (Kürzungsregel für Kongruenzen)

Seien a, b, c, m  ∈   mit m ≥ 1. Dann sind äquivalent:

(a)

ca ≡  cb  mod(m).

(b)

a ≡  b  mod(m/(c, m)).

Sind c und m teilerfremd, so gilt

ca ≡  cb  mod(m)  genau dann, wenn  a ≡  b  mod(m)

 So folgt zum Beispiel aus 2a ≡  2b (5), dass a ≡  b (5). Dagegen können wir in den Kongruenzen

2 · 4  ≡   2 · 3  mod(2)  oder  2 · 13  ≡   2 · 4  mod(6)

die 2 nicht einfach kürzen. Aus (2, 2) = 2 erhalten wir 4 ≡  3 (1) und aus (2, 6) = 2 ergibt sich 13 ≡  4 (3).

Restsysteme

 Die Eulersche φ-Funktion spielt in der Theorie der Kongruenzen eine wichtige Rolle. Im Folgenden sei r1, …, rφ(m) eine Aufzählung der zu m teilerfremden Zahlen im Intervall { 1, …, m }. Für m = 12 erhalten wir beispielsweise 1, 5, 7, 11 mit φ(12) = 4. Wir definieren:

Definition (vollständiges und reduziertes Restsystem)

Sei m ≥ 1.

(a)

Eine Menge A ⊆  heißt ein (vollständiges) Restsystem modulo m, falls für alle r = 0, …, m − 1 genau ein a  ∈  A existiert mit a ≡  r (m).

(b)

Eine Menge B ⊆  heißt ein reduziertes Restsystem modulo m, falls für alle r = r1, …, rφ(m) genau ein b  ∈  B existiert mit b ≡  r (m).

 Die vollständigen Restsysteme modulo m sind genau die vollständigen Repräsentantensysteme der Äquivalenzrelation „modulo m“. Bei den reduzierten Restsystemen betrachten wir nur Repräsentanten, die teilerfremd zum Modul sind. Leicht einzusehen ist:

Satz (Äquivalenzen für Restsysteme)

Sei m ≥ 1. Dann gilt:

(a)

Zahlen a1, …, am bilden genau dann ein Restsystem modulo m, wenn sie paarweise inkongruent modulo m sind.

(b)

Zahlen b1, …, bφ(m) bilden genau dann ein reduziertes Restsystem modulo m, wenn sie paarweise inkongruent und teilerfremd zu m sind.

(c)

Ist A ein Restsystem modulo m, so ist B = { a  ∈  A | (a, m) = 1 } ein reduziertes Restsystem modulo m.

 Wichtig für die folgenden Ergebnisse ist:

Satz (Umordnungssatz für Reste)

Sei m ≥ 1, und sei c teilerfremd zu m. Dann gilt:

(a)

{ c0, c1, …, c(m − 1) } ist ein Restsystem modulo m.

(b)

{ cr1, cr2, …, crφ(m) } ist ein reduziertes Restsystem modulo m.

Beweis

zu (a):  Die m Zahlen c 0, …, c (m − 1) sind nach der Kürzungsregel für Kongruenzen wegen (c, m) = 1 paarweise inkongruent modulo m. Damit bilden sie ein Restsystem modulo m.

zu (b): Die φ(m) Zahlen c r1, … c rφ(m) sind nach der Kürzungsregel paarweise inkongruent und wegen (m, c) = 1 teilerfremd zu m. Damit bilden sie ein reduziertes Restsystem modulo m.

Die Sätze von Euler, Fermat und Wilson

Satz (Satz von Euler)

Sei m ≥ 1, und sei a teilerfremd zu m. Dann gilt aφ(m) ≡  1 mod(m).

Beweis

Seien r1, …, rφ(m) die zu m teilerfremden Zahlen im Intervall { 1, …, m }. Nach dem Umordnungssatz für Reste gilt

r1 · r2 · … · rφ(m)  ≡   ar1 · ar2 · … · arφ(m)  (m).

Die Zusammenfassung der a-Faktoren auf der rechten Seite liefert

r1 · r2 · … · rφ(m)  ≡   aφ(m) r1 · r2 · … · rφ(m)  (m).

Da alle Zahlen r1, …, rφ(m) teilerfremd zu m sind, können wir sie nach der Kürzungsregel alle kürzen, sodass

1  ≡   aφ(m)  (m).

Ist der Modul eine Primzahl p, so gilt φ(p) = p − 1 und wir erhalten:

Korollar (Satz von Fermat)

Sei p prim, und sei a kein Vielfaches von p. Dann gilt ap − 1 ≡  1 mod(p).

 Ein weiteres klassisches Ergebnis in diesem Umfeld ist:

Satz (Satz von Wilson)

Sei p prim. Dann gilt (p − 1)! ≡  −1 (p)

Beweis

Zunächst beobachten wir:

(+)  Ist a  ∈   und a2 ≡  1 (m), so gilt a ≡  1 oder a ≡  −1 (m).

Beweis von (+)

Aus a2 ≡  1 (p) folgt a2 − 1 ≡  0 (p) und damit

(a + 1)(a − 1) ≡  0 (p).

Da p prim ist, ist a + 1 ≡  0 (p) oder a − 1 ≡  0 (p) nach der Kürzungsregel. Dies zeigt (+).

Sei nun a  ∈  { 2, …, p − 2 }, und sei b ≡  ap − 2 (p) mit b  ∈  { 0, …, p − 1 }. Nach dem Satz von Fermat und (+) ist ab ≡  ap − 1 ≡  1 (m), b  ∈  { 2, …, p − 2 } und a ≠ b. Damit können wir im Produkt 2 · … · (p − 2) die Faktoren paarweise zusammenfassen, sodass die entsprechenden Paarprodukte alle kongruent 1 modulo p sind. Folglich ist

(p − 1)! ≡  1 · 2 · … · (p − 2) · (p − 1) ≡  1 · 1 · … · 1 · (p − 1) ≡  p − 1 ≡  −1 (p).

Anwendungen

 Wir diskutieren zwei Anwendungen der Ergebnisse. Die erste ist:

Satz (Lösung von Kongruenzen ersten Grades)

Sei m ≥ 1. Weiter seien a, b  ∈   mit (a, m) = 1. Dann existiert modulo m genau eine Zahl x mit

a x  ≡   b  mod(m).

Genauer gilt

x  ≡   aφ(m) − 1 b  mod(m).(Lösungsformel für Kongruenzen ersten Grades)

Beweis

zur Existenz:

Wir setzen x = aφ(m) − 1 b. Dann gilt nach dem Satz von Euler:

a x  ≡   a aφ(m) − 1 b  ≡   aφ(m) b  ≡   1 b  ≡   b  (m).

zur Eindeutigkeit modulo m:

Seien x1, x2 Zahlen mit ax1 ≡  b (m) und ax2 ≡  b (m). Dann gilt

ax1 ≡  ax2 (m).

Wegen (a, m) = 1 gilt x1 ≡  x2 (m) nach der Kürzungsregel.

 Die zweite Anwendung betrifft den Satz von Dirichlet über Primzahlen in arithmetischen Progressionen. Mit Hilfe der Kongruenzrelation können wir den Satz so formulieren:

Satz (Primzahlsatz von Dirichlet)

Seien a, m ≥ 1 teilerfremd. Dann gibt es unendlich viele Primzahlen p mit p ≡  a mod(m).

 Mit Hilfe einer Variante des Beweises von Euklid der Unendlichkeit der Primzahlen konnten wir den Primzahlsatz von Dirichlet für den Spezialfall m = 4 und a = 3 vergleichsweise einfach beweisen. Der Satz von Fermat erlaubt mit einem trickreichen Argument den Beweis des Spezialfalls m = 4 und a = 1:

Satz (Primzahlen kongruent 1 modulo 4)

Es gibt unendlich viele Primzahlen p mit p ≡  1 mod(4).

Beweis

Sei n ≥ 1 beliebig, und seien p1, …, pn Primzahlen mit pi ≡  1 (4) für alle i ≤ n. Wir zeigen, dass es eine Primzahl p mit p ≡  1 (4) gibt, die von allen Zahlen p1, …, pn verschieden ist. Hierzu setzen wir

a  =  2p1 … pn  und  b  =  a2 + 1  =  4p12…pn2 + 1.

Dann ist b ≡  1 (4). Ist b prim, so sind wir fertig. Andernfalls sei p ein Primteiler von b. Wegen b ≡  0 (p) und b ≡  1 (pi) für alle i ≤ n ist p von allen p1, …, pn verschieden. Wir zeigen, dass p ≡  1 (4). Hierzu rechnen wir modulo p:

Da p ein Teiler von a2 + 1 ist, gilt a2 ≡  −1 (p). Hieraus folgt:

(+)  a ≢ 1 (p),  a ≢ −1 (p),  a3 ≢ 1 (p),  a4 ≡  1 (p).

Die Zahl a ist kein Vielfaches von p, da sonst b ≡  1 (p) gelten würde. Nach dem Satz von Fermat ist also ap − 1 ≡  1 (p). Eine Division durch 4 mit Rest liefert ganze Zahlen q und r mit

p − 1  =  q 4  +  r  und  0 ≤ r < 3.

Wegen a4 ≡  1 (p) ist

1  ≡   ap − 1  ≡   aq4 + r  ≡   aq4 ar  ≡   (a4)q ar  ≡   ar  (p).

Da a, a2 und a3 nicht kongruent 1 modulo p sind, ist r = 0 und damit p − 1 durch 4 teilbar. Dies zeigt, dass p ≡  1 (4).